Regierungskompetenzen auf Wanderschaft
Warum Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger plötzlich auch Zivildienst- und Postministerin ist.
Jede Regierungsbildung bringt nicht nur neue Ministerinnen und Minister mit sich, sondern auch eine Neuordnung der ministeriellen Kompetenzen. Plakativstes Beispiel diesmal: Die Kompetenzen für Umwelt, Klimaschutz und Energie wandern vom türkisen Landwirtschaftsministerium ins grüne Infrastrukturministerium, das zu einem „Klimaschutzministerium“unter der Führung Leonore Gewesslers aufgefettet werden soll.
Die solcherart um Einfluss gebrachte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger wird reich entschädigt: Sie erhält aus dem Infrastrukturministerium die Agenden für Telekommunikation – Stichwort 5G-Netze – und die Agenden für die Postdienste. Auch der Zivildienst, der gegenwärtig beim Innenministerium angesiedelt ist, wandert ins Köstinger-Ministerium.
Auf den ersten Blick erscheint es rätselhaft, was 5G-Netze und der Zivildienst im Bundesministerium für Landwirtschaft und Tourismus (das 2017 hochoffiziell in „Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“umgetauft wurde) zu suchen haben. Auf den zweiten Blick wird das Kalkül erkennbar. Der ÖVP geht es offenkundig darum, Köstingers Ressort zu einem „Ministerium für den ländlichen Raum“umzuwandeln. Dann passt alles zusammen: die Landwirtschaft,
der Tourismus, die für den ländlichen Raum notwendige Netzabdeckung und der Zivildienst, der ja ebenfalls vor allem auf dem flachen Land zur Aufrechterhaltung des sozialen Lebens notwendig ist.
Eine Wanderung unternimmt auch der Verfassungsdienst. Diese Einrichtung ist hauptsächlich dazu da, wichtige Gesetzesvorhaben der Bundesregierung vorzubereiten bzw. auf ihre (verfassungs)rechtliche Haltbarkeit hin zu überprüfen. Sinnvollerweise war diese Dienststelle seit jeher im Bundeskanzleramt angesiedelt. Unter der Regierung Kurz/Strache übersiedelte die betreffende Sektion aber ins Justizministerium. Auch das war Kalkül.
Der damalige Minister, Ex-Rechnungshofpräsident Josef Moser, sollte die Verwaltungsreform vorantreiben. Folgerichtig wurde das Justizministerium in „Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz“umgetauft und der Verfassungsdienst wanderte unter die Fittiche Minister Mosers. Jetzt wandert er vom nunmehr grünen Justizressort zurück ins türkise Kanzleramt. Freilich nicht zur Gänze. Die Geschäftsstelle für Datenschutz, die im Verfassungsdienst angesiedelt war, bleibt im Justizministerium.
Gewandert sind auch die Agenden für Frauenpolitik und Integration. Erstgenannte waren bisher im Frauen
und Familienministerium angesiedelt, Letztgenannte im Außenministerium. Jetzt wandern die Integrationsagenden ins Frauenministerium der türkisen Ministerin Susanne Raab. Die neue türkise Familienministerin Christine Aschbacher erhält dafür die Arbeitsagenden dazu, die aus dem nun grünen Sozialministerium herausgelöst wurden.
Und noch eine Feinheit: Aschbacher wird ein eigenes Ministerium führen, während Raab ebenso wie Europaministerin Karoline Edtstadler formell „Kanzleramtsministerinnen“sind, sich also der Ressourcen des Kanzleramts zu bedienen haben.