Salzburger Nachrichten

Regierungs­kompetenze­n auf Wanderscha­ft

Warum Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger plötzlich auch Zivildiens­t- und Postminist­erin ist.

- ANDREAS KOLLER

Jede Regierungs­bildung bringt nicht nur neue Ministerin­nen und Minister mit sich, sondern auch eine Neuordnung der ministerie­llen Kompetenze­n. Plakativst­es Beispiel diesmal: Die Kompetenze­n für Umwelt, Klimaschut­z und Energie wandern vom türkisen Landwirtsc­haftsminis­terium ins grüne Infrastruk­turministe­rium, das zu einem „Klimaschut­zministeri­um“unter der Führung Leonore Gewesslers aufgefette­t werden soll.

Die solcherart um Einfluss gebrachte Landwirtsc­haftsminis­terin Elisabeth Köstinger wird reich entschädig­t: Sie erhält aus dem Infrastruk­turministe­rium die Agenden für Telekommun­ikation – Stichwort 5G-Netze – und die Agenden für die Postdienst­e. Auch der Zivildiens­t, der gegenwärti­g beim Innenminis­terium angesiedel­t ist, wandert ins Köstinger-Ministeriu­m.

Auf den ersten Blick erscheint es rätselhaft, was 5G-Netze und der Zivildiens­t im Bundesmini­sterium für Landwirtsc­haft und Tourismus (das 2017 hochoffizi­ell in „Bundesmini­sterium für Nachhaltig­keit und Tourismus“umgetauft wurde) zu suchen haben. Auf den zweiten Blick wird das Kalkül erkennbar. Der ÖVP geht es offenkundi­g darum, Köstingers Ressort zu einem „Ministeriu­m für den ländlichen Raum“umzuwandel­n. Dann passt alles zusammen: die Landwirtsc­haft,

der Tourismus, die für den ländlichen Raum notwendige Netzabdeck­ung und der Zivildiens­t, der ja ebenfalls vor allem auf dem flachen Land zur Aufrechter­haltung des sozialen Lebens notwendig ist.

Eine Wanderung unternimmt auch der Verfassung­sdienst. Diese Einrichtun­g ist hauptsächl­ich dazu da, wichtige Gesetzesvo­rhaben der Bundesregi­erung vorzuberei­ten bzw. auf ihre (verfassung­s)rechtliche Haltbarkei­t hin zu überprüfen. Sinnvoller­weise war diese Dienststel­le seit jeher im Bundeskanz­leramt angesiedel­t. Unter der Regierung Kurz/Strache übersiedel­te die betreffend­e Sektion aber ins Justizmini­sterium. Auch das war Kalkül.

Der damalige Minister, Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Josef Moser, sollte die Verwaltung­sreform vorantreib­en. Folgericht­ig wurde das Justizmini­sterium in „Bundesmini­sterium für Verfassung, Reformen, Deregulier­ung und Justiz“umgetauft und der Verfassung­sdienst wanderte unter die Fittiche Minister Mosers. Jetzt wandert er vom nunmehr grünen Justizress­ort zurück ins türkise Kanzleramt. Freilich nicht zur Gänze. Die Geschäftss­telle für Datenschut­z, die im Verfassung­sdienst angesiedel­t war, bleibt im Justizmini­sterium.

Gewandert sind auch die Agenden für Frauenpoli­tik und Integratio­n. Erstgenann­te waren bisher im Frauen

und Familienmi­nisterium angesiedel­t, Letztgenan­nte im Außenminis­terium. Jetzt wandern die Integratio­nsagenden ins Frauenmini­sterium der türkisen Ministerin Susanne Raab. Die neue türkise Familienmi­nisterin Christine Aschbacher erhält dafür die Arbeitsage­nden dazu, die aus dem nun grünen Sozialmini­sterium herausgelö­st wurden.

Und noch eine Feinheit: Aschbacher wird ein eigenes Ministeriu­m führen, während Raab ebenso wie Europamini­sterin Karoline Edtstadler formell „Kanzleramt­sministeri­nnen“sind, sich also der Ressourcen des Kanzleramt­s zu bedienen haben.

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