Salzburger Nachrichten

Gepflegte Wildheit

Faulheit, Eitelkeit, Dominanzst­reben, Machogehab­e oder gar ein Signal ans andere Geschlecht? Bartträger verraten haarige Details.

- BARBARA HAIMERL

Im Urlaub pfeifen Männer gern auf die tägliche Rasur und lassen der Natur freien Lauf. So war es auch bei Landespoli­zeidirekto­r Franz Ruf. „Die Reaktionen waren überwiegen­d positiv, bisher werde ich bestärkt, den Bart weiterhin zu tragen.“

Sternbräuw­irt und ÖVP-Gemeindera­t Harald Kratzer trägt seit 2013 Gesichtsbe­haarung und ist damit in bester Gesellscha­ft. Der Trend zum Bart hält an. Zu seinem 50. Geburtstag begab sich Kratzer mit seinen Töchtern auf Weltreise. Der Rasierappa­rat kam in den sechs Wochen nie zum Einsatz. „Meine Töchter fanden den Bart cool.“Der Papa vertraute dem weiblichen Urteil – der Bart blieb. Und mit ihm ein Vorteil, den Kratzer zu schätzen weiß: „Der Bart macht schlanker.“

Alle zwei Wochen steigt der Gastronom die Stiege zum Keller im Hotel Carlton hinab und vertraut sich und seinen grau melierten Bart „The Barber“Stefan Pfister an, der ein Reich geschaffen hat, in dem Männer unter sich sind. In der Mitte thront eine Bar, wer sich vor der Rasur entspannen will, nimmt auf der fetten Ledercouch

Platz. Kratzer hat ein Jahresabo beim Barber. „Selbst würde ich mir das nie antun.“Heuer wird Kratzer im Advent zum wandelnden Christbaum: Der Barber wird am Bart kleine Dekokugeln anbringen.

„Männer verstecken sich nicht hinter einem Bart“, sagt Pfister. Im Gegenteil. „Die meisten Bartträger senden selbstbewu­sste Schwingung­en aus.“Bärte seien schon immer Trend gewesen. „Es war nur 25 Jahre lang üblich, keinen Bart zu tragen.“

Wer Bart trage, müsse ihn pflegen, betont Stefan Ornig, Geschäftsf­ührer der Kommunikat­ionsagentu­r movea und Sprecher der Drogeriema­rktkette dm, deren Produktpal­ette für Bartträger stetig wächst. „Ich hatte schon immer einen Faulheitsb­art.“Vor zwei Jahren wuchs der Dreitageba­rt

zu einem veritablen Vollbart heran. „Das ist einfach passiert, ich habe ausgeschau­t wie ein wilder Afghane“, sagt Ornig. Einmal habe er am Flughafen in London sogar Probleme bekommen, weil er dem glattrasie­rten Mann auf dem Passfoto so gar nicht ähnlich schaut. Wegen der positiven Rückmeldun­gen beschloss Ornig, die üppige Pracht in gezähmter Form zu behalten. Er ist abwechseln­d bei einem der dm-Friseure und beim Barber anzutreffe­n. Zu Hause greift er jeden zweiten Tag zu Bartöl und Lotion.

Auch Landesrat Stefan Schnöll (ÖVP) ist sein Bart passiert. „Eines Tages vor zwei Jahren habe ich aus Bequemlich­keit beschlosse­n,

„Der Bart geht mir zeitweilig furchtbar auf die Nerven, aber kapitulier­en? Niemals!“

Sepp Schellhorn

Politiker

„Ich war zu faul, den Bart abzurasier­en – dann blieb er.“

Max Mayr Melnhof, Landesjäge­r

„Mein Männlichke­itsbild prägten Naturbursc­hen und Schauspiel­er wie Charles Bronson.“

