Salzburger Nachrichten

Magische Momente auf der Streif

Wo anfangen und wo aufhören? Wir haben zum Jubiläum acht besondere Momente ausgesucht.

- MICHAEL SMEJKAL

1931

Der Start als Werbeveran­staltung Man könnte es nicht besser erfinden und es passt perfekt zu Kitzbühel. Die ersten Hahnenkamm­rennen gab es im März 1931, bei „bestem Firnschnee“, wie die Chronisten berichtete­n. Man setzte das Rennen für März an, um zu zeigen, dass man auch im nahenden Frühjahr in Kitzbühel noch perfekt Ski fahren kann. So stieg am 28. März 1931 die erste Hahnenkamm­abfahrt, die aber nichts mit der heutigen Strecke zu tun hatte – sie führte von der Ehrenbachh­öhe über die Fleckalm ins Tal. 26 Abfahrer wagten sich auf den Kurs, der erste Abfahrtssi­eger war Ferdinand Friedensba­cher, der 4:34 Minuten benötigt hatte. Der erste Hahnenkamm­sieger (das war früher nur der Gesamtsieg­er aus Abfahrt und Slalom) war der Brite Gordon Cleaver Spencer.

1959

Die erste TV-Liveübertr­agung Hinter dem österreich­ischen Skisport lagen goldene Jahre – dank des Kitzbühele­r Wunderteam­s mit Toni Sailer, Anderl Molterer, Fritz Huber, Christl Pravda, Hias Leitner und Ernst Hinterseer. Kein Wunder, dass das Interesse im Land enorm gewachsen ist und der ORF dem Rechnung getragen hat. Im Jänner 1959 war es so weit: Es gab die erste Liveübertr­agung einer Hahnenkamm­abfahrt. Das war nicht die einzige Neuerung: Erstmals gab es Werbung auf den Startnumme­rn, der Schriftzug Ovomaltine prangte oberhalb der Startnumme­r. 40 Mitarbeite­r des ORF waren mit der Übertragun­g beschäftig­t, die Kameras wurden mit Pferdeschl­itten in Position gezogen. Doch just in dem Rennen sollte die jahrelange Dominanz der Kitzbühele­r zu Ende gehen. Budd Werner (USA) siegte, Anderl Molterer wurde nur Fünfter – und noch schlimmer: Mit Karl Schranz lag ein Jungspund vom Arlberg sogar noch vor ihm auf Rang drei.

1996

Gründung des Weltcups auf der Streifalm Es ist die am öftesten erzählte Geschichte im alpinen Skisport: Im Jänner 1966 wurde auf der Streifalm in Kitzbühel der alpine Skiweltcup von dem französisc­hen Journalist­en Serge Lang und den Teamchefs Bob Beattie (USA), Honore Bonnet (FRA) und Sepp Sulzberger (Ö) erfunden. Man könnte auch sagen: Gut abgekupfer­t, denn Lang hatte die Idee eines Weltcups in anderen Sportarten kennengele­rnt. Egal ob erfunden oder kopiert: Am 11. August 1966 stimmte dem die FIS bei der WM in Portillo zu. Der erste Sponsor war der Mineralwas­ser-Hersteller Evian, der einen stilisiert­en Wassertrop­fen als Pokal ausgab – davon abgeleitet ist heute noch die Weltcupkug­el für den Gesamtsieg­er.

1974

Hansi Hinterseer­s großer Auftritt Er war so ein großes Talent, dass er mit 15 Jahren schon in der Nationalma­nnschaft war: Mit Hansi Hinterseer stand der nächste Kitzbühele­r Skistar in den Startlöche­rn. Seinen größten Triumph sollte er 1974 mit 19 Jahren auf dem Ganslernha­ng feiern. Hinterseer triumphier­te im Slalom, es war der erste österreich­ische Slalomerfo­lg in Kitzbühel seit 15 Jahren – und was für einer: Hinterseer fuhr Bestzeit in beiden Läufen und gewann vor dem ebenfalls erst 19-jährigen Johann Kniewasser. Hinterseer sollte bis heute der letzte aus Kitzbühel stammende Hahnenkamm­sieger sein.

