Wo sind die Start-up-Frauen?
Nur in Ausnahmefällen werden Start-ups von Frauen ins Leben gerufen. Es fehlt an Vorbildern und an der Finanzierung.
Katharina Klausberger war oft die einzige Frau im Raum. Ein Problem war das für sie aber nicht. Und ein Grund, an ihren Träumen zu zweifeln, erst recht nicht. Erfahrung als Außenseiterin hatte sie bereits früh gesammelt. Als sie an einer HTL in Wien anfing, gab es nur eine Handvoll Mädchen, die sich mit den Lehrerinnen ein Klo teilen mussten. Bis sie maturierte, hatte sich die Zahl der Schülerinnen derart erhöht, dass die Schule schließlich die Toilettenanlagen umbaute. „Vorbilder helfen, alte Muster aufzubrechen, weil sie zeigen, dass Dinge möglich sind“, sagt die Unternehmerin. Klausberger hat gemeinsam mit Armin Strbac die Flohmarkt-App Shpock gegründet. „Ein Unternehmen aufzubauen ist genial und herausfordernd zugleich. Ideen umzusetzen hat mich immer schon gereizt“, sagt Klausberger. Anfänglich habe sie allerdings ausgeschlossen, selbst ein Start-up zu gründen. „Weil ich gewusst habe, wie anstrengend es sein kann und wie gering die Erfolgschancen sind.“
Der Mut hat sich aber ausgezahlt. Klausberger hat Shpock mittlerweile erfolgreich verkauft. 2015 stieg der norwegische Medienkonzern Schibsted bei dem Start-up ein, vor einem Jahr wurden die restlichen bei den Firmengründern verbliebenen neun Prozent übernommen. Die Geschäftsführung hatte das Gründer-Duo bereits 2017 abgegeben.
Während der Frauenanteil bei Gründungen in Österreich insgesamt bei 45 Prozent liegt, sind Gründerinnen bei Start-ups immer noch die Ausnahme. Laut dem letzten „Austrian Startup Monitor“aus dem Jahr 2018 sind zwölf Prozent der Gründer weiblich. Auch der „European Startup Monitor“spricht eine klare Sprache: Hier wird der Anteil der Frauen in Österreich mit 11,5 Prozent angegeben. Der EU-Durchschnitt beträgt 15,6 Prozent. Weniger Gründerinnen als hierzulande gibt es nur in Belgien, Portugal und Tschechien.
Der Risikokapitalgeber Speedinvest hatte früh in die Shpock-Gründer investiert. Der Verkauf der Flohmarkt-App gehört bis heute zu den erfolgreichsten Exits. „Auf der Investorenseite hat es sich gebessert. Bei Speedinvest suchen wir aktiv nach Frauen. Auf Gründerinnenseite ist es leider nach wie vor eine Tragödie“, sagt Marie-Helene Ametsreiter, Partnerin bei Speedinvest. Sie hat zuletzt vor zwei Monaten in das Start-up einer Gründerin investiert, das bei der Vernetzung von Baustellen helfen soll. Frauen an der Spitze von Start-ups sind aber auch hier nach wie vor die Ausnahme. Einerseits gebe es das Grundproblem Bildung. „Wir haben einfach zu wenige Frauen in den technischen Studiengängen. Da ist zu wenig Basis da.“Zudem scheiterten Frauen öfter an ihren eigenen Perfektionsansprüchen, vermutet Ametsreiter. „Das steht der Start-up-Denkweise eben diametral entgegen. Start-up heißt auch Trial and Error: Also ausprobieren und aus Fehlern lernen. Man braucht den Mut, mit einem halbfertigen Produkt, das nicht perfekt ist und es auch gar nicht sein kann, hinauszugehen.“Das falle Frauen tendenziell schwerer. Und auch, sich auf die Bühne zu stellen, auf die Brust zu klopfen und zu erzählen, wie toll sie sind. „Der Anspruch an sich selbst ist bei den Frauen oft viel zu hoch gesteckt. Zu glauben, man ist nicht gut genug, bringt in einer Verhandlung aber halt nicht das bessere Ergebnis“, sagt Ametsreiter. Start-up heiße viel Risiko, hohe Unsicherheit und chaotische Arbeitszeiten. „Das bringt die Natur der Selbstständigkeit mit und ist eben auch nicht das familienfreundlichste Modell.“Was sie Gründerinnen mitgeben will: „Keine Angst vor seinen Träumen zu haben und auch nicht davor, groß zu denken.“Sie rät Frauen auch, sich nicht auf frauentypische Bereiche zu beschränken. „Bei uns werden oft Gründerinnen mit sehr spezifischen Themen vorstellig. Wenn ich einen Marktplatz bauen will, ist es aber vollkommen egal, ob ich darauf später Babynahrung verkaufe oder Kies. Frauen trauen sich oft nicht, auch in andere Bereiche zu gehen. Damit stellt man sich aber selber in ein Eck und limitiert die Möglichkeiten.“Schließlich seien für Investoren die großen Probleme mit großen Märkten auch interessanter als eine Nische. „Es gibt aber Gott sei Dank wahnsinnig tolle und erfolgreiche Gründerinnen, die sich mehr und mehr zusammenrotten und sich gegenseitig Mut machen“, sagt Ametsreiter.
