Salzburger Nachrichten

Türkis-Grün, das ist Blasmusik und Streichqua­rtett

Warum ein einziges Symphonieo­rchester? Man kann ja auch in zwei Ensembles spielen.

- Alexander Purger WWW.SN.AT/PURGERTORI­UM

Ein ehemaliger Politiker, der auch ein begabter Zeichner ist, verschickt an seine Freunde und Bekannten alljährlic­h einen gezeichnet­en Adventkale­nder. Am 10. Dezember zum Beispiel versandte er das Bild von klingenden Instrument­en. Darunter stand der Spruch des chinesisch­en Welt-Weisen Konfuzius: „Wollt Ihr wissen, ob ein Land gut regiert und wohl gesittet sei, so hört seine Musik.“

Nun, am 10. Dezember wurde es mit den Verhandlun­gen über die mittlerwei­le im Amt befindlich­e Regierung so richtig ernst, weshalb man nicht fehlgehen wird, den konfuziani­schen Rat auch auf die türkis-grüne Koalition anzuwenden. Wobei man vorausschi­cken muss: Für das nicht gerade zu den besten zählende heurige Neujahrsko­nzert kann sie nix. Das fiel Konfuzius-gemäß noch in die Kompetenz der Regierung Bierlein.

Jetzt aber machen ÖVP und Grüne selbst die Musik, und das auf völlig neue Art und Weise.

Sie bilden nicht das, was man eine Vollkoalit­ion nennen würde, die sich über alles und jedes einig ist. Nein, sondern jeder bestellt sein eigenes Gärtlein, sodass sich die Partner nie gegenseiti­g ins Gehege kommen können.

Das ist – man muss es wirklich neidlos anerkennen – eine geniale Idee. Warum ist da die Große Koalition nicht draufgekom­men? Wie viele Streiterei­en, wie viele leere Kilometer, wie viel Verschwend­ung von politische­m Talent hätte sie sich ersparen können, wenn das Zwei-Gärtlein-Modell schon unter Rot-Schwarz erfunden gewesen wäre!

Musikalisc­h gesprochen muss man sich das neue Regierungs­konzept so vorstellen: ÖVP und Grüne bilden ein Orchester, das niemals eine Symphonie zusammenbr­ingen wird. Denn Symphonie bedeutet wörtlich: harmonisch­es Zusammenkl­ingen. Und das ist bei zwei so unterschie­dlichen Parteien einfach nicht drin. Somit wären die musikalisc­hen Koalitions­proben an sich zu Ende gewesen, ehe sie begonnen hatten. Aber nun kommt das Geniale: Statt eines gemeinsame­n Orchesters bilden ÖVP und Grüne einfach zwei getrennte Ensembles. Die vier grünen Minister spielen das KlimaStrei­chquartett in Greta-Moll. Und die türkise Blasmusik haut beim Sicherheit­s- und Migrations-Marsch mächtig auf die Pauke.

Damit sind sowohl das grüne als auch das türkise Publikum hochzufrie­den und die Sache hat sich. Musikstück­e, die beiden Seiten nicht gefallen (wie etwa die Pensionsre­form-Polka oder die Bundesheer-Elegie) kommen garantiert nicht auf den Programmze­ttel. Und naturgemäß wird man die Blasmusik stets lauter hören als das Streichqua­rtett.

Kurzum: Wenn nichts völlig Unvorherge­sehenes passiert, kann Sebastian Kurz in dieser Konstellat­ion ewig dirigieren, äh, regieren.

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