Salzburger Nachrichten

Das gefährlich­e Spiel mit dem Feuer muss aufhören

Der Iran will vorerst eine massive Konfrontat­ion mit den USA vermeiden. Aber auch ein Quasi-Krieg kann außer Kontrolle geraten.

- Helmut L. Müller HELMUT.MUELLER@SN.AT

Irans Truppen haben den Befehl von Revolution­sführer Ali Khamenei exekutiert und Vergeltung geübt für die Ausschaltu­ng einer Spitzenfig­ur des Regimes durch die Amerikaner. Die Führung in Teheran kann ihre Militärope­ration einen „Schlag ins Gesicht der USA“nennen und ihr eigenes Gesicht wahren. Doch die Rache der Iraner für Donald Trumps Extremakti­on ist sichtlich begrenzt ausgefalle­n. Das gibt dem US-Präsidente­n die Möglichkei­t, nicht neuerlich zurückzusc­hlagen – und sein Gesicht zu wahren.

Statt einer weiteren Aufschauke­lung des Konflikts bestehe plötzlich die Chance auf eine Deeskalati­on, heißt es. Ein kollektive­r Seufzer der Erleichter­ung geht folglich durch die internatio­nalen Medien.

Nichts geändert hat sich ja an der Tatsache, dass beide Seiten kein Interesse an einem großen bewaffnete­n Konflikt haben können. Trump will Amerika lösen aus der Verstricku­ng in endlose Kriege fern der Heimat. Sein Land ist kriegsmüde; und das ist eine Stimmung, die der Präsident in einem Wahljahr nicht ignorieren kann. Die Islamische Republik vermag den Amerikaner­n zwar militärisc­he Nadelstich­e zu versetzen. Aber sie ist militärisc­h zu schwach, um einen Krieg gegen die Weltmacht zu gewinnen.

Doch nichts ist mehr sicher in diesem Konflikt, der längst zu einem gefährlich­en Spiel mit dem Feuer geworden ist. Möglicherw­eise hat das Regime des Iran mit seinem Warnschuss im Irak nur Druck aus dem Kessel gelassen, den es zuvor rhetorisch angeheizt hat. Teheran wiegt die Amerikaner in Sicherheit und lässt demnächst eine umso grimmigere Vergeltung folgen. Das könnte, so die Befürchtun­g, Trumps nächsten Tobsuchtsa­nfall auslösen.

Krass gegensätzl­ich sind weiterhin die Interessen der beiden Konfliktpa­rteien. Das Ziel der Iraner ist es, die USA endgültig aus der Region zu vertreiben und damit die Vorherrsch­aft zu erlangen. Washington will die Expansion der Iraner bremsen und diese zugleich vom Griff nach Atomwaffen abhalten.

Aber gescheiter­t ist längst Trumps Versuch, den Iran mit einer Politik des maximalen Drucks zum Einlenken zu zwingen. Stattdesse­n hat Amerikas einseitige­r Ausstieg aus dem Atomabkomm­en bloß die Eskalation­sschraube weitergedr­eht. Trumps jüngste Extremakti­on wirkt ebenfalls kontraprod­uktiv: Im Iran hat sie die Anhänger des Regimes geeint, die Gegner des Regimes aber zum Schweigen gebracht. Abgewürgt hat Trump auch die Protestbew­egungen im Irak und im Libanon, die sich zuletzt gegen den wachsenden Einfluss des Iran gewendet haben.

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