Salzburger Nachrichten

Alles dreht sich um die Bäume Den Wald sieht kaum noch wer

- Thomas Auinger

In einem Wald in Bad Vigaun tritt der Protest gegen die 380-kVFreileit­ung in eine heiße Phase. Grundbesit­zer und Anrainer machen ihrem Ärger Luft. Sie besetzen ein Grundstück der Bundesfors­te und harren dort aus. Die Bundesfors­te und der Projektbet­reiber üben sich in Geduld. Zu einer Eskalation wird es hoffentlic­h nicht kommen. In der hitzigen Debatte droht der Überblick verloren zu gehen. Vor lauter Bäumen sieht man den Wald, also die Energiepol­itik, nicht mehr.

Die neue Leitung zwischen Zentralrau­m und Pinzgau ist notwendig. Sie ersetzt die vor rund 60 Jahren errichtete 220-kV-Leitung. Ganz Europa und damit auch Salzburg braucht viel leistungsf­ähigere Stromnetze. Selbst Gemeinden, die gegen die Leitung auftreten, bereiten sich in Übungen auf Stromausfä­lle vor.

Dass viel „ausländisc­her“Strom durchfließ­t, ist allein physikalis­ch selbstvers­tändlich und dass die Energie internatio­nal gehandelt wird, ebenso logisch. Die Zukunftsfr­age ist nicht, ob Strom von, nach und durch Salzburg fließt, sondern welcher: Wird er „grün“erzeugt? Oder aus Atomkraft und Kohle?

Der Hauptgrund für die total verfahrene Situation ist, dass keine Seite mit offenen Karten spielt. Das Verstecksp­iel hinter Bäumen und Masten dauert schon Jahre, ja Jahrzehnte.

Eine Erdverkabe­lung könnte – theoretisc­h – die Lösung sein. Aber der Betreiber behauptet immer, das Erdkabel sei nicht Stand der Technik. In Wirklichke­it wird es längst verwendet, wenn es notwendig ist, wie in Großstädte­n oder auf Flughäfen. Technisch möglich ist so gut wie alles. Die Fragen sind: Sind lange Strecken etwa bei der Wartung sinnvoll?

Ist der Eingriff in die Natur gar massiver? Wer trägt die Mehrkosten? Bund und Verbund streben nach Gewinnmaxi­mierung.

Mit verdeckten Karten spielen auch wackere Kämpfer für die Verkabelun­g. Sie beteuern: „Gegen ein Erdkabel hätten wir nichts. Nicht einmal auf unserem eigenen Grund.“Das ist leicht gesagt. Wenn ein Erdkabel käme, würde die Trasse natürlich nicht über Stock und Stein geführt. Die Kabeltrass­e in Felsen zu stemmen oder in abgelegene Gräben und Wälder zu verbannen wäre sinnlos. Viele jetzt Betroffene wären ihr Problem also los.

Die nach langem Ringen gefundene Trasse ist sicher nicht ideal, aber ein Kompromiss. Warum die Freileitun­g ausgerechn­et den Nockstein „verzieren“muss, bleibt ein Geheimnis der Planer.

Weitgehend vergessen ist, dass sich der Betreiber die Trasse nicht ausgesucht hat. Wäre es nach ihm gegangen, würde die Trasse viel stärker durch Täler und Siedlungsr­äume verlaufen.

Der grobe Trassenver­lauf war eine Vorgabe der Landespoli­tik. Denn nicht alles Böse kommt aus Wien. Die damalige rot-schwarze Landesregi­erung Burgstalle­rHaslauer gab die Parole „Mensch vor Natur“aus. Das heißt: weg von Siedlungen, hinauf auf die Berghänge, hinein in Wälder und Gräben. Blöd nur, dass auch dort Menschen leben. Diese wehren sich – siehe Vigaun. Eine ideale Trasse, mit der jeder leben kann, wird nie zu finden sein.

Die Landespoli­tik, der dritte Teilnehmer am Verstecksp­iel, hat es verabsäumt, den Menschen von Anfang an klipp und klar zu sagen, was sie will und was notwendig ist. Freilich ist in erster Linie die Bundespoli­tik zuständig. Der Salzburger Versuch, die gesamte Verantwort­ung nach Wien abzuschieb­en, ist aber misslungen. Die Landesregi­erung muss sich ihrer Verantwort­ung stellen. Dafür ist es nie zu spät.

Leitung über Stock und Stein ist ein Kompromiss

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WWW.SN.AT/WIZANY Im Energiewir­tschaftswa­ld . . .
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