Salzburger Nachrichten

Grüne Jagd nach den besten Köpfen

Die Grünen müssen auch in den Ministerbü­ros von null auf hundert durchstart­en. Doch ihnen fehlt das Personal.

- HELMUT SCHLIESSEL­BERGER MARIAN SMETANA

Für die Grünen bleibt kaum Zeit zum Verschnauf­en. Nach den langen Regierungs­verhandlun­gen, dem Wiederaufb­au von Partei und Parlaments­klub müssen die Kabinette der grünen Minister besetzt werden. So schnell wie möglich.

Immerhin sind Minister aufgrund der Fülle an Aufgabenge­bieten schlicht abhängig von ihren engsten Mitarbeite­rn. Jeder Minister kann über das Kabinett frei entscheide­n. Zur Grundausst­attung gehören Kabinettch­efs, Ministersp­recher und Referenten zu verschiede­nen Themenbere­ichen. Hatte der türkis-blaue Mitarbeite­rstab noch knapp 400 Personen umfasst, kam die Bierlein-Regierung mit etwas weniger als 200 Mitarbeite­rn in den zwölf Ministerbü­ros aus. Allerdings bereiteten diese Kabinette auch keine Gesetze vor. Türkis-Grün wird jedenfalls wieder deutlich aufstocken (müssen).

Doch den Grünen fehlt das Personal. Schon nach dem Wiedereinz­ug in den Nationalra­t hatte Werner Kogler freimütig bekannt: „Wir haben keinen Staff.“Für den Aufbau des Parlaments­klubs und für Tätigkeite­n in der Partei sucht man bis heute Leute. Auf der Homepage der Grünen wird derzeit offensiv um Personal geworben. Gesucht werden etwa Referenten für Grundrecht­e, Rechtspoli­tik, Wirtschaft­sund Budgetpoli­tik oder Gesundheit­spolitik, aber auch Assistente­n und Buchhalter. „Der Parlaments­klub sucht noch rund 30 Leute“, heißt es aus dem Büro der grünen Klubchefin Sigrid Maurer auf SNAnfrage. Als die Grünen 2017 aus dem Parlament flogen, wurde 130 Mitarbeite­rn gekündigt. „Nur ein paar“von ihnen sind zurückgeke­hrt. Immerhin wollte man die Partei auch personell auf neue Beine stellen. Die Jobvergabe für den parlamenta­rischen Klub hat die Öko-Partei aus „Gründen der Transparen­z und der Fairness“an eine Personalbe­ratungsfir­ma ausgelager­t. Die Bewerbungs­frist für viele Parlaments­posten endet erst am kommenden Sonntag. Aber weil die Kabinette schnell ihre Arbeit aufnehmen müssen, werden diese zum Teil auch mit vorübergeh­end ausgeborgt­en grünen Parlaments­mitarbeite­rn befüllt.

Der grüne Generalsek­retär Thimo Fiesel gibt sich im SN-Gespräch dennoch gelassen: Bei den Regierungs­verhandlun­gen sei es gelungen, innerhalb kürzester Zeit Experten und einen Mitarbeite­rstab aufzustell­en und „auf Augenhöhe zu verhandeln“. Schon das habe gezeigt, „dass wir sehr gut aus eigenen Strukturen schöpfen können und sich auch viele Leute melden, die aktiv mitarbeite­n wollen“, sagt Fiesel. „Der Klub wird sich auch strukturel­l anders aufstellen. Denn es ist eine völlig andere Herausford­erung in einer Regierung zu sein.“Und was die Kabinette angehe, seien die Grünen so weit, „dass wir anfangen können zu arbeiten“.

Werner Kogler hat sich für sein Kabinett als Vizekanzle­r und Minister für öffentlich­en Dienst und Sport einen intern nicht immer unumstritt­en gewesenen langgedien­ten Spitzengrü­nen als Kabinettsc­hef geholt: Dieter Brosz. Der Niederöste­rreicher galt als „geschäftsf­ührender Parlamenta­rier“lange als mächtige grün(grau)e Eminenz in Partei und Parlaments­klub. Er hatte sich nach der grünen Wahlpleite im Jahr 2017 als Verhandlun­gsberater selbststän­dig gemacht. Brosz beriet unter anderem das Team um den grünen Innsbrucke­r Bürgermeis­ter Georg Willi in Verhandlun­gstechnik. Kogler holte ihn im Wahlkampf als Strategieb­erater zurück. Koglers erfahrene Sprecherin Gabi Zornig bleibt als Pressespre­cherin an der Seite des Vizekanzle­rs und soll künftig auch die Sprecher der grünen Minister koordinier­en.

Auch Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler holt sich einen politisch sehr routiniert­en Mitarbeite­r als Kabinettsc­hef in ihr Megaressor­t. Felix Ehrnhöfer war von 1991 bis 2005 Direktor des grünen Parlaments­klubs und seit dem Vorjahr Vizekabine­ttschef bei Bundeskanz­lerin Brigitte Bierlein.

Mit Thomas Sperlich geht ein weiterer grüner Klubmitarb­eiter ab. Der Jurist, der einst Geschäftsb­ereichslei­ter in der Volksanwal­tschaft gewesen ist, wird Kabinettsc­hef im Justizmini­sterin.

Zeitungsbe­richte, wonach die frühere Grün-Abgeordnet­e Ruperta Lichteneck­er Kabinettsc­hefin von Sozialmini­ster Rudi Anschober werden soll, wurden nicht bestätigt. „Es ist noch nicht fixiert, wer es wird“, erklärte der Sprecher Anschobers auf SN-Anfrage.

Die ÖVP lässt erneut mächtige – gegenüber den Sektionsch­efs weisungsbe­fugte – Generalsek­retäre in den Ministerie­n aufmarschi­eren. Die politische­n Vertrauens­leute in den Ressorts waren seit ihrer Einführung durch Türkis-Blau höchst umstritten. Die Übergangsr­egierung hatte auf die Posten verzichtet.

Kanzler Sebastian Kurz holt seinen früheren Kabinettsc­hef Bernd Brünner als „General“ins Kanzleramt. Im Außenminis­terium avanciert Ex-Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l zum Generalsek­retär. Dieter Kandlhofer übernimmt diese Funktion im Verteidigu­ngsministe­rium. Dieter Schuster kehrt als „General“ins Finanzmini­sterium zurück. Der Tiroler Landespoli­zeidirekto­r Helmut Tomac übernimmt die Topfunktio­n im Innenminis­terium.

Und die Grünen? Sie denken immerhin über die umstritten­en Superjobs nach. Die Frage, ob auch die Grünen in ihren Ressorts Generalsek­retäre installier­en sei derzeit noch offen, erklärt die Sprecherin Koglers. Aufgrund der Größe mancher Ministerie­n könnte eine derartige Funktion aber „Sinn machen“. Parteimana­ger Thimo Fiesel fügt aber hinzu, dass Generalsek­retäre in grünen Ressorts – wenn überhaupt – „quasi aus der Substanz des Ministeriu­ms generiert und nicht politisch besetzt“werden sollen.

Schließlic­h hatte Werner Kogler angesichts der Generalsek­retäre noch im Jahr 2018 von sich massiv breit machendem „Politkommi­ssartum“gesprochen.

„Viele wollen jetzt aktiv mitarbeite­n.“

Thimo Fiesel, Grünen-Generalsek­retär

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