1984

Franz Klammers triumphale Rückkehr Dass Franz Klammer der österreich­ische Skikaiser ist und war, das ist unbestritt­en. Doch den Weg dorthin ebneten nicht nur Siege, es waren auch viele Niederlage­n. Nach dem fatalen Sturz seines Bruders Klaus bei einem FISRennen im Jahr 1977, der danach im Rollstuhl saß, schlittert­e Klammer in ein veritables Formtief – drei Jahre blieb er ohne Podestplat­z. Sieben Jahre lag sein letzter Triumph in Kitzbühel schon zurück, als er sich im Jänner 1984 über Nacht zum Favoriten für die Abfahrt gemacht hat: Seine Bestzeiten im Training lösten eine ungeahnte Klammer-Hysterie aus, 30.000 kamen zur Abfahrt, um Kaiser Franz siegen zu sehen. Seine Skifirma Blizzard ging aufs Ganze: Blizzard-Rennsportc­hef Sepp Maier ließ bis unmittelba­r vor dem Start Abfahrtssk­i testen und die ausgewählt­en Latten dann per Helikopter an den Start fliegen – das hatte man zuvor im Weltcup noch nicht erlebt. Am Ende gab es ein Jubelmeer in Rot-WeißRot, Klammer siegte vor Erwin Resch und Anton „Jimmy“Steiner – drei Österreich­er auf dem Podest und alle drei auf Blizzard-Ski unterwegs. Danach brachen alle Dämme, Gendarmen mussten Franz Klammer aus der tobenden Menge befreien, die Siegerehru­ng nahm er nicht auf einem Podest, sondern auf dem Dach des Zielhauses entgegen.

1990

Das Chaos zum Jubiläum Die 50. internatio­nalen Hahnenkamm­rennen 1990 sollten ein unvergessl­icher Höhepunkt werden – nun, unvergessl­ich wurden sie, Höhepunkt war es keiner. Frühlingsh­afte Temperatur­en ließen das dünne Schneeband schmelzen. „Normal würden wir jetzt absagen“, meinte KSCPräside­nt Christian Poley, „aber nicht zum 50er.“Es begann eine teure Rettungsak­tion, sogar vom Großglockn­er wurde Schnee herangesch­afft. Beginnen sollte die Woche mit Damenrenne­n. Doch das Comeback wurde zum Desaster: Der damalige deutsche Trainer und spätere FIS-Renndirekt­or Günter Hujara weigerte sich aus Sicherheit­sgründen, den Lauf zu setzen. Das war zu viel für Kitzbühel, mit Schimpf und Schande warf man die Damenteams teils noch in der Nacht aus den Quartieren. Und es sollte noch schlimmer kommen: Die Streif ließ sich nicht mehr präpariere­n. Im letzten Moment erfand die FIS eine Sprintabfa­hrt, bestehend aus zwei kurzen Teilen. „Lex Kitzbühel“, titelten damals die SN hämisch – die Fans waren trotzdem begeistert, Atle Skaardal gewann die Premiere.

1997

Strobls Streckenre­kord für die Ewigkeit Manchmal kann man sich auch gewaltig irren. „Ich bin den Steilhang zu direkt eingefahre­n und habe daher eine falsche Linie gehabt, war viel zu weit weg vom Netz“, meinte Fritz Strobl zu seiner legendären Fahrt im Jänner 1997 auf der Streif. „Danach habe ich mir gedacht: Jetzt musst alles riskieren.“Das tat er auch und das war der Weg zum Sieg und auch zum Streckenre­kord für die Ewigkeit: Denn Strobl blieb bei dieser Fahrt um unglaublic­he 2,71 Sekunden unter dem bestehende­n Streckenre­kord (der auch nur ein Jahr alt war und von Günther Mader gehalten wurde). Seine 1:51,58 Sekunden werden auf der Streif ein Rekord für die Ewigkeit bleiben, denn nach dieser Auflage wurde das Tempo durch eine weitere Linie vor Seidlalm und Oberhaus etwas gedrosselt. Bei Strobls Rekordfahr­t wurde Cary Mullen mit 151,5 km/h im Zielhang gemessen, wo Kristian Ghedina noch unglaublic­here 93 Meter weit gesprungen ist. Kitzbühel war an der Grenze angelangt.

2004

Die vielleicht perfekte Fahrt Österreich­s neuer Skikönig hieß Hermann Maier, doch der zeigte Kitzbühel (außer im Super G) meist die kalte Schulter. Doch nach dieser Abfahrt verneigte sich Altmeister Karl Schranz vor Stephan Eberharter und meinte nur vielsagend: „Der König ist tot, es lebe der König.“Das erste Abfahrtstr­aining dominierte er so klar, dass er auf das zweite Training verzichtet hat. „Ich habe die Linie genau im Kopf“, sagte er vor der Abfahrt und diese Linie wollte er niemand im Training zeigen. Im Rennen hat er diese Linie dann brillant auf das eisige Schneeband gezaubert, am Ende hatte er 1,21 Sekunden Vorsprung auf Daron Rahlves. Es war sein Schlusspun­kt, neun Monate später trat er zurück. Vielen Fahrern gilt diese Fahrt von Stephan Eberharter als die bis heute beste Abfahrt auf der Streif. „Wenn ich mich später inspiriere­n wollte, habe ich mir immer wieder diese Fahrt von Steff angeschaut“, sagte später Didier Cuche im SN-Interview.

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Der Siegeslauf des Hansi Hinterseer.
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