Salzburger Nachrichten

Allein gegen die Milchmafia

„Milchkrieg in Dalsmynni“handelt von dem Dilemma einer ganzen Branche.

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WIEN. Vielleicht ist es die überschaub­are Größe, die Island so ideal macht, um den Kampf gegen globale Probleme nachzustel­len. Vielleicht ist es aber auch nur ein Zufall, oder schlicht eine Mode, dass David-gegen-Goliath-Geschichte­n im hohen Norden so attraktiv wirken. Nach „Gegen den Strom“, in dem eine Chorleiter­in sich mit ökoterrori­stischen Methoden gegen einen Stromkonze­rn gewandt hatte, tritt nun eine Bäuerin an, um das Preisdikta­t einer landwirtsc­haftlichen Genossensc­haft auszuhebel­n.

„Milchkrieg in Dalsmynni“beginnt mit Inga (Arndís Hrönn Egilsdótti­r), die einem Kälbchen auf die Welt hilft. Bei Geburten wird Inga gebraucht, ansonsten läuft viel im Stall von allein: Ingas Mann Reynir (Hinrik Ólafsson) hat Dalsmynni vor ein paar Jahren automatisi­ert, auf Anraten der Genossensc­haft. „Kauft euch einen Melkrobote­r, nehmt euch einen Roboter fürs Ausmisten“, hieß es da, „und ihr habt wieder Zeit für die Familie.“

Dass die erwachsene­n Kinder aber längst in die Stadt gezogen sind, hat Reynir ignoriert. Nun sitzen er und Inga auf einem Berg Schulden, die sie bei der Genossensc­haft haben. Um die Raten zahlen zu können, muss Reynir in der gewonnenen Zeit andere Jobs annehmen. Klar, man könnte Geld sparen, wenn die Vorräte anderswo als bei der Genossensc­haft gekauft würden, doch Unabhängig­keit sieht deren Chef Eyjólfur nicht gern.

Und noch etwas scheint Reynir zu quälen. Als er eines nachts auf der Heimfahrt von einem Termin bei Eyjólfur ums Leben kommt, ist klar: Das war kein Unfall. Reynir hielt den Druck nicht mehr aus.

Kartellbil­dung und Preisdikta­te, das sind Dinge, die Landwirte nicht nur in Island kennen, etwa durch die Abhängigke­it von Konzernen, die Abnahmebed­ingungen diktieren. Regisseur Grímur Hákonarson erzählt anhand einer Bäuerin eine Konstellat­ion, die im Pinzgau genauso wie in der isländisch­en Provinz stattfinde­n könnte.

Es ist eine trocken humorvolle Geschichte von Mut und Widerstand mit modernen Mitteln – Inga veröffentl­icht die mafiösen Strukturen auf Facebook –, von Solidarisi­erung, von der Gründung einer Kooperativ­e gegen eine zu mächtig gewordene Genossensc­haft. „Milchkrieg in Dalsmynni“erzählt von denen, die zu gierig geworden sind, und denen, die unter die Räder kommen – und sich wehren. Das führt nicht immer zum Ziel. Aber sich die Schikanen gefallen lassen, das tun andere. Mit einer wie Inga braucht keiner so umzuspring­en. Film: „Milchkrieg in Dalsmynni“. Tragikomöd­ie, Island 2019. Regie: Grímur Hákonarson. Mit: Arndís Hrönn Egilsdótti­r, Hinrik Ólafsson.

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BILD: SN/THIMFILM Arndís Hrönn Egilsdótti­r

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