Oh Gott, Anschobertag!
Eines muss man der neuen Regierung lassen: Die „Message Control“, also die generalstabsmäßige Planung der Berichterstattung, funktioniert wie nie zuvor. Die neueste Errungenschaft ist die Einführung von Interview-Tagen. Am Montag dieser Woche zum Beispiel war Anschober-Tag. Da gab der Sozialminister – und nur der Sozialminister – allen Medien Interviews und sie berichteten an diesem Tag nur über ihn.
Früher, da gaben die Minister ihre Interviews, wann sie wollten. Manchmal ließen sich drei oder vier am selben Tag interviewen und stellten sich damit gegenseitig in den Schatten. Jetzt glänzt immer nur einer allein.
Und einer nach dem anderen. Denn es gab auch schon einen Gewessler-Tag und einen Zadić-Tag. Und wenn die neue Regierung wirklich so epochal ist, wie es heißt (sogar der hohe UNO-Generalsekretär gratulierte uns zu ihr!), dann ist es durchaus möglich, dass die Wochentage in Hinkunft nicht mehr nach germanischen Gottheiten, sondern nach türkisen und blauen Ministern benannt werden.
Nach einem schönen Wochenende wird man dann auf dem Weg in die Arbeit stöhnen: „O Gott, schon wieder Anschobertag!“Dafür wird man zu Beginn des nächsten Wochenendes aufatmend sagen: „Endlich Zadićtag!“Und der Höhepunkt der Woche wird klarerweise der Kurztag sein. Da kommt dann der Kurztagsbraten auf den Tisch.
Das also ist die informationstechnische Innovation des Interview-Tags. Angesichts dieses Fortschritts wäre es völlig verfehlt, von einem holprigen Start der neuen Regierung zu sprechen, wie es da und vor allem dort mitunter geschehen ist. Aber selbst wenn es so wäre: Holpern und stolpern kann durchaus ein gutes Vorzeichen sein, wie folgende Geschichte aus der Zeit unserer Altvorderen zeigt:
Als der römische Feldherr Scipio sich anschickte, die Punischen Kriege von Italien nach Afrika zu tragen und die Karthager – die großen Feinde Roms – bei ihnen zu Hause zu bekämpfen, geschah ihm ein folgenschweres Missgeschick. Beim Landen an der Küste war Scipio der Erste, der von den Schiffen an Land sprang, wobei er aber ausglitt und der Länge nach hinfiel.
Die gesamte Armee erstarrte, denn Vorzeichen waren für die Römer damals das Allerwichtigste. Und ein Feldherr, der im Gatsch ausrutscht und voll Schlamm daliegt, war so ziemlich das Letzte, was sie am Beginn eines wichtigen Feldzugs sehen wollten.
Doch Scipio war seine Sesterzen wert und er wusste, wie man die Legionäre beruhigen konnte. Er stand auf, hielt seine schlammigen Hände in die Höhe und rief beschwörend: „Du entgehst mir nicht mehr, Afrika, denn ich halte dich schon in meinen Händen.“– Das muss einem, bitte, erst einmal einfallen!
Zwei Jahrtausende später sollte diese Episode übrigens noch einmal eine Rolle spielen. Denn im Zweiten Weltkrieg wiederholte sich die Geschichte: Briten und Amerikaner landeten in Afrika, um die Deutschen zu vertreiben. Der Erste, der an Land sprang, war ein alliierter Befehlshaber, und es unterlief ihm das gleiche Missgeschick wie Scipio – er rutschte aus und fiel hin.
Da der alliierte Offizier aber in Kriegsgeschichte aufgepasst hatte, war ihm die antike Episode bekannt, er zitierte Scipio und überspielte damit gekonnt die peinliche Szene.
Wie bekannt, gewannen nach diesen anfänglichen Ausrutschern sowohl die Römer wie auch die Alliierten ihre Feldzüge. Scipio erhielt zur Erinnerung an seinen Sieg in und über Afrika sogar den ehrenden Beinamen „Africanus“.
So gesehen kann man der Regierung nur wünschen, dass sie noch recht oft stolpert. Vielleicht ist dann sogar der Ehrenname „Türkisblauus“drin.