von Eva Rossmann
Die müssen was tun, und zwar sofort! Die müssen eine echte ökologische Steuerreform machen. Die müssen Tanktourismus verbieten, die müssen dafür sorgen, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Und die müssen einen CO2-Preis durchsetzen und dass die Industrie ihre Gewinne nicht zulasten unserer Zukunft macht, dass nicht immer mehr Boden versiegelt wird und … und.
Wirklich, müssen sie. Regierung, EU-Gremien, Länder, Gemeinden. Und wir werden Druck machen müssen. Große Akteure sind ziemlich unbeweglich. Das liegt daran, dass man in der Demokratie vieles abstimmen muss. Es liegt aber auch daran, dass die Mächtigen wenig Grund sehen, ihre Komfortzone zu verlassen. Die fünf größten Ölkonzerne haben im letzten Jahrzehnt allein für Lobbying bei den EU-Institutionen 250 Millionen Euro ausgegeben. Da geht’s nicht nur um Überzeugungsgespräche. Geschickt lancierte Halbwahrheiten über Elektroautos, geschürte Empörung über Bahnverspätungen
(wer bitte ärgert sich derart über Staus auf den Autobahnen?), rührende Kampagnen über Hackler und verarmte Pendler, falls man den Treibstoff teurer macht (wie bitte überleben die in Italien?). Weniger Aufregung und der eine oder andere Faktencheck helfen. Trotzdem haben wir keine
Zeit bloß zu fordern und uns zu empören. Die Pläne für Tempo 140 waren kalkulierter Zynismus. Allerdings: Keiner schreibt uns vor, mehr als 110 zu fahren. Eine coole Reisegeschwindigkeit, die viel CO2 spart, noch dazu Nerven und Menschenleben.
Gut, wenn Einwegplastik verboten wird. Nur: Benutzen muss ich es schon jetzt nicht. Man stelle sich vor: Alle Hotels und
Pensionen würden diese grauslichen, noch einmal in Plastik verpackten Zahnputzbecher von sich aus abschaffen und durch Gläser ersetzen. Sternekomfort, Öko-Glück. Wer mag, kann ganz „plastikfrei“leben. Das ist sicher konsequent. Ob es auch klug ist? Meine Mutter hat ein paar Kunststoffdosen, die kenne ich noch aus meiner Kinderzeit. Ist ein halbes Jahrhundert her.
Wird schon so sein, dass ich eine Kompromisslerin bin. Aber ich glaube an gute Alternativen. Fahre ich mit der Bahn nach Deutschland, kann ich schlafen, lesen, arbeiten. Bei Kurzstreckenflügen bin ich beschäftigt: ankommen, anstellen, warten, ein- und auschecken. Wo also habe ich mehr Zeit? Und Verspätungen gibt’s da wie dort. Auch wenn es interessant ist, dass gerade die angeblich so akkuraten Deutschen bei ihrer Bahn außergewöhnlichen Aufholbedarf haben. Kann das mit der dortigen Autoindustrie zusammenhängen?
Anderes Beispiel: Wer kein Industriefleisch,
sondern bloß ab und zu hochwertiges Fleisch aus der Nähe isst, gilt in gewissen Veganercliquen trotzdem als Mörder. Für andere bin ich eine hochnäsige Ökotante, die es sich eben leisten kann. Wenn alle nach ihren Möglichkeiten bewusster konsumierten, wäre viel gewonnen. Und es sind nicht die Ärmsten, die am meisten verbrauchen.
Apropos Ökokonsum: Wie wäre es, wieder einmal shoppen zu gehen, statt im Internet zu bestellen? Wenn wir nach ökologisch und fair erzeugten Produkten fragen, werden die mehr. So funktioniert unsere Wirtschaft.
Ähhhh … wobei – muss sie so funktionieren? Heiliges Wachstum forever? Wir brauchen auch da dringend neue Kriterien, immer mehr von allem ist eigentlich ziemlich dumm. Weltweit. Auf EU-Ebene. In Österreich. Weil wir Einzelne … Doch. Wir können. Uns statt um Lebensquantität um Lebensqualität kümmern.