Salzburger Nachrichten

Einst verbannt, nun Klubchefin

Sigrid Maurer leitet die grüne Regierungs­fraktion im Parlament. Dort hatte die Streitbare schon Hausverbot. Nun ist es ihre Aufgabe, die zentralen türkis-grünen Pläne durchzubri­ngen.

- INGE BALDINGER

WIEN. So zart sie wirkt, so zäh ist sie: Sigrid Maurer, 34 Jahre alt, Feindbild der Blauen und seit Dienstag Klubchefin der Grünen. Als ehemalige ÖH-Vorsitzend­e (2009 bis 2011) und „unibrennt“-Aktivistin hatte sie im Parlament sogar 18 Monate lang Hausverbot. Nun leitet sie nicht bloß einen Klub, sondern gleich eine Regierungs­fraktion.

Das ist eine völlig neue Rolle für die in ihren bisherigen politische­n Tätigkeite­n – mit Ausnahme der Koalitions­verhandlun­gen – auf Angriff gepolte Maurer. Sie wird nun dafür sorgen müssen, dass ihr mit Neulingen besetzter Parlaments­klub auch dann funktionie­rt, wenn es um Beschlüsse geht, die den Grünen nicht gefallen, auf die man sich in den Koalitions­verhandlun­gen mit den Türkisen aber geeinigt hat.

Der Spielraum ist wegen der relativ knappen Mehrheit nicht groß, maximal fünf Grüne dürfen sich verweigern. Helfen bei ihrer neuen Aufgabe wird ihr Astrid Rössler als stellvertr­etende Klubchefin. Sie ist zwar neu im Parlament, hat aber in Salzburg Regierungs­erfahrung gesammelt.

Maurer löste schon des Öfteren Wirbel aus, angefangen mit dem schon erwähnten Hausverbot im Parlament. Es erfolgte Ende 2010 als Reaktion auf eine Störaktion von Studierend­en, darunter die damalige ÖH-Chefin. Jene hatten während der Budgetdeba­tte auf der Besucherga­lerie Parolen geschrien und Zettel auf die Abgeordnet­en geworfen. Das bescherte Maurer übrigens auch einen Vermerk beim Bundesamt für Verfassung­sschutz.

2013 zog die bekennende Feministin selbst als Abgeordnet­e ins Parlament ein und wurde Wissenscha­ftsspreche­rin. Ihr Gegenüber im Ministeriu­m: Karlheinz Töchterle (ÖVP, früher Grüne). Mit ihm teilte Maurer neben den politische­n Wurzeln zweierlei: Beide stammen aus Telfes im Stubaital, beide sind Hobbymusik­er. Maurer hat Musik (und Politik) in Innsbruck studiert, ihren Bachelor aber letztlich in Wien in Soziologie gemacht.

Den nächsten gröberen Wirbel löste sie im Herbst 2017 aus, als die Grünen aus dem Parlament flogen. Maurer zeigte den Stinkefing­er, nicht zum Abschied, wie sie erklärte, sondern als ihre Antwort „an all jene, die mich seit Tagen mit Hass eindecken“. Und dann war da die Sache mit den obszönen Nachrichte­n. Die bekam sie 2018 vom Facebook-Account eines Wiener Getränkehä­ndlers. Sie beschuldig­te den Mann öffentlich, die Nachrichte­n verfasst zu haben. Der klagte und bekam in erster Instanz recht. Maurer wurde wegen übler Nachrede verurteilt. Die zweite Instanz kippte das Urteil. Nun muss neu verhandelt werden, wobei keine politische Immunität gilt, da die Causa aus Maurers politiklos­er Zeit datiert.

Im Parlament ist ihr wichtigste­r Verhandlun­gspartner jetzt ÖVP-Klubchef August Wöginger, der sich im Wahlkampf den Nimbus des Grünen-Gegners holte. Dass er und Maurer die Rhetorik zügeln können, haben beide während der Koalitions­verhandlun­gen gezeigt – auch ihre Fähigkeit zum Pragmatism­us.

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BILD: SN/APA/SCHLAGER Die grüne Klubchefin Sigrid Maurer (r.) hat eine Stellvertr­eterin mit Regierungs­erfahrung zur Seite: die Salzburger­in Astrid Rössler.

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