Mir fällt zur neuen Regierung nichts ein
Über Niedertracht, eine fremde Justizministerin und das Problem eines unlimitierten Datenvolumens.
Mir fällt zur neuen Regierung nichts ein. Ich finde, das geht in Ordnung. Wir haben sie erst ein paar Tage. Da meine ich noch nicht, sondern schaue zu. Ich las Interviews mit Regierungsmitgliedern. So kenne ich zumindest alle Gesichter. Ob es sich lohnt, die zu behalten, wird sich herausstellen. Man erfuhr, dass manche grad neue Schreibtische bekommen haben und sich erst an einen neuen Lebensstundenplan gewöhnen müssen. Das ist wie in der Schule nach den Ferien. Da geht’s auch nicht am ersten Tag los. Dabei hat man in der Schule neun Wochen Zeit und die Gewissheit, dass es weitergeht. Für einige in der Regierung ging’s eher zack, zack, zack in eine neue Arbeit. „Schau’n wir mal“hätte man einige der Interviews betiteln können. Ich habe dafür Verständnis. Oft brauche ich Jahre, bis mir zu etwas etwas einfällt, von dem ich dann meine, dass ich jemandem davon erzählen oder es gar aufschreiben muss. Es ist nicht so, dass ich Meinungen hasse, wie Peter Handke das tut.
Außerdem stimmt das bei Handke eh nicht. Denn zumindest meinte er, dass der französische Kicker Mbappé oft zu eigensinnig spiele. Bei Mbappé lassen sich sinnlose Dribblings ins Leere als Sachbeweise anführen. Bei den Meinungen über die neue Justizministerin Alma Zadić geht das nicht. Sie ist noch nicht lang genug auf dem Spielfeld, um Sachbeweise zu liefern. Aber ihre Ausgangsposition ist perfekt, um es übel zu haben. Alma Zadić hat mindestens zwei Probleme: Sie ist eine Frau und sie war schon zehn Jahre alt, als sie vor dem Krieg in Bosnien nach Österreich floh. Wer als Zehnjährige nach Österreich kommt, ist für den Stamm der überzeugten Einheimischen quasi lebenslang eine Fremdlingin, wurscht, dass Zadić hier in die Schule ging, studierte, international arbeitete. Weltläufigkeit und Kompetenz – das wird naturgemäß als denkbar fürchterlichstes Gefahrenpotenzial erkannt. Erst recht dort, wo die Matura für Kleinkarierte – der erfolgreiche Abschluss eines Handytarifs mit unlimitiertem Datenvolumen und WLAN im Wohnzimmer – die Welt zwar weltweit öffnet, aber eben nur in eine Richtung: vom eigenen Schubladl hinaus. Weil’s nichts kostet, kann man, auch ohne seinen Namen zu nennen, dann schnell eine Meinung losschicken. Also wurde per Posting für die „Migrationsbitch“eine „Kugel reserviert“. Zadićs biografisches Biotop taugt als fruchtbarer Boden für Niedertracht. Dieses schöne, alte deutsche und trotzdem aus der Mode gekommene Wort verwendete Zadićs Vorgänger Clemens Jabloner als Reaktion auf den Wort-Hass. Damit beschreibt er die herausragende Eigenschaft der feigen Idioten des Hasses treffend. Dieser letzte Satz ist übrigens keine Meinung, der Satz ist eine Tatsache. Freilich kann man aber der Meinung sein, dass statt „Niedertracht“auch andere Worte passen: Wörterdreck, Verbalsauerei, vertrottelte Bösartigkeit.