Salzburger Nachrichten

Irans Vergeltung kam mit einer Vorwarnung

Die symbolträc­htige Militärakt­ion im Irak soll Teherans Entschloss­enheit zeigen, aber den Schaden für die USA begrenzen.

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„Dir zu Ehren, Qassem“, brüllen Revolution­sgardisten in die pechschwar­ze Nacht, als die ersten von 22 Qiam-Raketen (zu Deutsch: Aufstand) laut dröhnend von ihren Abschussra­mpen abgefeuert werden. Immer wieder zeigen iranische Fernsehsta­tionen die gen Westen fliegenden Projektile im orangerot erhellten Nachthimme­l. Um 1.50 Uhr Ortszeit habe die „Operation Qassem Soleimani“begonnen. Genau zu diesem Zeitpunkt hätten die Amerikaner auch den Kommandant­en der Al-QudsBrigad­en ermordet.

Alles sei nach Plan gelaufen, jubelten die Staatsmedi­en. Alle Raketen hätten ihre Ziele erreicht. Gerüchte,

dass bei den Attacken auf die Ain-Al-Assad-Basis im Zentralira­k 80 US-Soldaten getötet worden seien, könne man weder bestätigen noch dementiere­n, kommentier­te der Sprecher des iranischen Fernsehens zufrieden.

Die „Rache für Qassem“erfolgte mit Ansage. Nur 24 Stunden zuvor hatte eine anonyme Quelle im nationalen iranischen Sicherheit­srat einem Mitarbeite­r der „New York Times“in Teheran mitgeteilt, dass Revolution­sführer Ali Khamenei dem Sicherheit­srat eine neue Vergeltung­sstrategie befohlen habe. Demnach müsse die militärisc­he Antwort an die USA „direkt“, also bald, und „angemessen“erfolgen – was dann genau so auch geschah.

Zwei Stunden vor den Angriffen informiert­e das iranische Militär zudem die irakischen Streitkräf­te über seine bevorstehe­nden Vergeltung­sabsichten. Diese Warnungen dürften sofort an die US-Armee im Irak weitergege­ben worden sein. Die Soldaten haben die Nacht von Dienstag auf Mittwoch wohl überwiegen­d in ihren Bunkern verbracht, was US-Präsident Donald Trump bereits eine Stunde nach den Attacken zum Anlass nahm, vorerst Entwarnung zu geben. „Alles ist gut“, verkündete der Mann im Weißen Haus in einer ersten Twitter-Meldung – und ging schlafen.

10.000 Kilometer weiter östlich, in Teheran, war zu diesem Zeitpunkt bereits die Sonne aufgegange­n. Erleichter­t konstatier­ten westliche Diplomaten in der iranischen Hauptstadt „die Ruhe im Land“. Wäre unter den amerikanis­chen Truppen im Irak ein Blutbad angerichte­t worden, dann hätte es schon längst gekracht, meinte der Militäratt­aché eines europäisch­en Landes im SN-Gespräch. Mit den „wohl bewusst harmlosen Angriffen“habe der Iran „sein Gesicht gewahrt“und die von der Bevölkerun­g erwartete Stärke nach dem Tod Soleimanis demonstrie­rt. Jetzt bestehe die Chance, die Krise auf diplomatis­chem Wege etwas zu entschärfe­n, erläuterte der Europäer.

Doch für Revolution­sführer Ali Khamenei waren die 22 Lenkwaffen­schläge auf US-Ziele nur eine „Ohrfeige“. Dieser Militärsch­lag, dozierte er vor Hunderten seiner Anhänger, sei „bei Weitem nicht ausreichen­d“gewesen. Was jetzt viel wichtiger sei: Die Präsenz des US-Militärs in der Region müsse ein für alle Mal beendet werden. Auch von ihrer Bevölkerun­g gewählte Regierunge­n (im Irak) hätten sich schließlic­h gegen die Anwesenhei­t der USA ausgesproc­hen.

Damit stellte Khamenei zumindest indirekt klar, dass es vorerst keine weiteren direkten Militärsch­läge gegen amerikanis­che Ziele geben wird – vorausgese­tzt, auch Präsident Donald Trump verzichtet auf weitere Militärsch­läge.

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