Wie gut ist vegane Kost für Hobby- und Leistungssportler?
Vegane Ernährung wird auch bei Sportlern immer beliebter. Machbar, sagen Ernährungs- und Sportexperten. Allerdings mit einigen wichtigen Einschränkungen.
Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen. Sie ernährt sich vegan, also ohne tierische Produkte, auch ohne Milch, Eier oder Käse. „Mein Essen ist sehr abwechslungsreich und setzt sich vor allem aus Obst und Gemüse aller Art zusammen. Dazu kommen Kartoffeln, Linsen in unterschiedlicher Form, Bohnen, Vollkornreis, Buchweizen, Kichererbsen, Samen, Nüsse, Sprossen oder Algen“, erklärt Kaltenbrunner den SN. Im Gegensatz zu vielen Veganern im Hochleistungssport verzichtet sie auch auf Eiweiß- oder Vitaminpräparate. Einzige Ausnahme war, wie sie sagt: „Nach einer Knieoperation im vergangenen Winter habe ich ein natürliches Präparat mit allen wichtigen Vitaminen und Spurenelementen genommen.“
Vegane Ernährung und Leistungssport – kann das zusammenpassen? Faktum ist, dass sich immer mehr Leistungssportler dazu bekennen und vegane Kost zumindest zeitweise probieren. Formel-1Superstar Lewis Hamilton gehört nach eigenen Aussagen ebenso dazu wie Bayern-Stürmer Serge Gnabry oder Manchester Citys Rekordtorschütze Sergio Agüero.
Beim Leiter des Instituts für Sportmedizin am Uniklinikum Salzburg, Josef Niebauer, schwingt eine Portion Skepsis mit, wenn er sagt: „Man muss immer unterscheiden zwischen dem, was jemand erzählt, und was er dann wirklich tut.“Er schließt aber nicht aus, dass vegane Ernährung auch für Hochleistungssportler und ambitionierte Hobbysportler funktionieren kann.
Allerdings müssten sich diese Athleten seiner Meinung nach bewusst sein, dass sie Teil eines Großexperiments seien. Derzeit könne noch niemand genau sagen, ob befürchtete Defizite in der Ernährung überschätzt werden oder nicht und ob eventuell mit Langzeitfolgen zu rechnen sei. Das sei in Studien auch kaum nachweisbar, meint Niebauer.
Für Maria Benedikt, Leiterin der ernährungsmedizinischen Beratung am Uniklinikum Salzburg, gehören Leistungssportler, die sich vegan ernähren, wie Kinder, Stillende und Schwangere zu einer Risikogruppe, die potenziell unzureichend mit kritischen Nährstoffen versorgt ist. Sie rät deshalb dazu, sich regelmäßig untersuchen zu lassen, um gegebenenfalls Mängel ausgleichen zu können. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat auf Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Literatur eine ähnliche Position zur veganen Ernährung erarbeitet: Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sei eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich. Neben Vitamin B12 gehören zu den kritischen Nährstoffen diverse Proteine, langkettige n3-Fettsäuren, Vitamine (Riboflavin, Vitamin D) und Mineralstoffe (Kalzium, Eisen, Jod, Zink, Selen). Für Schwangere, Stillende, Säuglinge, Kinder und Jugendliche wird daher eine vegane Ernährung nicht empfohlen.
Das Institut für alternative und nachhaltige Ernährung (IFANE) im deutschen Biebertal konnte aber in einer Studie mit der äußerst vielfältig zusammengestellten „Gießener veganen Lebensmittelpyramide“in einem 14-tägigen Speiseplan zeigen, dass die befürchteten Defizite bis auf Vitamin B12 und Vitamin D in der Nahrung nicht auftreten. Allerdings seien weitere Untersuchungen notwendig.
Niebauer betont daher: „Wenn man sich vegan ernährt, muss man sich sehr genau mit der Ernährung beschäftigen. Und will man eine Lücke durch Nahrungsergänzungsmittel schließen, sollte man genau hinschauen, mit welchen Präparaten man das macht. Diese Produkte sind keine Medikamente, die durch straffe Kontrollen gegangen sind. Denn man weiß nie, ob auch das drinnen ist, was draufsteht, und wo es wie hergestellt worden ist.“
Gerlinde Kaltenbrunner sagt, sie stelle mit den von ihr genannten Produkten ihre Ernährung sehr abwechslungsreich zusammen. „Es ist schaffbar“, sagt Niebauer, aber die Gefahr, sich hier schnell einseitig zu ernähren, dürfe nicht unterschätzt werden. Niebauer sieht auch bei ambitionierten Hobbysportlern größere Risiken als bei Hochleistungssportlern, weil diese ein viel professionelleres Umfeld hätten. Jemand, der sich vegetarisch (alles außer Fisch und Fleisch) ernähre, habe jedenfalls kaum Defizite. Ein Extrembeispiel in diesem Zusammenhang ist Patrick Reiser, Weltmeister im Natural Bodybuilding und mit 130.000 Abonnenten auf Instagram und rund 37 Millionen Aufrufen auf seinem YouTubeKanal ein sehr medienwirksamer Schweizer. Er zeigt und erklärt in Videos, wie man sich selbst als Kraftsportler rein vegan ernähren kann. Die Einschränkung: Er muss auf Nahrungsergänzungsmittel zurückgreifen, wie auf Reis- und Erbsenprotein, Kreatin, Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren.
Das Risiko, sich einseitig zu ernähren, ist groß