„Ich muss mich wieder trauen“
Schafft es Skistar Anna Veith noch einmal an die Spitze? Sie kämpft vor allem mit sich selbst. Die Salzburgerin glaubt aber trotz Rückschlägen an sich und kontert dabei kritische Meinungen.
Zweifache Gesamtweltcupsiegerin, Olympiasiegerin, Weltmeisterin – dann folgten drei schwere Verletzungen in vier Jahren. Anna Veith (30) vor dem Heimrennen Lienz am Samstag im SN-Interview, warum Zweifel in ihrer Karriere am Limit keinen Platz haben dürfen.
SN: Wie haben Sie die Weihnachtsfeiertage verbracht? Anna Veith: Wir haben nach den Rennen in St. Moritz und Courchevel direkt wieder mit Schneetraining weitergemacht. Am 24. und 25. bin ich es etwas ruhiger angegangen und seit 26. bin ich jetzt wieder auf Schnee als Vorbereitung für Lienz. Der 24. ist grundsätzlich schon als freier Tag bei mir im Kalender eingetragen. Der Tag gehört der Familie und das ist mir auch sehr wichtig. Gerade wenn man so viel unterwegs ist, weiß man die Tage, die man mit der Familie verbringen kann, umso mehr zu schätzen.
SN: Ist es vom Erfolg abhängig, ob man die freie Zeit tatsächlich auch genießen kann? Indirekt schon, weil man ja – und das ist vermutlich in jedem Job so – seine Gedanken nicht einfach von einem Moment auf den anderen ausschalten kann. Nach dem Rennen ist vor dem Rennen und so dreht sich bei uns von Oktober bis März nun mal alles um die Rennen und wie man sich verbessern kann. Im Sommer geht es dann wieder um die Vorbereitung für die nächste Saison. Aber wenn man es gerne macht, dann ist das auch okay so.
SN: Die Rennen bisher sind nicht so verlaufen, wie Sie sich das erwünscht haben. Natürlich wünscht man sich bei einem Comeback immer, dass es gleich wieder läuft und man da anknüpfen kann, wo man aufgehört hat. Im Rennen fehlt mir im Moment
allerdings noch die eigene Überzeugung, wieder voll ans Limit gehen zu können, und wenn man das nicht macht, dann reicht es einfach nicht aus. Im Training funktioniert es im dritten oder vierten Lauf meistens wieder so, wie ich mir das vorstelle, aber im Rennen habe ich keine drei oder vier Läufe, da gibt es nur eine Chance und der erste Lauf muss sitzen. Ein Comeback braucht nun mal Geduld und viel harte Arbeit. Es ist ein Prozess und das muss man akzeptieren.
SN: War die Erwartungshaltung vielleicht zu hoch, weil es ja „nur Ihre bisher leichteste Verletzung“war? Jede Verletzung muss man gleichermaßen ernst nehmen. Egal wie schwer sie ist. Es ist ein Einschnitt – körperlich und auch mental. Und auch wenn es die „leichteste“meiner Verletzungen war, war es dennoch eine schwere. Die Schwierigkeit für mich ist, dass alle meine Verletzungen in einem sehr kurzen Abstand – drei Verletzungen in vier
Jahren – passiert sind und ich deshalb die letzten vier Jahre nur eine einzige Saison bis zum Ende fahren konnte. Diese Situation macht es für mich sehr speziell und ich vermisse im Vergleich zu anderen Athletinnen die Rennen und die Trainings der letzten Jahre.
SN: Anna Veith wird keine Siegfahrerin mehr. Was entgegnen Sie dieser nun aufkommenden Meinung? Kritik wird es immer und überall geben und zum Glück leben wir in einem Land, in dem es Meinungsfreiheit gibt. Vor allem im Sport wird man oft schnell abgeschrieben – was ich sehr schade finde. Wichtig ist, wie man damit umgeht. Ich denke, dass ich niemandem etwas beweisen muss. Ich weiß, dass ich es kann, und bisher haben mich Niederlagen immer noch stärker werden lassen. Natürlich war die Verletzung im Jänner letzten Jahres ein großer Rückschlag für mich und ich war am Boden zerstört. Wichtig ist aber, dass man lernt, mit der Vergangenheit
abzuschließen und nach vorne zu blicken. Ich bin ganz ehrlich: Auch mir fällt das manchmal schwer und ich kämpfe mit mir und meinen Gedanken, aber ich bin mir dessen bewusst und glaube an mich und das ist ein wichtiger Schritt, um wieder dahin zu kommen, wo ich einmal war.
SN: Riesentorlauf oder Super G: Wo sehen Sie sich schneller wieder an der Spitze? Im Super G. Hier ist die körperliche Belastung geringer. Es gibt weniger Schräglagen als im Riesentorlauf. Aktuell fällt es mir einfach leichter.
SN: Lienz ist vermutlich ein sehr spezieller Ort für Sie. Mit welchen Emotionen werden Sie am Start stehen? Lienz verbinde ich mit vielen positiven Rennen – vor allem meinem ersten Weltcupsieg 2011. Das vergisst man nicht, wenn man das erste Mal im Weltcup ganz oben stehen darf. Heimrennen sind immer sehr speziell und mit etwas mehr Spannung verbunden als beispielsweise die Rennen in Übersee. Vor allem werden meine Freunde und meine Familie bei dem Rennen dabei sein. Das freut mich und spornt mich an.
SN: Sie sprechen gern vom nächsten Schritt: Wann wäre dieser in Lienz gelungen? Von einem Ergebnis möchte ich nur ungern sprechen, aber ich bin zufrieden, wenn ich mich leistungstechnisch steigern kann und das Gefühl habe, einen Schritt nach vorne gemacht zu haben. Mein Ziel in dieser Saison ist es, über die Rennen in Form zu kommen und damit Sicherheit zu gewinnen. Früher habe ich gewusst, wo mein Limit ist. Seit der Verletzung muss ich mir das neu erarbeiten, neu erspüren und mich auch trauen, mich wieder am Limit zu bewegen. Wenn ich das schaffe kommen die guten Ergebnisse von allein.