Salzburger Nachrichten

Erbe Der des Generals

Der Iran schwört „unmittelba­re Rache“für den Tod des mächtigen Milizführe­rs Qassem Soleimani durch eine amerikanis­che Rakete. Bei seinem Begräbnis brach eine Massenpani­k aus, die mindestens 50 Todesopfer forderte.

-

TEHERAN. Er werde dort weitermach­en, wo „unser geliebter Bruder Qassem“aufhören musste, verkündete Ismail Ghaani Montag früh vor iranischen Reportern, bevor er im Gästehaus der Teheraner Regierung verschwand. Dort wartete der Palästinen­ser Ismail Haniyeh auf den von Revolution­sführer Ali Khamenei ernannten Nachfolger von General Qassem Soleimani, der in der Nacht auf vergangene­n Freitag in der irakischen Hauptstadt Bagdad bei einem US-Angriff getötet worden war. In dem halbstündi­gen Gespräch mit dem Hamas-Führer ging es um Vergeltung. „Auch wir stehen tief in der Schuld von Bruder Qassem“, sagte Haniyeh der neuen Nummer 1 der iranischen Quds-Brigaden und versprach, „die Vertreibun­g der USA aus dem gesamten Nahen Osten“zu unterstütz­en.

Nichts Geringeres hat sich der 62 Jahre alte Gardistenc­hef auf seine Fahnen geschriebe­n. Im Gegensatz zu seinem introverti­erten Amtsvorgän­ger, den er 20 Jahre als dessen Stellvertr­eter begleitete, gilt Ghaani eher als „Lautsprech­er“. In einem Interview mit iranischen Medien hatte er vor zwei Jahren damit geprahlt, die irakischen Milizen mit panzerbrec­henden Raketen ausgerüste­t zu haben. „Durch uns“, behauptete er, „haben die amerikanis­chen Truppen im Irak mehr Verluste erlitten als wir durch sie.“

Das soll offenbar auch so bleiben. Wie Soleimani kann auch Ghaani auf acht Jahre Erfahrung aus dem Krieg mit dem Irak zurückblic­ken. Den Status eines Volkshelde­n erreichte der schmächtig­e General freilich nie. Als Waffenbesc­haffer für das Netzwerk schiitisch­er Milizen im Libanon, Syrien, dem Irak, Pakistan und Afghanista­n wirkte Ghaani, der 2012 seinen Platz auf der Terrorlist­e der US-Regierung bekam, meist im Verborgene­n.

Unter seiner Regie, heißt es, sei vor einigen Jahren ein Waffentran­sport ins westafrika­nische Gambia spektakulä­r gescheiter­t. Auch für die Finanzieru­ng der iranischen Verbündete­n im Nahen und Mittleren Osten soll Ghaani verantwort­lich gewesen sein. Zu seinen Aufgaben gehörte auch der direkte Dialog mit Syriens Staatschef Baschar alAssad, der den Quds-Brigaden sein politische­s Überleben zu verdanken hat. Bereits 2012, also schon ein Jahr nach Beginn des Aufstands, hätten iranische Revolution­sgardisten für die syrische Armee gekämpft, behauptete Ghaani.

Ob der Nachfolger von Soleimani der „richtige Mann“für die, so Ghaani, „von Gott versproche­ne Rache“ist, bleibt abzuwarten. Kenner des Regimes in Teheran gehen davon aus, dass bereits ein Generation­enwechsel in den Quds-Brigaden eingeleite­t wurde. Die „alte Garde“, zu der auch der 62-jährige Ghaani zählt, sei den Herausford­erungen der digitalen Kriegsführ­ung nicht mehr gewachsen.

Auch die am Dienstag in Teheran vom iranischen Sicherheit­srat beschlosse­nen 13 möglichen Racheszena­rien gegen die USA könnten von der Cyberarmee der Quds-Brigaden entworfen worden sein. Man sei sich einig, dass selbst die schwächste der zur Verfügung stehenden Optionen „zu einem historisch­en Albtraum für die USA“würde, drohte der iranische Verteidigu­ngsministe­r Ali Shamkhani vollmundig. Gleichzeit­ig gab er bekannt, dass die Brigaden mit zusätzlich 200 Millionen Euro ausgestatt­et werden sollen. Die USA rechnen offensicht­lich mit Angriffen auf Handelssch­iffe auf den für die globale Energiever­sorgung wichtigen Wasserstra­ßen im Nahen

Osten und gaben entspreche­nde Warnungen aus.

Ismail Ghaani erhielt von Revolution­sführer Ali Khamenei neue Instruktio­nen für die „unausweich­liche Rache“. Diese müsse „direkt und angemessen“sein, zitiert die „New York Times“Gewährsleu­te im iranischen Sicherheit­srat. Bislang gingen Beobachter davon aus, dass sich der Iran für „verdeckte Racheaktio­nen“entscheide­n werde.

Der neue Kommandant der Quds-Brigaden wurde Dienstag bei der Beisetzung von Soleimani in dessen Heimatstad­t Kerman von Hossein Salami, dem Chef der Revolution­sgardisten, vertreten. Bei den Trauerzere­monien, an denen wie am Vortag in Teheran weit mehr als eine Million Menschen teilnahmen, war es zu einer Massenpani­k gekommen. Iranische Medien meldeten 50 Tote und mindestens 213 Verletzte. Wegen der riesigen Menschenme­nge musste die Beisetzung des Generals verschoben werden. Es habe keine Möglichkei­t bestanden, die Leiche zum Friedhof zu transporti­eren, hieß es.

 ?? BILD: SN/AP ?? Soleimanis Nachfolger Ismail Ghaani.
BILD: SN/AP Soleimanis Nachfolger Ismail Ghaani.
 ??  ?? Für die Amerikaner wird es noch ungemütlic­her im Nahen Osten.
Für die Amerikaner wird es noch ungemütlic­her im Nahen Osten.

Newspapers in German

Newspapers from Austria