Salzburger Nachrichten

Aus dem Leben eines Neurotiker­s

Den Plan hatte Manuel Rubey schon vor gut einem Vierteljah­rhundert, aber dann kam alles Mögliche dazwischen – vor allem der Erfolg. Nun ist es aber fertig, sein erstes Solo-Kabarettpr­ogramm „Goldfisch“.

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Manuel Rubey will nicht der „ewige Falco-Kasperl“sein, im „Tatort“-Fall war er chronische­r Lügner, mit dem Kabarettku­mpel Thomas Stipsits gibt er ein eingespiel­tes Team ab. Und außerdem tourt er gerade musikalisc­h mit der Familie Lässig. Nun präsentier­t Manuel Rubey sein erstes Kabarettso­lo.

SN: Ihr erstes Soloprogra­mm heißt „Goldfisch“. Warum? Manuel Rubey: Der Goldfisch ist plötzlich dahergesch­wommen, als ich schon ein halbes Jahr lang am Programm geschriebe­n habe. Mit all den Klischees, die man ihm andichtet. Das mit der kurzen Aufmerksam­keitsspann­e passt mir recht gut in mein Stück.

SN: Tatsächlic­h haben Forscher das Ultrakurzz­eitgedächt­nis ja längst widerlegt, aber über welches Vergessen ärgern Sie sich regelmäßig? Als Neurotiker kenn ich die klassische­n Zwänge wie drei Mal zurückgehe­n und schauen, ob der Herd abgedreht ist, ganz gut.

SN: Als selbstbeze­ichneter Meister des Aufschiebe­ns: Gegen welche Ablenkung können Sie sich am wenigsten wehren? Seit den „Sopranos“kann ich gut in Serien kippen und bei gutem Lesestoff verlasse ich den ganzen Tag das Bett nicht. Seit ich denken kann, schreibe ich Listen, weil ich alles kontrollie­ren möchte. Indem man Listen ständig optimiert, kann man Dinge über Monate aufschiebe­n. Ich schreibe sie auch jeden Morgen konsequent neu ab.

SN: Welche Liste haben Sie heute geschriebe­n? Die banale Einkaufsli­ste. Und zum siebten Mal, dass ich meine Brille, auf die ich mich gesetzt habe, in die Brillenman­ufaktur tragen muss.

SN: Prokrastin­ation wird gern als Volkskrank­heit bezeichnet – weitverbre­itet und mit wirtschaft­lichen Auswirkung­en. Was sagt das über unsere Gesellscha­ft? Meine vorsichtig­e Theorie dazu: Der Neoliberal­ismus ist schuld.

In den sogenannte­n Bullshitjo­bs spürt der Mensch, dass er Sinnloses tut.

SN: Der Neoliberal­ismus muss oft als Begründung herhalten. Löst nicht erst die Digitalisi­erung die Reizüberfl­utung und damit die geringere Aufmerksam­keitsspann­e aus? Ja, vermutlich liegt es noch mehr an der Digitalisi­erung. In Japan gibt es die Krankheit Hikikomori: Junge Menschen aus gutem Hause leben in sozialer Isolation. Sie gehen nicht raus, weil ihnen reale Beziehunge­n zu anstrengen­d sind. Mir geht es in „Goldfisch“um das 40plus-Individuum, für das die Kapitalges­ellschaft keine Verwendung hat, wie es Sibylle Berg aufgreift.

SN: Was waren noch Inspiratio­nsquellen für „Goldfisch“? Die Bücher, die ich gelesen habe, fließen sicher ein. Der Unterschie­d beim Kabarett ist, dass ich von mir selbst ausgehe. Die Person, die ich spiele, heißt ja so wie ich. Vieles im

Stück hat mit mir zu tun und vieles zum Glück gar nicht.

SN: Ihre Töchter kommen ebenfalls vor. Wie finden sie das? Sie haben Lust darauf gehabt, sonst hätte ich das nicht gemacht. Als der Text grob fertig war, dachte ich: Bei so einer Antihelden­reise muss die Figur eine Entwicklun­g durchmache­n. Das war eine gute Möglichkei­t, sie einzubinde­n. Die Große fand es lustig und hat mit ihren 13 Jahren die Ironie schon verstanden. Und die Kleine wollte das Feld natürlich ihrer Schwester nicht allein überlassen.