Eine dieser Initiativen ist Female Founders aus Wien. Der Verein hat sich zum Ziel gesetzt, Frauen in der Start-up-Szene zu unterstützen und zu vernetzen. Nina Wöss hat Female Founders gemeinsam mit anderen Mitstreiterinnen gegründet. „Frauen sind in der Szene eine Minderheit und überall unterrepräsentiert, egal ob es Gründerinnen, Financiers oder Mitarbeiterinnen betrifft“, sagt sie. Warum die Zahl der Frauen im Start-up-Ökosystem so klein sei, habe viele Gründe. „Es beginnt schon bei der Sozialisierung, etwa mit welchem Risikobewusstsein Frauen aufwachsen“, vermutet Wöss. Dazu komme die Vereinbarkeit zwischen Familie und Unternehmen. Das sei aber nicht der Hauptgrund. Der ist, wie so oft, das Geld. Nicht nur beim Einkommen zwischen den Geschlechtern gibt es eine Lücke, sondern auch beim Geld, das Investoren zur Verfügung stellen. „Es sind vor allem Männer, die Risikokapital verteilen. Und die haben, teils unbewusst, ein Bias zu Männern, die ihnen ähnlich sind“, erklärt Wöss.
Das zeigen auch die Zahlen: Laut dem „State of European Tech Report“verschlechterte sich die Finanzierungssituation sogar noch: Rein weibliche Gründerteams bekamen 2019 in Europa noch weniger Venture-Capital als im Jahr zuvor. In Zahlen: Von 100 USDollar, die in Start-ups investiert wurden, gingen 92 Dollar an Männer. In den USA sehen die Zahlen nicht besser aus – im Gegenteil. Im Vorjahr gingen laut dem Branchenportal Pitchbook lediglich 2,3 Prozent des investierten Risikokapitals an rein weibliche Gründerteams. Und im „Female Founders Report“der Uni Wien sahen drei von fünf Gründerinnen in den fehlenden finanziellen Mitteln die größte Hürde. „Wir haben da keine großen Sprünge gemacht, auch in Österreich nicht“, kommentiert Wöss. Das Bewusstsein in der Branche ändere sich nur langsam.
Neben Veranstaltungen und Mentoring-Programmen hat Female Founders auch ein eigenes Unterstützungsprogramm gestartet. Der „Grow F“-Accelerator unterstützt zwei Mal im Jahr je zehn Start-ups, die mindestens eine Frau im Gründerteam haben. Für die nächste Runde können sich Bewerberinnen noch bis 20. Jänner melden. Die Gründerinnen bekommen zwar kein Geld, aber drei Monate lang Zugang zu Mentoren, Fortbildungsmöglichkeiten und Kontakt zu potenziellen Investoren. Zudem gibt es Tipps zum Netzwerken. „Frauen sind viel vorsichtiger, persönliche Beziehungen fürs Business zu nutzen. Männer sind da weniger zögerlich. Es ist auch nichts verkehrt daran, solang beide Seiten wissen, dass es ums Geschäftliche geht“, sagt Wöss. Gearbeitet werde auch am Auftreten der Gründerinnen. Denn im Vergleich zu Männern gingen sie oft weniger aggressiv vor – was beim Kampf um Geldgeber ein Nachteil sei.
Ex-Gründerin Klausberger sitzt jetzt auf der anderen Seite – als Investorin. Wem gibt sie ihr Geld? „Die Person spielt eine Rolle, nicht das Geschlecht.“Wenn beides kombiniert werden kann, sei es aber natürlich schön. Sie hat sich etwa an dem österreichischen Fotobuch-Start-up Journi beteiligt, das mit Bianca Busetti eine Frau im Gründungstrio hat.