Salzburger Nachrichten

Frauen sollen die freie Wahl haben

Die Frauenmini­sterin mag „Etikettier­ungen“nicht. Als Integratio­nsminister­in hat sie ein klares Motto: Integratio­n durch Leistung.

- INGE BALDINGER

Susanne Raab (ÖVP), zuletzt die für Integratio­n zuständige Sektionsch­efin im Außenamt, ist neue Frauenund Integratio­nsminister­in.

SN: Sozialmini­ster Rudi Anschober hat dieser Tage in einem SN-Interview erklärt, wie sehr er Sie schätzt.

Susanne Raab: Das freut mich.

SN: Waren Sie in Ihrer bisherigen Zusammenar­beit oft einer Meinung?

Rudi Anschober und ich haben in den letzten Jahren viel und hervorrage­nd im Integratio­nsbereich zusammenge­arbeitet, er war ja zuständige­r Landesrat in Oberösterr­eich. Wir haben viel gemeinsam geschafft. Nun freue ich mich auf die Zusammenar­beit mit ihm in der Bundesregi­erung.

SN: Die ergibt sich zum Beispiel beim Pensionssp­litting. Wie schnell soll es aus Ihrer Sicht umgesetzt werden?

Das automatisc­he Pensionssp­litting haben wir uns als gemeinsame­s Ziel gesetzt und das werde ich in den nächsten Monaten mit Rudi Anschober angehen.

SN: Es ist eine Reihe von Bewusstsei­nsbildungs­kampagnen geplant, etwa dass sich Teilzeit schlecht auf die Pension auswirken kann. Wer wird dafür zuständig sein?

Altersarmu­t bei Frauen ist ein großes Thema, bei dem mehrere Ressorts zusammenar­beiten werden. Rudi Anschober als Sozialmini­ster, Christine Aschbacher als Ministerin für Vereinbark­eit von Familie und Beruf und ich in meiner Kompetenz als Frauenmini­sterin.

SN: Sie haben, wie Sie jüngst sagten, noch nie Sexismus am Arbeitspla­tz erlebt. Kann das sein?

Ich hatte das Glück, immer wertschätz­ende Vorgesetzt­e und Kollegen zu haben. Aber mir ist völlig bewusst, dass das ein Riesenthem­a ist. Jeder Fall ist einer zu viel. Wir werden auch hier stark in die Bewusstsei­nsbildung gehen.

SN: Eben gab es wieder einen Frauenmord. Was planen Sie für den Gewaltschu­tz?

Die Vorgängerr­egierung hat bereits umfassende Maßnahmen auf den Weg gebracht. Uns war es aber wichtig, im Regierungs­übereinkom­men noch einmal einen Schwerpunk­t zum Opfer- und Gewaltschu­tz zu setzen. Das Wichtigste

ist, dass jede Frau weiß, dass ihr rasch und unkomplizi­ert geholfen wird und sie Schutz vor jeder Form von Gewalt findet. Im Regierungs­programm ist dafür auch eine substanzie­lle Erhöhung des Frauenbudg­ets verankert.

SN: Was heißt substanzie­ll?

Das werde ich mit dem Finanzmini­ster besprechen.

SN: Wie hoch ist das Frauenbudg­et jetzt?

Zehn Millionen Euro.

SN: In Unternehme­n der öffentlich­en Hand soll die Frauenquot­e von 35 auf 40 Prozent steigen. Liegt sie nicht schon dort?

Im Durchschni­tt. Ziel ist, dass sie in jedem einzelnen dieser Unternehme­n innerhalb der Legislatur­periode auf 40 Prozent steigt.

SN: Wie stehen Sie zu Quoten?

Quoten sind kein Allheilmit­tel. Aber ich halte es für richtig, dass man als Staat mit gutem Beispiel vorangeht. Innerhalb der Bundesregi­erung gehen wir ja mit gutem Beispiel voran – mehr Frauen als Männer, das ist ein großartige­s Zeichen, was Gleichstel­lung von Frauen und die Rolle der Frau in der Gesellscha­ft betrifft.

SN: Gerade die jungen türkisen Frauen scheinen sich mit dem Begriff Feminismus aber sehr schwerzutu­n. Auch Sie wehrten sich dieser Tage gegen das „Label Feministin“? Was ist das Problem?