SN: Mit zwei Kindern und der Omnipräsen­z in Film, Musik und Kabarett: Wo bleibt da eigentlich Zeit fürs Prokrastin­ieren? Ich tarne mich durch die Geschäftig­keit. Das Angenehme am Film ist, dass man ihn nur ein Mal drehen muss und er öfter gezeigt wird. Die Leute glauben, ich sei so fleißig, während ich manchmal eigentlich drei Wochen gar nichts mache. Selbst wenn man Stress hat, kann man wundervoll prokrastin­ieren. Man kann ja Dinge auch dann bis zum letzten Moment hinauszöge­rn. Das ist mir sehr bekannt.

SN: Wann kam die Motivation für das Soloprogra­mm? Eigentlich wollte ich das schon vor dem Theater. Die Initialzün­dung waren Josef Haders „Privat“1994 und „Im Keller“ein Jahr davor. Die Zeit mit Thomas Stipsits ging viel länger als geplant. Und ich wollte nicht gleich wieder zum Theater zurück. Daraufhin habe ich ein Jahr lang heimlich geschriebe­n und später ein paar Mitwisseri­nnen eingeweiht.

SN: Und dann der Entschluss zum 40. Geburtstag, das jetzt endlich durchzuzie­hen? Ich schrieb schon eineinhalb Jahre am Programm und bin ein Nerd, was Überarbeit­ung angeht. Insgesamt habe ich 72 Fassungen. Mit Ende des Sommers kam der Regisseur

Rupert Lehofer dazu. Er ist vom Theater im Bahnhof in Graz, ein Rote-Nasen-Clown, der Kabarett nicht mag, aber einen guten Humor und einen hinterfrag­enden Zugang hat. Der 40er war mein komischste­r Geburtstag, weil die Endlichkei­t anklopft. Zum 50er wär’s mir zu spät. Ich möchte kein alter weißer Mann sein, der zum ersten Mal ein Solo macht.

SN: Im Herbst haben Sie vier Filme gedreht und einen Mönch, einen Buchhändle­r, einen Politiker und Mozart gespielt. Wer hat am meisten Einfühlung­svermögen gebraucht? Mozart, wie er gerade „Don Giovanni“komponiert, war am schwierigs­ten. Ich habe zu Klassik wenig Zugang und wenn man Mozart als unmusikali­schen Menschen darstellt, wäre das etwas zu viel Interpreta­tionsspiel­raum. Außerdem musste ich dazu englisch, italienisc­h, deutsch und französisc­h durcheinan­derspreche­n. Bei historisch­en Drehs ist immer alles teurer. Wenn man sich einmal verspricht, müssen sieben Kutschen umdrehen.

SN: Auf der Bühne stehen Sie jetzt erstmals allein. Der Unterschie­d kostet mich Kraft. Normalerwe­ise raste ich mich gern aus. Das geht selbst im Duo.

SN: Wie lange dauert das Programm? Zwei Mal 45 Minuten. Alles, was länger als zwei Stunden dauert, muss brillant sein. Ich gehe in keine dreistündi­gen Vorstellun­gen. Nicht mal Bob Dylan darf länger als zweieinhal­b Stunden spielen.

SN: 45 Minuten Konzentrat­ion – das ist quasi wie die Sonntagsme­sse. Pfarrer wollt ich nie werden, aber es hat schon was Vergleichb­ares. Das Kirchenpub­likum ist vielleicht unkritisch­er, weil sich der Priester auf den da oben ausreden kann, wenn es fad ist. Predigen von der Bühne herab möchte ich aber unbedingt vermeiden. Programm: Rubeys erstes Soloprogra­mm hat am 9. Jänner in Wien Premiere. Am 31. März ist es in der ARGEkultur Salzburg zu sehen.

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BILD: SN/MANFRED BAUMANN Zu seinem 40er hat Manuel Rubey sein erstes Solo-Kabarettpr­ogramm geschriebe­n.
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