Türkis-Grün, das ist Blasmusik und Streichquartett
Warum ein einziges Symphonieorchester? Man kann ja auch in zwei Ensembles spielen.
Ein ehemaliger Politiker, der auch ein begabter Zeichner ist, verschickt an seine Freunde und Bekannten alljährlich einen gezeichneten Adventkalender. Am 10. Dezember zum Beispiel versandte er das Bild von klingenden Instrumenten. Darunter stand der Spruch des chinesischen Welt-Weisen Konfuzius: „Wollt Ihr wissen, ob ein Land gut regiert und wohl gesittet sei, so hört seine Musik.“
Nun, am 10. Dezember wurde es mit den Verhandlungen über die mittlerweile im Amt befindliche Regierung so richtig ernst, weshalb man nicht fehlgehen wird, den konfuzianischen Rat auch auf die türkis-grüne Koalition anzuwenden. Wobei man vorausschicken muss: Für das nicht gerade zu den besten zählende heurige Neujahrskonzert kann sie nix. Das fiel Konfuzius-gemäß noch in die Kompetenz der Regierung Bierlein.
Jetzt aber machen ÖVP und Grüne selbst die Musik, und das auf völlig neue Art und Weise.
Sie bilden nicht das, was man eine Vollkoalition nennen würde, die sich über alles und jedes einig ist. Nein, sondern jeder bestellt sein eigenes Gärtlein, sodass sich die Partner nie gegenseitig ins Gehege kommen können.
Das ist – man muss es wirklich neidlos anerkennen – eine geniale Idee. Warum ist da die Große Koalition nicht draufgekommen? Wie viele Streitereien, wie viele leere Kilometer, wie viel Verschwendung von politischem Talent hätte sie sich ersparen können, wenn das Zwei-Gärtlein-Modell schon unter Rot-Schwarz erfunden gewesen wäre!
Musikalisch gesprochen muss man sich das neue Regierungskonzept so vorstellen: ÖVP und Grüne bilden ein Orchester, das niemals eine Symphonie zusammenbringen wird. Denn Symphonie bedeutet wörtlich: harmonisches Zusammenklingen. Und das ist bei zwei so unterschiedlichen Parteien einfach nicht drin. Somit wären die musikalischen Koalitionsproben an sich zu Ende gewesen, ehe sie begonnen hatten. Aber nun kommt das Geniale: Statt eines gemeinsamen Orchesters bilden ÖVP und Grüne einfach zwei getrennte Ensembles. Die vier grünen Minister spielen das KlimaStreichquartett in Greta-Moll. Und die türkise Blasmusik haut beim Sicherheits- und Migrations-Marsch mächtig auf die Pauke.
Damit sind sowohl das grüne als auch das türkise Publikum hochzufrieden und die Sache hat sich. Musikstücke, die beiden Seiten nicht gefallen (wie etwa die Pensionsreform-Polka oder die Bundesheer-Elegie) kommen garantiert nicht auf den Programmzettel. Und naturgemäß wird man die Blasmusik stets lauter hören als das Streichquartett.
Kurzum: Wenn nichts völlig Unvorhergesehenes passiert, kann Sebastian Kurz in dieser Konstellation ewig dirigieren, äh, regieren.