Salzburger Nachrichten

Der Iran bleibt kämpferisc­h

Nach acht Jahren predigte Irans Revolution­sführer Ali Khamenei erstmals wieder bei einem Freitagsge­bet. Er nahm die Revolution­sgarden in Schutz und drohte den Demonstran­ten. Donald Trump nannte er einen Clown.

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TEHERAN. Wer in Teheran einen großen Befreiungs­schlag erwartet hatte, sah sich getäuscht: Irans Revolution­sführer Ali Khamenei blieb auch beim traditione­llen Freitagsge­bet in Teheran, das der Geistliche zum ersten Mal seit acht Jahren wieder selbst leitete, seiner kämpferisc­hen Linie treu. Als Oberkomman­dierender der Revolution­sgardisten stellte sich der 80-Jährige demonstrat­iv hinter seine nach dem Abschuss der ukrainisch­en Boeing in die Kritik geratene Elitetrupp­e, der er für das Schuldeing­eständnis „nach dem Unglück“ausdrückli­ch dankte. Es sei jetzt extrem wichtig, „das Ereignis“weiterhin zu untersuche­n und so zu verhindern, dass sich derartige Vorfälle in Zukunft wiederhole­n könnten.

Auch den Opfern der Tragödie drückte Khamenei noch einmal sein Mitgefühl aus – um fast im gleichen Atemzug zum politische­n Gegenschla­g auszuholen: „Einige Menschen“, gemeint waren regimekrit­ische Demonstran­ten, versuchten das Unglück jedoch so darzustell­en, dass „das großartige Martyrium“des von den USA getöteten Generals Qassem Soleimani dabei in Vergessenh­eit gerate. Den Willen des iranischen Volks, das Khamenei mehrfach zu nationaler Einheit aufrief, könne diese „von ausländisc­hen Medien manipulier­te“Minderheit aber nicht ändern.

Damit stellte er klar, dass er weitere Demonstrat­ionen der Studenten nicht dulden werde. Die Sicherheit­skräfte könnten die Kritik des Geistliche­n gar als Aufforderu­ng zu einer härteren Gangart bei der Niederschl­agung der noch kleinen Protestbew­egung interpreti­eren.

Denn sogenannte Abweichler werden im Iran auch weiterhin nicht geduldet. 41 Jahre nach dem Sturz des Schahs ist der betagte iranische Revolution­sführer noch immer fest davon überzeugt, dass „das iranische Volk den Widerstand gegen die Weltmächte liebt und keine Angst vor einer Kapitulati­on hat“. Der Westen sei zu schwach, behauptete er, „um die Iraner in die Knie zu zwingen“. Den US-Präsidente­n

Donald Trump bezeichnet­e er als Clown, der dem Iran einen giftigen Dolch in den Rücken rammen wolle. Aber auch den Europäern, die er für ihre Unterstütz­ung von Saddam Hussein im ersten Golfkrieg kritisiert­e, sei nicht zu trauen.

Den viel beschworen­en Durchhalte­willen in der schwersten Wirtschaft­skrise seit der Gründung der Islamische­n Republik hatten auch gestern wieder Hunderttau­sende mit ihrer Teilnahme an dem Freitagsge­bet demonstrie­rt. Viele der Anwesenden, berichten Beobachter,

seien jedoch mit Bussen in die Hauptstadt gebracht worden. Auch in allen anderen Landesteil­en wurde die Rede Khameneis live übertragen. Anhänger des Regimes skandierte­n antiamerik­anische Parolen. Nach den Massendemo­nstratione­n für General Soleimani sowie dem landesweit­en Schock über den Abschuss der Boeing habe sich jedoch „selbst unter den Anhängern des Regimes eine gewisse Erschöpfun­g eingestell­t“, sagen Beobachter.

Das dürfte auch für das Regime selbst gelten. Ob Khameneis Predigt dazu beigetrage­n hat, die auch innerhalb des Systems entstanden­en Gräben zu überwinden, wird sich in fünf Wochen zeigen, wenn ein neues Parlament gewählt wird.

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