Alles dreht sich um die Bäume Den Wald sieht kaum noch wer
In einem Wald in Bad Vigaun tritt der Protest gegen die 380-kVFreileitung in eine heiße Phase. Grundbesitzer und Anrainer machen ihrem Ärger Luft. Sie besetzen ein Grundstück der Bundesforste und harren dort aus. Die Bundesforste und der Projektbetreiber üben sich in Geduld. Zu einer Eskalation wird es hoffentlich nicht kommen. In der hitzigen Debatte droht der Überblick verloren zu gehen. Vor lauter Bäumen sieht man den Wald, also die Energiepolitik, nicht mehr.
Die neue Leitung zwischen Zentralraum und Pinzgau ist notwendig. Sie ersetzt die vor rund 60 Jahren errichtete 220-kV-Leitung. Ganz Europa und damit auch Salzburg braucht viel leistungsfähigere Stromnetze. Selbst Gemeinden, die gegen die Leitung auftreten, bereiten sich in Übungen auf Stromausfälle vor.
Dass viel „ausländischer“Strom durchfließt, ist allein physikalisch selbstverständlich und dass die Energie international gehandelt wird, ebenso logisch. Die Zukunftsfrage ist nicht, ob Strom von, nach und durch Salzburg fließt, sondern welcher: Wird er „grün“erzeugt? Oder aus Atomkraft und Kohle?
Der Hauptgrund für die total verfahrene Situation ist, dass keine Seite mit offenen Karten spielt. Das Versteckspiel hinter Bäumen und Masten dauert schon Jahre, ja Jahrzehnte.
Eine Erdverkabelung könnte – theoretisch – die Lösung sein. Aber der Betreiber behauptet immer, das Erdkabel sei nicht Stand der Technik. In Wirklichkeit wird es längst verwendet, wenn es notwendig ist, wie in Großstädten oder auf Flughäfen. Technisch möglich ist so gut wie alles. Die Fragen sind: Sind lange Strecken etwa bei der Wartung sinnvoll?
Ist der Eingriff in die Natur gar massiver? Wer trägt die Mehrkosten? Bund und Verbund streben nach Gewinnmaximierung.
Mit verdeckten Karten spielen auch wackere Kämpfer für die Verkabelung. Sie beteuern: „Gegen ein Erdkabel hätten wir nichts. Nicht einmal auf unserem eigenen Grund.“Das ist leicht gesagt. Wenn ein Erdkabel käme, würde die Trasse natürlich nicht über Stock und Stein geführt. Die Kabeltrasse in Felsen zu stemmen oder in abgelegene Gräben und Wälder zu verbannen wäre sinnlos. Viele jetzt Betroffene wären ihr Problem also los.
Die nach langem Ringen gefundene Trasse ist sicher nicht ideal, aber ein Kompromiss. Warum die Freileitung ausgerechnet den Nockstein „verzieren“muss, bleibt ein Geheimnis der Planer.
Weitgehend vergessen ist, dass sich der Betreiber die Trasse nicht ausgesucht hat. Wäre es nach ihm gegangen, würde die Trasse viel stärker durch Täler und Siedlungsräume verlaufen.
Der grobe Trassenverlauf war eine Vorgabe der Landespolitik. Denn nicht alles Böse kommt aus Wien. Die damalige rot-schwarze Landesregierung BurgstallerHaslauer gab die Parole „Mensch vor Natur“aus. Das heißt: weg von Siedlungen, hinauf auf die Berghänge, hinein in Wälder und Gräben. Blöd nur, dass auch dort Menschen leben. Diese wehren sich – siehe Vigaun. Eine ideale Trasse, mit der jeder leben kann, wird nie zu finden sein.
Die Landespolitik, der dritte Teilnehmer am Versteckspiel, hat es verabsäumt, den Menschen von Anfang an klipp und klar zu sagen, was sie will und was notwendig ist. Freilich ist in erster Linie die Bundespolitik zuständig. Der Salzburger Versuch, die gesamte Verantwortung nach Wien abzuschieben, ist aber misslungen. Die Landesregierung muss sich ihrer Verantwortung stellen. Dafür ist es nie zu spät.
Leitung über Stock und Stein ist ein Kompromiss