Trump reagiert mit neuen Sanktionen auf Irans Racheakt
Iranische Raketen schlugen auf amerikanischen Stützpunkten im Irak ein. Die USA verzichten vorerst auf einen militärischen Gegenschlag. Trump will einen neuen Atomdeal.
„Alles gut“, twitterte US-Präsident Donald Trump in der Nacht auf Mittwoch, nachdem iranische Raketen in zwei US-Stützpunkte im Irak eingeschlagen waren. Nicht einmal eine Woche hatte es gedauert, bis Irans Führung ihre Drohung wahr machte und Rache für die Tötung ihres Topgenerals Qassem Soleimani am vergangenen
Freitag übte. Bei den Raketenangriffen waren entgegen ersten Meldungen des Regimes in Teheran keine amerikanischen Soldaten getötet worden. Es hieß sogar, sie seien rechtzeitig gewarnt worden.
14 Stunden schwieg der Präsident danach auf allen Kanälen, dann trat er vor die Kameras: „Wir haben die besten Waffen, aber wir wollen sie nicht benutzen“, sagte er überraschend gemäßigt. Die USA würden Aggressionen des Iran zwar nicht unbeantwortet lassen, aber dabei zumindest vorerst auf militärische Mittel verzichten. Stattdessen kündigte er neue Sanktionen gegen die Islamische Republik an. Und er forderte Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China auf, nicht mehr am Atomabkommen festzuhalten. Stattdessen müssten sie mit den USA an einem neuen Abkommen mit dem Iran arbeiten, „das die Welt zu einem sichereren und friedlicheren Ort“machen würde. Außerdem lobte er den Iran als „großartiges Land mit einem großartigen Volk“, dem er eine große Zukunft wünsche.
WASHINGTON. Als sich die Holztüren im Grand Foyer des Weißen Hauses öffneten, fiel die Mittagssonne in die Kameras. Aus dem Blendlicht trat der US-Präsident hervor. In gespenstischer Stille schritt er auf das Podium mit dem Amtssiegel zu. Daneben warteten schon Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo und Verteidigungsminister Mark Esper. Im Hintergrund hatten die obersten Militärs Aufstellung genommen, sie lieferten mit eisiger Miene eine martialische Kulisse.
Eine Choreografie so recht nach dem Geschmack Donald Trumps, der die vielleicht gefährlichste Krise seiner Amtszeit wie eine RealityTV-Show inszeniert. Wie einen Vorspann schickt er seinem Gruß an seine Zuhörer die Aussage voraus, er werde als Präsident dem Iran nicht erlauben, Atomwaffen zu besitzen.
Die spannende Frage war, wie Trump auf den iranischen Vergeltungsschlag auf die Tötung des Führers der Revolutionsgarden, General Qassem Soleimani, reagieren werde. Der Iran hatte in der Nacht auf Mittwoch von seinem Territorium aus zwei US-Stützpunkte im
Irak mit 22 Raketen angegriffen. Laut Angaben des Pentagons entstand dabei Sach-, aber kein Personenschaden, was Experten als Ausdruck der iranischen Treffgenauigkeit interpretierten.
„Der Iran scheint zurückzustecken“, so interpretierte der Trump die genau kalibrierte Reaktion Teherans. „Das ist gut für alle Parteien und eine sehr gute Sache für die
Welt.“Die USA hätten die besten Waffen, wollten sie aber nicht benutzen. Statt einer militärischen Eskalation kündigte Trump „neue Sanktionen“an. Die Tage, an denen die USA akzeptierten, dass der Iran „führender Sponsor des Terrorismus in der Welt“sei, seien vorüber.
Der US-Präsident erweckte den Eindruck, als sei die Aufkündigung des Atomabkommens eine Bagatelle. Der Atomdeal laufe sowieso in Kürze ab, behauptete der Präsident, obwohl die Laufzeit der 2015 getroffenen Vereinbarung 15 Jahre beträgt. Trump forderte die Unterzeichnerstaaten auf, vom Atomvertrag abzurücken. Verbunden mit dem Hinweis, die USA hätten genügend Öl, forderte er die NATO auf, mehr Verantwortung im Nahen und Mittleren Osten zu übernehmen. Gegenüber dem Iran hielt Trump die vage Möglichkeit offen, einen Konflikt zu vermeiden. „Wir suchen Frieden – mit allen, die ihn wollen.“
Nach Ansicht politischer Beobachter
im Nahen Osten könnte die relative Zurückhaltung des Iran ein Angebot zum Dialog sein, zu dem sich nun offenbar auch der amerikanische Präsident bereit zeigt. Eine Zusammenarbeit mit Teheran bei gemeinsamen Prioritäten sei möglich, ließ er verlauten. Sollte Trump dieses Angebot wirklich ernst gemeint haben, so die Analytiker, dann wäre es vernünftig gewesen, wenn er am Mittwochabend eine Lockerung der gegen den Iran verhängten Sanktionen zumindest in Aussicht gestellt hätte.
Stattdessen tat er das Gegenteil und kündigte neue Sanktionen an. Entspannungssignale sähen anders aus, betonen Nahostexperten. Auch nach den iranischen Vergeltungsschlägen sei keine klare Linie in der amerikanischen Iran-Politik erkennbar. Der Geistlichkeit in Teheran werde es daher schwerfallen, das Kooperationsangebot der USA bei der Bekämpfung der Terrormiliz IS für bare Münze zu nehmen.
„Solange ich Präsident bin, wird der Iran keine Atomwaffen besitzen.“Donald Trump