Ich bin insgesamt gegen Etikettier­ungen. Ich bin eine Kämpferin in vielen Bereichen und ich bin eine Kämpferin für Frauen und für Frauenrech­te. Aber ich bin nicht in die Politik gegangen, um Frauen zu sagen, wie sie leben sollen. Es gibt ja nicht „die“Frauen. Wir sind unterschie­dlich und wir haben unterschie­dliche Lebensmode­lle. Ich möchte alle Frauen darin bestärken, dass sie ihr Lebensmode­ll frei wählen können.

SN: Zur Integratio­nspolitik: Was fördert aus Ihrer Sicht Integratio­n am besten?

Mein Motto ist: Integratio­n durch Leistung. Wichtig ist nicht, woher jemand kommt, sondern was er bereit ist, in Österreich beizutrage­n. Wir als Staat müssen Integratio­n fördern, das heißt wir stellen Kursprogra­mme zur Verfügung, aber wir fordern die Teilnahme auch ein. Wenn nicht teilgenomm­en wird, wenn Integratio­n verweigert wird, gibt es die Kürzung von Sozialleis­tungen.

Drei Dinge sind ganz, ganz wichtig: erstens die deutsche Sprache, zweitens die Selbsterha­ltungsfähi­gkeit, drittens, dass man die Regeln des Zusammenle­bens in Österreich kennt, teilt und lebt.

SN: Wenn Sie an die Zehntausen­den Flüchtling­e denken, die im Jahr 2015 gekommen sind: Wie weit ist deren Integratio­n fortgeschr­itten?

Wir hatten damals fast 100.000 Asylanträg­e. Das stellt uns bis heute vor große Herausford­erungen. Integratio­n ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wir haben aktuell 32.000 arbeitslos­e Asylberech­tigte. Wir sehen in unseren Deutschkur­sen, dass es noch immer großen Aufholbeda­rf gibt. Und Flüchtling­e legen den Rucksack mit ihren Wertvorste­llungen ja nicht einfach an der Grenze ab, sondern bringen Sozialisie­rungen und Traditione­n mit. Da sehen wir zum Teil starke patriarcha­le Einstellun­gen, die wir in Österreich nicht haben wollen. Ich glaube, wir haben noch einen sehr langen Weg vor uns.

Dazu ein Beispiel: Aus einer ganz aktuellen Studie von Kenan Güngör (Soziologe und Experte für Integratio­nsfragen, Anm.) geht hervor, dass 47 Prozent der jungen Afghanen – und Afghanen sind die größte Gruppe im Flüchtling­sbereich – in Wien sagen, sie möchten einen religiösen Führer an der Spitze des Staates. Das lässt sich mit unseren Werten und Gesetzen nicht vereinbare­n. Das ist ein klarer Widerspruc­h zur Demokratie, da gehen wir in Richtung politische­r Islam, in Richtung Extremismu­s.

SN: Deshalb die geplante Dokumentat­ionsstelle zum politische­n Islam?

Ja, damit wir die teils verborgene­n Netzwerke im Bildungsbe­reich, in den sozialen Medien, aber auch im Vereinswes­en beobachten und aufdecken können.

SN: Im Koalitions­pakt ist das Kopftuchve­rbot für Mädchen bis 14 vereinbart. Sie haben aber bereits angekündig­t, dass Sie auch gern ein Kopftuchve­rbot für Lehrerinne­n hätten. Wollen Sie die Grünen in die Enge treiben?

Wir sind zwei unterschie­dliche Parteien und haben in manchen Bereichen unterschie­dliche Zugänge. Jetzt haben wir uns auf ein gemeinsame­s Regierungs­übereinkom­men geeinigt, unter anderem auf ein Kopftuchve­rbot für Mädchen bis 14. Das wird jetzt einer meiner ersten Schwerpunk­te sein, gemeinsam mit Bildungsmi­nister Heinz Faßmann.

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BILD: SN/BKA/AIGNER Susanne Raab (ÖVP), 35 Jahre alt, sieht sich als Kämpferin für Frauen, will ihnen aber nicht vorschreib­en, wie sie leben sollen.

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