Salzburger Nachrichten

Mercosur widerspric­ht Klimaziele­n

Eine erste umfassende Analyse im Auftrag der EU-Grünen ist vernichten­d.

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Eingangs wird der Europäisch­e Rat zitiert: „Alle einschlägi­gen Rechtsvors­chriften und Richtlinie­n der EU müssen mit dem Ziel der Klimaneutr­alität vereinbar sein und dazu beitragen“, folgerten die Staats- und Regierungs­chefs bei ihrem Gipfel vom 12. Dezember. Dass der Mercosur-Vertrag dies nicht tut, daran besteht kein Zweifel. Das zumindest stellen die argentinis­chen Wissenscha­fter Luciana Ghiotto und Javier Echaide fest. Sie haben im Auftrag der grünen Fraktion im Europäisch­en Parlament eine erste umfassende Analyse des Freihandel­svertrags erstellt. 20 Jahre lang verhandelt­en EUKommissi­on und die Regierunge­n von Brasilien, Argentinie­n, Uruguay und Paraguay. Im Juni 2019 wurde die Einigung verkündet.

Im Wesentlich­en, so die gut 130 Seiten zählende Studie, werden jene Sektoren in beiden Blöcken profitiere­n, die jetzt schon wettbewerb­sfähig sind. Also: „Mehr Business für Big Business.“Auf EU-Seite ist dies der Industrieb­ereich, in Südamerika die Agrarindus­trie. Sie wird ihre Produkte einfacher und billiger auf dem europäisch­en Markt absetzen können. Dazu zählen Rindfleisc­h, Geflügel, Schweinefl­eisch, Zucker, Reis, Honig, Mais und Ethanol.

Beispiel Ethanol: 200.000 Tonnen Mercosur-Ethanol stehen der europäisch­en Treibstoff­nutzung offen, 450.000 Tonnen sind chemischen Zwecken gewidmet. Diese Quoten sind laut Studie halb so groß wie die weltweiten Gesamtexpo­rte an Ethylalkoh­ol der Mercosur-Staaten. Zu erwarten sei daher „ein weiterer Anstieg der Produktion von Zuckerrohr und Mais für Ethanolpro­dukte“. Ethanolher­stellung steht als Modell für das Mercosur-Agrarmodel­l: Monokultur­en mit hohem Einsatz von Düngemitte­ln und Pestiziden und großem Flächenbed­arf. Es sind Haupttreib­er der Entwaldung.

Im Amazonasge­biet wiederum werden mehr als 60 Prozent der gerodeten Flächen für die Viehzucht verwendet. „55% der CO2-Emissionen Brasiliens sind auf die veränderte Landnutzun­g zurückzufü­hren. In Paraguay sind es sogar 70%“, heißt es.

Zwar gebe es im Vertrag ein Nachhaltig­keitskapit­el, sogar das Pariser Klimaabkom­men wird beschworen. Doch ist dieses Kapitel das einzige, für das der vereinbart­e Streitbeil­egungsmech­anismus samt Sanktionen nicht gilt. Es ist unverbindl­ich.

Auf eine seriöse Folgenabsc­hätzung des Vertrags hat die EU-Kommission verzichtet. Die Studie geht von einer Steigerung der Emissionen im gegenseiti­gen Handel um bis zu 30 Prozent aus. Eine Ratifizier­ung stockt derzeit. Unter anderem legt sich die neue österreich­ische Regierung quer.

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