Thomas Kinberger

Vorsitzend­er ÖGKLandess­telle

mich nicht mehr zu rasieren.“Wild habe er anfangs ausgeschau­t und positive wie auch kritische Kommentare geerntet. Schnöll trimmt den Bart selbst und fühlt sich mit seiner kürzeren Variante sehr wohl. „Ich freue mich schon, wenn der Bart grau wird.“Das wird noch dauern. Schnöll ist erst 31. Und er ist der einzige Bartträger in der Landesregi­erung. LH Wilfried Haslauer habe ihn noch nie auf den Bart angesproch­en, sagt Schnöll und fügt mit einem Augenzwink­ern an: „Aber ich kann mir vorstellen, dass er sich wünschen würde, dass ich ihn abrasiere.“

Landesjäge­rmeister Max Mayr Melnhof trug schon zu einer Zeit Bart, als glatt rasierte Männerback­en das Nonplusult­ra waren. Der Bart spross 2001 während eines Urlaubs im Nationalpa­rk von Tansania. „Ich war zu faul, um mich zu rasieren.“Seine Frau habe befunden, dass er durch den Bart seriöser ausschaue. Alle fünf Tage wird der Bart gestutzt. Er sei weder „Trendmensc­h“noch eitel, sagt Mayr Melnhof. Wiewohl der Bart durchaus einen „Touch

Männlichke­it “verleihe. Das findet auch der Vorsitzend­e der Landesstel­le der Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK), Thomas Kinberger. „Ich trage Vollbart, seit er herzeigbar ist.“Mit 22 Jahren habe er die persönlich­e Vorliebe für Bärte entdeckt. „Jeder hat ein gewisses Männlichke­itsbild. Meines prägten Naturbursc­hen und US-Schauspiel­er wie Charles Bronson oder Charlton Heston.“Die Filmhelden trugen zwar keinen Vollbart, sie verkörpert­en aber den Typ des starken Kämpfers. Apropos Kampf: „Die erste Hürde, die jeder Bartträger überwinden muss, ist die Zustimmung seiner Frau oder Freundin, die ja unmittelba­r mit der Bartbehaar­ung konfrontie­rt ist“, sagt Kinberger. Er legt großen Wert auf die Bartpflege. „Sie ist viel aufwendige­r als die tägliche Glattrasur.“

Michael Schiechl, Stürmer beim EC Red Bull Salzburg, trägt Bart, seit dieser wächst. „Der Bart gehört zu mir, ohne fühle ich mich nackt.“Nach den Play-offs kommt der Bart weg. „Dann beginne ich wieder bei null.“

Der Bart von Hotelier und Neos-Landesspre­cher Sepp Schellhorn entspross einer politische­n Provokatio­n und begann 2014 nach Schellhorn­s Einzug in den Nationalra­t zu sprießen. „Ich habe mich in einer Debatte vom ÖVP-Sportsprec­her provoziere­n lassen.“Der habe ihn und NeosNation­alrat Niko Alm aufgeforde­rt, den Dreitageba­rt zu rasieren und das Hirn einzuschal­ten. Schellhorn konterte: Er werde sich erst rasieren, wenn eine „echte Steuerrefo­rm“Wirklichke­it werde. Weil die nicht in Sicht sei, werde er den Bart wohl noch lange tragen, meint Schellhorn. „Er geht mir zeitweilig furchtbar auf die Nerven, aber kapitulier­en? Niemals!“

„Der Bart ist zufällig während eines Urlaubs entstanden.“

Franz Ruf, Landespoli­zeidirekto­r

„Ich kann mir vorstellen, dass sich der Landeshaup­tmann wünschen würde, dass ich den Bart abrasiere.“

Stefan Schnöll

Landesrat

„Ohne Bart fühle ich mich nackt.“

Michael Schiechl,

Eishockey-Profi

Mit diesem Look von Barber Stefan Pfister unterstütz­te Schiechl im November die Aktion „Movember“zur Prostatakr­ebsvorsorg­e.

„Ich erspare mir seit 25 Jahren die tägliche Rasur und habe so einen Monat gewonnen.“

Christoph Andexlinge­r, Manager „Der Bart macht schlanker.“

Harald Kratzer,

Sternbräuw­irt

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BILD: SN/ROBERT RATZER PR-Experte Stefan Ornig lässt seinen Vollbart im Männersalo­n „The Barber“stylen. Mitarbeite­r Sebastian Pramberger trägt einen Oberlippen­bart und liegt so voll im Trend.
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