Nur zwei Sterne für Bocuse
55 Jahre lang glänzte der Gourmet-Tempel des verstorbenen Paul Bocuse mit drei Sternen. Das ist nun vorbei. Die Vergabe der begehrten Auszeichnungen löst immer wieder Debatten aus.
Das Gourmetrestaurant des verstorbenen Starkochs Paul Bocuse verliert erstmals seit dem Jahr 1965 seinen dritten Michelin-Stern. Das Restaurant L’Auberge du Pont de Collonges in der Nähe von Lyon werde ab der neuesten Ausgabe des Restaurantführers „Guide Michelin“nur noch zwei Sterne haben, bestätigte Michelin am Freitag. Das Essen sei nach wie vor ausgezeichnet, hieß es. Aber nach den Testessen, die Inspektoren des Michelin-Führers im Lauf des Jahres 2019 durchgeführt hätten, sei das Restaurant nicht mehr auf dem Niveau des dritten Sterns. Der neue Restaurantführer erscheint am 27. Jänner.
Die Familie des legendären Kochs und sein Team zeigten sich verärgert, aber auch kämpferisch. Auf der Homepage des Restaurants hieß es am Freitag:
„Von Collonges aus und von ganzem Herzen werden wir weiterhin das Heilige Feuer mit Kühnheit, Begeisterung, Exzellenz und einer gewissen Form von Freiheit am Leben erhalten.“
Paul Bocuse starb im Jahr 2018 im Alter von 91 Jahren. Er galt als Inkarnation der französischen Küche. Der Gastroführer „Gault&Millau“nannte ihn „Koch des Jahrhunderts“. Er gehörte zu den Vertretern der Nouvelle Cuisine. Die Bewegung von damals jungen Köchen wollte die französische Küche entstauben. Einfache Zubereitung, frische Zutaten, Regionalität – das waren die Grundlinien.
Die Michelin-Sterne gelten als die wichtigste Restaurantauszeichnung weltweit. Sie tragen zur Bekanntheit von Köchen bei – sind aber wegen der hohen Ansprüche und des ständigen Drucks auch eine große Bürde. Die Vergabe löst immer wieder Diskussionen aus. Erst Ende Dezember war der französische Sternekoch Marc Veyrat mit einer Klage gegen „Guide Michelin“gescheitert. Er war erzürnt, weil ihm der Gastronomieführer Anfang 2019 den dritten Stern seines Restaurants La Maison des Bois gestrichen hatte, und sah sich durch die Entscheidung „entehrt“. Im Zentrum des Gerichtsstreits stand ein Soufflé, das Veyrat nach Überzeugung eines Michelin-Kritikers mit minderwertigem englischen Cheddar-Käse zubereitete und nicht, wie von ihm angegeben, mit traditionellen französischen Sorten wie Reblochon oder Beaufort. Veyrat hatte vom „Guide Michelin“einen symbolischen Euro Schadenersatz und die Offenlegung seiner Bewertungskriterien verlangt. Ein Gericht in Nanterre bei Paris urteilte dann, der Gastronom habe nicht darlegen können, dass ihm durch die Aberkennung des dritten Sterns Schaden entstanden sei. Die „Unabhängigkeit“der Restaurantkritiker bei ihren Bewertungen sei durch das Recht auf Meinungsfreiheit garantiert, erklärte das Gericht.
Aufsehen erregte Ende Jänner 2018 die Entscheidung des „Guide Michelin“– nach langem Überlegen –, dem südfranzösischen „Küchenrebellen“Sébastien Bras zu erlauben, auf seine drei Sterne zu verzichten. Michelin bezeichnet den Fall als einmalig. Bras hatte im September 2017 erklärt, er wolle wegen des hohen Drucks nicht mehr ausgezeichnet werden. Sein Sprecher sagte damals, für Bras öffne sich nun ein neues Kapitel „ohne diesen Druck“.