Teilen gegen die Altersarmut
Derzeit nur freiwillig möglich, soll das Splitten der Pensionsanwartschaften zwischen den Eltern grundsätzlich verpflichtend werden. Das hat sich Türkis-Grün vorgenommen.
WIEN. Eine Änderung des Pensionsrechts mit weitreichenden Folgen plant Türkis-Grün: Das Pensionssplitting – also das Teilen der Pensionsanwartschaften zwischen den Eltern – soll grundsätzlich verpflichtend werden. Zwar soll es, wie im Koalitionspakt festgehalten ist, eine „einmalige zeitlich befristete Opt-out-Möglichkeit“geben. Um sie zu beanspruchen, werden die Paare aber selbst aktiv werden müssen. Andernfalls wird, wie in der Schweiz und Schweden seit vielen Jahren der Fall, automatisch geteilt.
Derzeit ist es umgekehrt. Seit 2005 können Paare während der Kindererziehungszeit (bis zum siebten Geburtstag eines Kindes, insgesamt maximal 14 Jahre lang) ihre Pensionskonto-Gutschriften teilen. Darum müssen sie sich kümmern, sprich: einen Antrag stellen. Tun sie das nicht, wirkt sich das auf die spätere Pension des überwiegend mit der Kindererziehung beschäftigten Elternteils meist schlecht aus.
Typisches Beispiel ist eine Mutter, die ihre Arbeitszeit reduziert, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Mit ihrem sinkenden Einkommen sinken auch ihre Pensionsbeiträge, was letztlich ihre Pension drückt, Stichwort Altersarmut. Der Vater dagegen arbeitet weiterhin Vollzeit, sammelt entsprechend hohe Gutschriften auf seinem Pensionskonto an und hat keine niedrigere Pension zu befürchten.
Deshalb wurde vor 15 Jahren das Pensionssplitting eingeführt: Es ermöglichte die Übertragung von Teilen der Pensionskonto-Gutschriften (maximal 50 Prozent) zwischen Vater und Mutter und sollte so die durch Kindererziehung entstehenden Pensionsverluste des einen Partners zumindest teilweise reduzieren. Die Daten der Pensionsversicherungsanstalt zeigen aber: Auf freiwilliger Basis ist das Splitting ein absolutes Minderheitenprogramm. Zwischen 2005 und 2009 wurde es von gerade einmal 32 Paaren in Anspruch genommen. Seit 2010 kamen 1793 Paare dazu, wobei in mehr als 90 Prozent der Fälle die Väter Pensionsgutschriften an die Mütter übertrugen bzw. übertragen. Dazu zwei Beispiele. Die 411 neuen Splittings des Jahres 2018 teilen sich so auf: In 380 Fällen überträgt der Mann an die Frau, in 31 die Frau an den Mann. Das Jahr 2019 ist noch nicht komplett, die bis Oktober 500 neuen Splittings verteilen sich so: In 479 Fällen teilt der Mann, in 21 die Frau. Das bei zuletzt rund 3,8 Millionen unselbstständig Erwerbstätigen, darunter Hunderttausende mit Kindern im Vorschulalter, und einer 48-prozentigen Teilzeitquote der Frauen.
Laut Regierungsprogramm ist nun ein automatisches Splitting bis zum zehnten Geburtstag des Kindes geplant. Während dieser Zeit würden die Beitragsgrundlagen beider Elternteile zusammengezählt und dann würde je die Hälfte der Gutschrift auf den Pensionskonten von Vater und Mutter landen. Die Regelung
soll für künftig geborene Kinder gelten, wird sich also erst in Jahrzehnten auf die Pensionen auswirken. Ingrid Korosec, Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, ist trotzdem zufrieden. Seit 30 Jahren beschäftigt sie sich mit dem Thema, rannte bisher aber nicht zuletzt in der eigenen Partei gegen Wände. „Es ist vom Gerechtigkeitsfaktor her wichtig und es geht nur verpflichtend“, sagt sie. „Die Grünen sehen das auch so, ich hoffe, dass das bald kommt.“Prinzipiell hätte das verpflichtende Pensionssplitting schon im Zuge der Familienrechtsreformen kommen müssen, ist Korosec überzeugt. Schließlich sei da vereinbart worden, dass alles geteilt werden solle, was während der Partnerschaft erworben worden sei.
Detail am Rande: Das freiwillige Pensionssplitting wurde bisher am häufigsten in Niederösterreich beantragt (475 Fälle), gefolgt von Oberösterreich (314), Tirol (232) und der Steiermark (215). Erst dahinter folgt Wien (180) vor Salzburg (121).
„Es ist vom Gerechtigkeitsfaktor her wichtig.“Ingrid Korosec, ÖVP-Seniorenbund