Türkis-Grün will neue Regeln für den ORF
Der Kanzlerbeauftragte für Medienfragen im SN-Gespräch: Ein neues ORF-Gesetz kommt, aber die GIS-Gebühr bleibt – zumindest derweil.
WIEN. Wie der ORF künftig aufgestellt sein wird, schien unter TürkisBlau bereits geregelt. Bis Mitte dieses Jahres sollte ein neues ORF-Gesetz umgesetzt sein, das dem Rundfunk etwa eine neue Führungsstruktur hätte bringen sollen.
Nach der Neuwahl ist der Zeitplan nicht mehr zu halten. Doch auch die neue Bundesregierung will den ORF neu aufstellen – und zwar spätestens bis zum ersten Halbjahr 2021. Und auch sonst stehen einige medienpolitische Neuerungen an, wie Gerald Fleischmann (ÖVP) im SN-Gespräch schildert. Fleischmann ist Kanzlerbeauftragter für Medienfragen, also eine Art Medienstaatssekretär. Und da die Medienpolitik künftig beim Kanzler ressortiert, ist Fleischmann neben Sebastian Kurz derjenige, bei dem die Fäden zu Themen wie Rundfunkgebühren oder Medienförderung zusammenlaufen.
„Wir wollen den heimischen Medienstandort stärken, vor allem im Wettbewerb mit den Onlinegiganten“, sagt Fleischmann. So soll bis Ende des Jahres das Grundkonzept für ein neues ORF-Gesetz ausgearbeitet sein – „entsprechend den für die Vorhaben im Regierungsprogramm notwendigen Adaptierungen“. Bis Mitte 2021 soll das Gesetz umgesetzt werden. „Wenn es früher geht, haben wir auch nichts dagegen. Aber freilich stets im Dialog mit dem Koalitionspartner.“Mit dem Gesetz soll die Grundlage geschaffen werden, dass der ORF eine neue Onlineplattform aufzieht, in der Branche gern als ORF-Player bezeichnet. Dort soll dann auch die Sieben-Tage-Abruffrist für OnlineInhalte fallen. Zudem soll es dem ORF ermöglicht werden, sich Allianzen mit heimischen Privatmedien anzuschließen, etwa einer gemeinsamen Plattform für den Verkauf von Onlinewerbung.
Doch auch der ORF müsse sich öffnen: So soll das Archiv für Privatmedien zugänglich gemacht werden. Und die Privaten sollen ihre Inhalte auf der neuen ORF-Onlineplattform verbreiten dürfen. „Unser Ziel ist, die Dominanz von YouTube & Co. durch eine starke gemeinsamen Plattform mit Bewegtbildangebot heimischer Player zurückzudrängen“, ergänzt Fleischmann.
Wie die ORF-Geschäftsführung und der Stiftungsrat künftig aufgestellt sein sollen, wollte Fleischmann ebenso wenig im Detail kommentieren wie die Frage, ob die GIS bleibt. Kurzfristig werde sich am Gebührenmodell nichts ändern.
Auf inhaltlicher Ebene wolle man etwa die ORF-Landesstudios stärken. Aber so, „dass die Regionalmedien keinen Schaden nehmen“. Zudem verweist Fleischmann auf den EU-Beschluss, wonach 30 Prozent der Inhalte auf
Netflix & Co. aus Europa stammen müssen. Dieser müsse heuer auf nationales Recht umgelegt werden.
Für die Branche wohl besonders spannend: Künftig wird es zwei neue Fördertöpfe geben. Zum einen die Digitalförderung, die Medien ab 2021 bei „Transformationsprozessen ins Digitale“unterstützen soll – gespeist aus den Einnahmen der Digitalsteuer. Zum anderen einen Fonds, der ab 2021 Produktionen heimischer Medien fördert. Finanziert werden soll der Fonds, indem globale Streamingdienste „zur Kassa gebeten werden“. Wie das funktionieren kann, will Fleischmann noch nicht schildern.
Und wie reagiert der frühere Pressechef der ÖVP Niederösterreich auf die Kritik an seiner Rolle? Neben dem Medienpolitischen kümmert sich Fleischmann auch um die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit zur Umsetzung des Regierungsprogramms. Medienförderer und wohl kritischer Mediensprecher – ein Widerspruch? Er sei seit rund zwei Jahren nicht mehr Pressesprecher von Sebastian Kurz. Er müsse seither also auch keine Medienanfragen innenpolitischer Journalisten direkt beantworten.
„Unser Ziel ist, die Dominanz von YouTube & Co. zurückzudrängen.“
Gerald Fleischmann, ÖVP