Der Horror über den Wolken
Realismus auf engem Raum: Patrick Vollrath inszeniert eine Flugzeugentführung mit Hollywoodstar Joseph Gordon-Levitt.
Ein verregneter Abend in Berlin, die Linienmaschine nach Paris. Der junge Co-Pilot Tobias Ellis (Joseph Gordon-Levitt) bereitet sich mit seinem Kollegen auf einen Routineflug vor. Doch dieser Abend wird zum schlimmsten seines Lebens: „7500“lautet der internationale Code für eine Flugzeugentführung. Genau das passiert im gleichnamigen Thriller des Filmakademie-Absolventen Patrick Vollrath, der für seinen Kurzfilm „Alles wird gut“2016 oscarnominiert war und nun seinen ersten Langfilm gedreht hat. „7500“ist ein ökonomisches Kammerspiel, das die gesamte Zeit bei seiner Hauptfigur bleibt und aus dieser engen Perspektive maximale Spannung bezieht.
SN: Der Ablauf eines Linienflugs ist vielen Zuschauern geläufig, erst in den Abweichungen passiert der Thriller. Wie sind Sie umgegangen mit diesem strengen Korsett? Patrick Vollrath: Ich wollte es so glaubwürdig wie möglich haben. Die Checklisten, die die beiden Piloten anfangs abarbeiten, die sind original. Carlo Kitzlinger, der den Piloten Michael Lutzmann spielt, ist 25 Jahre für die Lufthansa geflogen, und der hat letztlich seinen Job gemacht bei uns. Diese ersten fünfzehn Minuten im Film, bis sich die Richtung ändert, sind sehr realistisch, auch etwa die Entscheidungen, die ein Pilot treffen muss, wenn sich jemand verspätet.
SN: Schon der Code für eine Flugzeugentführung im Filmtitel verrät, dass dieser Flug nicht normal verlaufen wird. Trotzdem ist die Spannung enorm. Wir wissen zwar, dass etwas passieren wird, aber was das genau ist, erfahren wir erst in dem Moment, in dem es auch Tobias erlebt. Dadurch ergibt sich eine eigene Spannung, weil man sich mit der Hauptfigur identifiziert, mit ihrem Gefühl, allein mit diesen Entscheidungen zu sein. Meine Idee war schon beim Schreiben, keinen Actionhelden zu haben, der alle rettet, sondern einen wie du und ich, der glaubt, er fliegt Linienmaschinen, bis er 60 ist – und dann passiert ihm so etwas. Er ist kein ehemaliger CIAAgent oder so, sondern einfach ein Pilot, der nicht wirklich darauf vorbereitet ist. Das Auslassen, das Nichtwissen hat viel mit der Spannung zu tun. Unser Vorteil war, dass wir zwar einen Film mit einem Hollywoodnamen machen konnten, aber unser Budget von etwa 3,8 Millionen Euro komplett durch das deutsche und österreichische Fördersystem finanziert ist. Dadurch konnte keiner herkommen und sagen: „Wir müssen noch ein Flashback machen, damit man dieses und jenes versteht.“Das war ein großer Vorteil für die künstlerische Eigenständigkeit des Films.
SN: Wie ging das vor sich, nach mehreren deutschsprachigen Kurzfilmen nun einen Film in internationalem Format zu inszenieren?
Als mein Kurzfilm „Alles wird gut“beim Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde, hat mich schon unser jetziger deutscher Produzent Jonas Katzenstein angesprochen, ob ich ein nächstes Projekt in der Schublade habe. Und nach der Oscarnominierung war dann ohnehin alles einfacher, da kamen auch Anfragen, ob ich mir vorstellen könnte, auf Englisch zu drehen.
Das Treatment für diesen Film hatte ich da schon in der Schublade. Die Frage war halt dann, welchen Schauspieler wir nehmen, nämlich einen, der Interesse hat, nicht der Held zu sein, sondern der wirklich spielen will, einer, der es aushält, dass die Kamera drei Viertel der Zeit auf ihm ist.
SN: Joseph Gordon-Levitt sagt in Interviews, er habe sich deswegen so für die Zusammenarbeit interessiert, weil Sie der Improvisation so viel Raum lassen. War das tatsächlich auch hier möglich? Doch, wir haben das so durchgezogen. Wir haben den Drehplan entsprechend gestaltet und chronologisch gedreht, sodass wir auch auf Sachen reagieren können, die bei der Improvisation passieren.
Es gibt natürlich einen klaren Rahmen, es ist vorgegeben, was in der Szene ungefähr passieren soll, aber wie die Schauspieler da hinkommen, da war viel Freiheit zum Ausprobieren.
SN: Wie groß war der tatsächliche Raum, in dem gedreht und gespielt wurde? Wir haben ein ausrangiertes originales Airbus-Cockpit gekauft, haben die ganze Technik eines Flugsimulators wieder reingebaut, sodass es so echt und glaubwürdig wie möglich war. Der Tonmann hat sich schon überlegt, wo er seine Mikrofone platzieren kann, weil es klar war, dass er nicht mit ins Cockpit kann, da kann nur die Kamera mit rein, mehr hätte auch nicht reingepasst. Ich selbst hab von draußen auf dem Monitor zugeschaut.
„Der Pilot ist im Film kein Actionheld.“
Patrick Vollrath, Regisseur
Film: 7500. Thriller, Deutschland, Österreich 2019. Regie: Patrick Vollrath. Mit Joseph Gordon-Levitt, Omid Memar, Aylin Tezel, Carlo Kitzlinger, Murathan Muslu. Start: 10. 1.