Keine Angst vor einer weißen Leinwand
Beim Salzburger Festival PNEU will eine Choreografin Bewegung und Zeichnung verbinden, mit Intimität und Mut zum Risiko.
SALZBURG. Der Anblick einer weißen Leinwand hat schon manchen Maler zur Verzweiflung getrieben. Die Angst vor der großen Leere kann der erste Schritt zur künstlerischen Krise sein. Bei den Flächen, die in der Kunsthalle der Galerie Ropac in der Salzburger Vilniusstraße anfangs weiß und leer dastehen, besteht diese Gefahr aber nicht. Bei den blauen Linien, die ihr Netz allmählich immer dichter über Boden, Decke und Seitenwände ziehen, droht keine Blockade. Sie entstehen aus einem ständigen Fluss.
In der Performance „Onírica“, die kommende Woche beim Salzburger Tanzfestival Performing New Europe (kurz: PNEU) uraufgeführt wird, will die Choreografin Marta Navaridas die körperlichen Bewegungen von drei Tanzenden möglichst unmittelbar in eine zeichnerische Parallelwelt übersetzen.
Dazu haben Navaridas und ihr Team im großen weißen Ausstellungsraum der Ropac-Halle noch einmal einen kleineren, weißen Kubus gebaut. An den offenen Seiten nehmen pro Vorstellung 30 Zuschauer Platz. Die Stirnseiten, der Boden und die niedrige Decke dienen als Leinwände für ein Werk, das immer im Prozess des Werdens bleibt: „Wenn das Publikum kommt, arbeiten die Performer schon, und wenn es geht, arbeiten sie noch.“Die Idee zu dem Stück, dessen spanischer Titel eine traumähnliche Atmosphäre andeutet, habe viele persönliche Bezüge, erzählt Navaridas in einer Pause zwischen den Aufbauarbeiten. Zum einen „habe ich, schon seit ich ein Kind war, mit blauen Stiften alles vollgezeichnet: in der Schule, an der Uni, später bei Proben oder Besprechungen“. Zum anderen wolle die Choreografin, die auch gelernte Übersetzerin ist, zwischen zwei Kunstsprachen vermitteln: „Wenn ich bloß ein fertiges Bild in einer Ausstellung hängen sehe, fehlt mir oft das Körperliche, der Atem.“
Eine körperliche Verbindung schafft sie in „Onírica“schon dadurch, dass auch Kleidung und Haut der Performer (Xianghui Zeng, Veza Fernández, Lau Lukkarila) zur Leinwand werden. Tänzerische
Vorgaben gebe es hingegen nicht, ergänzt Alex Deutinger: „Wir schaffen einen Raum und einen Zustand.“Als Choreografen-Duo sind Deutinger und Navaridas immer wieder bei Festivals der Szene zu Gast. Diesmal ist der Salzburger für die Dramaturgie verantwortlich. „Eine möglichst große Unmittelbarkeit“, die sich auch aus dem Wechselspiel mit zwei Musikern (Harfe, Elektronik) und sphärischen Loops ergebe, sei in „Onírica“zentral. Ein weiteres wesentliches Element sei das Spiel der Akteure mit Vertrauen, Intimität und Mut zum Risiko. „Keine Aufführung folgt einem Muster, nichts soll sich wiederholen“, sagt Navaridas. Ob es die Bilder auch allein als Ausstellungsobjekte zu sehen gibt? „Ich glaube, dann würde etwas fehlen“, sagt Navaridas. „Aber es wäre interessant, einmal eine ganze Galerie als Leinwand zu nutzen. Dann bräuchten wir wohl Trampoline.“
Festival:
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