Macron spielt ein riskantes Spiel
Die Hartnäckigkeit des französischen Präsidenten könnte vor allem einer nützen: Marine Le Pen.
Zumindest eine Entscheidung von Emmanuel Macron im Rahmen der Pensionsreform wurde bereits anstandslos akzeptiert: sein kurz vor Weihnachten angekündigter Verzicht auf die Präsidentenpension von monatlich 6220 Euro sowie auf den Sitz im Verfassungsrat, der allen Ex-Staatschefs zusteht und mit 13.500 Euro pro Monat dotiert ist. Viel Applaus erntete er aber nicht. Die Opposition kritisierte das Angebot als „demagogisch“und reine „PR-Operation“. „Ihr mit euren Elendspensionen, warum beklagt ihr euch? Folgt dem Beispiel des Königs!“, lästerte die Linkspolitikerin Manon Aubry.
Das Beispiel illustriert das enorme Misstrauen, dem Macron gegenübersteht – nicht nur innerhalb von Aubrys Partei Widerspenstiges Frankreich. Er trat im Mai 2017 als Mann der Mitte mit dem Versprechen an, alte ideologische Gräben zu überwinden, und schwächte die beiden großen Volksparteien dauerhaft, indem er ihnen Wähler und Personal abspenstig machte. Doch knapp drei Jahre später hat er die meisten Ex-Sozialisten verloren, vor allem durch die weitgehende Abschaffung der Reichensteuer, während er zugleich die Miethilfen für Arme senkte. Seine heutige Wählerschaft setzt sich überwiegend aus ehemaligen Anhängern der Konservativen zusammen.
Ihnen will Macron beweisen, dass er der entschlossene Modernisierer ist, als der er sich präsentiert hatte. Beobachtern zufolge setzt er darauf, dass die Rechtspopulistin Marine Le Pen seine Hauptgegnerin bleibt, die weiterhin viele Franzosen abstößt – in der Stichwahl hätte Macron damit gute Karten. Doch die Wette ist riskant: Stimmten 2017 noch viele Linkswähler zähneknirschend für ihn, könnten sie sich bei der nächsten Wahl 2022 enthalten – mit der Gefahr, dass die nächste Präsidentin Le Pen heißt.
Aus dem Élysée verlautet, Macron wolle „derjenige sein, der Frankreich an das 21. Jahrhundert anpasst“. „Der Präsident drosselt nicht im Namen von vermeintlichen mittelfristigen politischen Zugewinnen das Tempo“, zitiert die Zeitung „Le Monde“sein Umfeld.
Das erklärt seine Unnachgiebigkeit bei der geplanten Reform, die die bisherigen 42 Pensionskassen in ein universales Punktesystem überführen und das Pensionsantrittsalter schrittweise von 62 auf 64 erhöhen soll. Bei seiner Neujahrsansprache forderte Macron einen „schnellen Kompromiss“in dem Konflikt.
Dieser erscheint immer noch weit entfernt. Seit 35 Tagen streiken viele Mitarbeiter der Bahn und der Pariser Verkehrsbetriebe, mehrere Raffinerien werden derzeit blockiert, weitere Berufsgruppen wie die Anwälte oder Lehrer sind im Ausstand. Am Donnerstag und Samstag finden neue Großdemonstrationen statt, dabei nahmen die Vertreter der Regierung und der Sozialpartner
am Dienstag die Verhandlungen nach der Weihnachtspause wieder auf.
Während einige Arbeitnehmervertreter ein Punktesystem und damit die komplette Reform ablehnen, stören sich andere wie die größte französische Gewerkschaft CFDT vor allem an der Erhöhung des Pensionsantrittsalters. CFDTChef Laurent Berger schlug nun unabhängig von der Reform eine Konferenz über die Finanzierung der Pensionen vor. Premierminister Édouard Philippe bezeichnete dies als gute Idee, aber trotzdem müsse sich jeder ein wenig bewegen. „Man kann nicht behaupten, dass Philippe sich viel bewegt hätte“, sagte danach CFDT-Verhandler Frédéric Sève: „Er sagt, er sei offen, aber bleibt auf allen seinen Positionen.“