Die große Wende
38 Milliarden Tonnen Treibhausgase pro Jahr – das ist der Stand. Eingespart werden muss an allen Fronten.
Der deutsche Klimaforscher Hans von Storch hat den Eindruck, dass die Dimension noch nicht klar ist: „Wir müssen bis etwa 2050 die bisherigen 38 Gigatonnen jährlichen globalen CO2-Emissionen auf null bringen, wenn wir das ParisZiel erreichen wollen. Und diese Einsparung – auf null bis 2050! – muss überall auf der Welt erreicht werden.“
Zur Einordnung: Eine Gigatonne, das sind eine Milliarde Tonnen. Das entspricht dem Gewicht von 14 Milliarden Menschen, wenn man von 70 Kilogramm Körpergewicht ausgeht.
Und Storch spricht nur von den Kohlendioxidemissionen. Werden alle Treibhausgase berücksichtigt, etwa auch Methan, das vor allem in der Landwirtschaft verursacht wird, fallen laut „Emission Gap Report 2019“der Vereinten Nationen weltweit 55,3 Gigatonnen an. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies sogar ein Anstieg um rund drei Prozent.
Sich jeden Flug zu überlegen oder Kerosin im Vergleich zu anderen Treibstoffen fairer zu besteuern sind derzeit populäre Lösungsansätze. Klimaaktivistin Greta Thunberg verzichtet auf Flüge, in ihrem Heimatland gibt es mittlerweile auch den Begriff „Flugscham“; also man schämt sich, wenn man trotz besseren Wissens das Flugzeug nimmt und nicht etwa die Bahn oder – wie Thunberg – ein Segelschiff, um von A nach B zu kommen.
Denn Fliegen ist sehr klimaschädlich: Ein Langstreckenflug von Wien nach San Francisco und retour verursacht 3,5 Tonnen Treibhausgasemissionen pro Person, rechnet Experte Fabian Wagner vom International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) in Laxenburg vor.
Zum Vergleich: Die Gesamtemissionen Österreichs betrugen im Jahr 2017 laut Umweltbundesamt 82,2 Millionen Tonnen, also 8,8 Tonnen pro Kopf und Nase.
Doch Fakt ist auch, dass der internationale Flugverkehr nur etwa 2,4 Prozent der globalen Emissionen verursacht, also rund ein Vierzigstel.
Eine unangenehme Wahrheit ist, dass ständig am Smartphone oder Computer online zu sein sowie Nachrichten, Fotos und Videos in sozialen Medien zu checken und abzusetzen immer mehr Energie benötigt. Streamingplattformen haben 2018 schätzungsweise so viel Strom verbraucht wie alle Privathaushalte in Deutschland, Italien und Polen zusammen. Wer zehn Minuten lang über die Cloud ein Video in HD anschaut, verbraucht so viel Strom wie ein elektrischer Backofen, der fünf Minuten mit 2000 Watt auf voller Stufe läuft.
Das sind Beispiele aus dem Bericht über Nachhaltigkeit der digitalen Technologie des französischen Thinktanks The Shift Projekt. Der digitale Bereich soll mittlerweile vier Prozent Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen haben, also mehr als der Flugverkehr.
Die Experten gehen davon aus, dass dieser Anteil bis 2025 auf acht Prozent steigen wird. Die deutschen Grünen fordern deshalb ökologische Konzepte und Vorgaben bei der Digitalisierung.
Trotzdem sind das Kleinigkeiten: Der Löwenanteil bei den weltweiten Emissionen entfällt laut dem deutschen Datenanbieter Statista zu 42 Prozent auf die Erzeugung von Strom und Wärme, zu 24 Prozent auf den Transport und zu 19 Prozent auf Industrie. Acht Prozent steuern die Gebäude bei, nicht zuletzt wegen des enormen Bodenverbrauchs. Auf Österreich bezogen ist die Verteilung ähnlich. Im Klimaschutzbericht 2018 des Umweltbundesamts heißt es: Die wesentlichen Verursacher der Treibhausgase waren 2016 die Sektoren Energie und Industrie mit 44 Prozent, der Verkehr mit 29 Prozent, die Landwirtschaft mit zehn Prozent sowie Gebäude ebenfalls mit zehn Prozent. Den stärksten Anstieg seit 1990 verzeichnet Verkehr mit einem Plus von sage und schreibe rund 67 Prozent.
Um die Wende zu schaffen, seien zwar Verhaltensänderungen nötig, aber auch tief greifende strukturelle Änderungen, betont Klimaexperte Storch. Nach dem Motto „lokal handeln, aber global denken“: „Es sind Modernisierungen und Innovationen zu bevorzugen, die in weiten Teilen der Welt wirtschaftlich attraktiv und dazu auch klimaneutral sind.“Entwickelt und erprobt werden sollten diese Technologien in Europa. Darunter könnten auch Investitionen in die Infrastruktur fallen. „Eine Verringerung der Emissionen in Österreich ist wenig zielführend, solang diese Perspektive der weltweiten Nutzung nicht dabei ist“, betont Storch.