Nach dem Verhandeln ist vor dem Verhandeln
Ökologische Steuerreform, gläserner Staat, umstrittene Großprojekte: Zwischen Türkis und Grün gilt es nun zentrale Fragen zu klären. Der Teufel steckt im Detail.
Der Koalitionspakt ist ausverhandelt, die Regierung ist angelobt. Doch das wahre Verhandeln geht jetzt erst richtig los. Im Koalitionspakt sind nur die großen Vorhaben umrissen, der Weg dorthin aber ist noch sehr vage.
Mehr Kontrollrechte bekommt der Rechnungshof. So soll er unter anderem bei „konkreten Anhaltspunkten“in die Parteifinanzen blicken sowie Unternehmen schon ab 25 Prozent Staatsanteil prüfen dürfen. Allerdings nur, sofern sie nicht an der Börse notieren. Stellt sich die Frage: Was bleibt da überhaupt außer den Casinos, auf die die Neuregelung klar gemünzt war? Einiges: Heiße Kandidaten dürften die großen Pensionskassen und diverse Töchter von Aktiengesellschaften sein, beispielsweise des Verbunds, möglicherweise aber auch der Wiener City Airport Train, kurz CAT. Im Rechnungshof gibt man sich zugeknöpft: Die Analyse, welche Unternehmen nun dazukämen, starte erst. Habe man sie beisammen, werde man eine Reihenfolge festlegen. Zudem werde man analysieren, ob es zusätzlichen Personals bedürfe. Darüber will man im Frühjahr in den Budgetverhandlungen reden.
Eines der größten Fragezeichen im neuen Regierungsprogramm ist zweifelsohne die Sicherungshaft. Unter der Schaffung eines „zusätzlichen,
verfassungskonformen Hafttatbestands (Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit) für Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die öffentliche Sicherheit gefährden“, ist die Präventivhaft gemeint.
Verfassungsexperten, Europarechtler und Menschenrechtsbeobachter diskutieren bereits, unter welchen Umständen jemand eingesperrt werden kann, noch bevor er eine Tat begangen hat. Der Tenor: Verfassungsrechtlich ist die Idee sehr schwierig bis nahezu unmöglich umsetzbar.
Spannend ist auch die vorgesehene „Evaluierung und Prüfung des Untreuetatbestands“. Damit dürfte die Regierung auf die Kritik vieler Bürgermeister, vor allem aus Salzburg, reagieren, die zuletzt unter Druck geraten waren. Der Grund: Gemeinden, denen im Abtausch für Großprojekte Entschädigungszahlungen angeboten werden, müssen diese Zahlungen auch dann annehmen, wenn das Großprojekt nicht im Interesse der Gemeinde ist. Werden die Zahlungen nicht angenommen, droht den Gemeindevertretern eine Untreue-Anklage, da sie ja zum finanziellen Nachteil der Kommune handelten.
Erst ausverhandelt werden muss, wie genau der Fahrplan Österreichs zu mehr Klimaschutz ausschaut. Die Regierung hat als Losung ausgegeben, aus Österreich bis zum Jahr 2040 ein klimaneutrales Land zu machen. Das ist ein sehr ambitioniertes, aber machbares Ziel, das jedenfalls enorme Anstrengungen erfordern wird.
Mit der ökosozialen Steuerreform wird sich nun erst einmal eine Taskforce beschäftigen. Festgehalten haben die Regierungsparteien in ihrem Programm, dass es ab 2022 entweder eine Ökologisierung des Steuersystems oder eine andere Art der CO2-Bepreisung geben wird (CO2-Steuern oder eine Ausweitung des Emissionshandels). Aber wie gesagt: Was konkret kommt, ist offen.
Vonseiten der ÖVP steht vorerst ein anderes Vorhaben im Vordergrund: die Steuerentlastung. Die Steuerreform, die unter Türkis-Blau ausgearbeitet worden war, wurde nur zum Teil umgesetzt. Nun soll allen voran die Senkung der ersten drei Tarifstufen bei der Einkommenssteuer umgesetzt werden – so steht es auch im Regierungspakt.
Bestehen durch das künftig mit Leonore Gewessler grün besetzte Verkehrs- und Infrastrukturministerium höhere Chancen, von den Grünen besonders ungeliebte Großprojekte wie den Lobau-Tunnel oder die dritte Piste am Flughafen Wien-Schwechat doch noch zu stoppen? Diese Frage haben die Grünen bisher nicht beantwortet.
Türkis-Grün habe sich geeinigt, Großprojekte mit Blick auf das Klima zu überprüfen, sagte die grüne Verhandlerin und Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein: „Das ist der Stand der Dinge – nicht mehr und nicht weniger.“Die dritte Piste am Wiener Flughafen ist nach jahrelangen Verfahren bewilligt. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Vorjahr grünes Licht gegeben.
Anders stehen die Dinge beim Lobau-Tunnel, der vor allem für die Wiener Grünen ein rotes Tuch ist: Der Tunnel, der den Autobahnring um die Stadt Wien schließen und so vor allem die Südosttangente
entlasten soll, verläuft großteils unter dem Nationalpark Donauauen. Und: Die Genehmigungsverfahren laufen noch, allen voran zu Wasserrecht und Naturschutz. Das Projekt ist aber bereits sehr weit gediehen. Sollte es bewilligt werden, gilt es als eher unwahrscheinlich, dass der Asfinag der Geldhahn für die Umsetzung einfach zugedreht würde.