Die Welt is(s)t ein Loaberl
Wie es brutal gehacktem Fleisch gelang, die ganze Welt zu verzaubern.
Das Faschierte gilt unter Köchen und Genießern als bescheidene Zutat. Den Burger aber liebt jeder. Faschierte Laibchen sowieso. Und erst recht Ćevapčići, Chili con Carne, Suzuki und Polpette. Der Duft von Köfte und von den arabischen Fleischbällchen namens Daoud Basha kann einen schier wahnsinnig machen. Dann wären da noch israelisches Hamshuka und thailändisches Yam Woon. Es ist gut möglich, dass der kleinste gemeinsame Nenner der Menschheit Fleischloaberl sind. Und trotz der weltweit fast schon hysterischen Verehrung dieses außen knusprigen und innen fluffigen Loaberls ruft niemand laut hinaus: „Es lebe das Faschierte!“
Dabei hat es dieses sogar in rohem Zustand als Dauerbrenner auf die Speisekarten gehobener Restaurants geschafft: Als Beef Tatar, verfeinert mit rohem Ei und Kapern, ist es ein himmlischer Genuss. Dabei ist die Zubereitung von Faschiertem von grenzenloser Brutalität geprägt. Da wird Fleisch – es sollte möglichst frei von Sehnen sein – auf eine Arbeitsplatte gelegt und mit einem Messer gehackt, geschabt, zermalmt und zerfetzt. Heute wird dieses blutrünstige Werk zumeist diskret vom Fleischwolf erledigt. Mehr Zeit sollen sich der Legende nach die Tataren gelassen haben. Es heißt, dieses Reitervolk hätte Fleischteile unter ihre Sättel gelegt und so lange auf dem Rücken ihrer Pferde weich geritten, bis sie mürbe und genießbar waren. Die Geschichte ist gut – dürfte aber erfunden worden sein. Unbestritten ist dagegen: Ertüftelt wurde das Faschierte tatsächlich von den Rinderhirten Asiens. Dieses Faschierte darf man sich nicht so fein vorstellen, wie es heute ist. Man war ganz einfach zum Faschieren gezwungen, weil die Tiere damals erst viel später geschlachtet wurden und deren Fleisch dementsprechend zäh war.
Viel Fantasie bewiesen dabei schon immer die Ungarn. Von ihnen kennen wir heute noch die Hortobagy-Palatschinken. Dabei handelt es sich um gebratenes Faschiertes, das mit Paprika, Knoblauch, Thymian und Rosmarin gewürzt in Palatschinken eingerollt wird. Auf die Palatschinken wird vor dem Servieren noch Obers gegossen. Fertig.
Über den Atlantik hätte es diese Spezialität nicht gebracht. Denn auf den Schiffen gab es keine Kochstellen, wohl aber Bunsenbrenner, mit denen das Faschierte schnell gegart werden konnte. In zwei Brothälften gepackt, ergab das eine unkomplizierte Speise, die später als „Hamburger“von den USA zur Eroberung der Welt antrat. Die Bezeichnung „Hamburger“bezieht sich übrigens nicht auf die Bewohner von Hamburg, sondern nur auf den Hafen, von dem sich die vornehmlich osteuropäischen und russischen Auswanderer mit ihrem Faschiertem auf den Weg machten.
Das Grundrezept ist bei der Zubereitung von Faschierten Braten oder Faschierten Laibchen weltweit fast immer das gleiche. Die Unterschiede liegen in den jeweiligen verwendeten regionalen Gewürzen und landwirtschaftlichen Produkten. Den Geschmack türkischer Köfte verfeinern etwa Paprika und Kreuzkümmel. In italienischen Polpette gibt neben Rinderfaschiertem auch fein gewürfelte Mortadella und kleinst geschnittenes Wurzelgemüse den Ton an.
Der von der Fachpresse als Urknall der österreichischen Küche gefeierte Karl Eschlböck besann sich bei der Zubereitung seiner „Fleischloaberl“übrigens einfach auf die Qualität der Zutaten. Weil wir – wie er meinte – nicht mehr Hunger leiden müssen, können wir statt dem Knödelbrot auch frische, flaumige Semmeln in die faschierte Masse geben. Und statt der Milch Obers.
Trotzdem gereicht auch diese Verfeinerung nicht annähernd an jene heran, die Maria Euphrosina Kumperger 1735 zu Papier brachte: Das ist die „Kälberne Birn“. Man formt einfach Faschiertes um einen „Kern“aus zerkleinerten getrockneten Marillen und Marzipan. Aromatisiert wird das Gemisch mit Marillenschnaps und Portwein. Ein wahrhaft unwiderstehlicher Genuss (Rezept siehe rechts). Warum man faschierte Kalbsbrust so zubereitet, dass sie wie Obst aussieht? Im Spätbarock galt Täuschen und Tarnen als ganz große Kunst. Vor allem in der Fastenzeit. Beim Anblick einer Birne fühlte man sich beim Stillen seiner Fleischeslust gleich besser. Die Leute dürften damals das Gegenteil von Veganern gewesen sein, für die es heute Burger auf der Basis von Erbsenmehl gibt. Da loben wir uns den Falschen Hasen – aber das ist eine andere Geschichte.