Gut gegen Winterblues
Besuch in der Portweinstadt Porto
Postkartenkitsch: schöne Frauen und Männer, die mit aufgekrempelten Hosenbeinen und leger geknöpften Hemden heiter Trauben stampfen. So verkaufen sich Porto und das Douro-Tal den Reisenden. In Wahrheit dauert der eintönige Marsch über die frisch eingelangten Trauben gute zwei Stunden, erst danach wird der Marsch zum fröhlichen Spaziergang.
Solches und anderes über die Produktion von Portwein lässt sich bei einer Besichtigung einer der großen Kellereien der portugiesischen Stadt Porto erfahren. Bei Niepoort etwa, einem der wenigen noch in Familienbesitz befindlichen Betriebe. Die meisten Portweinkeller gehören heute Banken und Versicherungen. Genuss als Investitionsobjekt. Susana Ferraz, Exportchefin bei Niepoort, führt Besucher ein in die Welt der Portweine, die in Zeiten von Biodynamie und Naturwein fast antiquiert wirkt. Ein Dinosaurier-Schicksal blüht den Portweinproduzenten indes noch nicht, obwohl die Nachfrage – ähnlich wie bei Sherry – in den Kernmärkten England, Brasilien und Kontinentaleuropa so zurückgegangen ist, dass viele Familien im Douro-Tal mittlerweile Weiß- und Rotweine produzieren, und nicht die schlechtesten.
Auf den Fässern im Portweinkeller stehen die Zahlen längst vergangener Jahre. Darin Tawnys, Rubys, Vintage Ports oder Colheitas. Alles beginnt mit dem Ruby. Er hat zwei Jahre Zeit zum Reifen in sauerstoffdichten Holzfässern. Eine Verkostung entscheidet, was weiter mit ihm passiert. Ist der Portwein bloß okay, wird er vielleicht mit anderen Ports aus anderen Jahrgängen verschnitten. Der Tawny genannte Verschnitt kommt in kleinere Holzfässer, die Pipas, er verändert die Farbe ins Gelblich-Braune, der Geschmack wird nussiger, trockene Feigen und Herbstlaub mischen sich ins Aroma. Tawny ist der Einstiegsport. Ist der Ruby hingegen in Topform, wird aus ihm ein Vintage Port, der edelste und teuerste unter den Portweinen. Der wandert in Flaschen. Frühestens nach zehn bis zwölf Jahren sollte er getrunken werden, und zwar innerhalb von 24 Stunden. Manche Vintage Ports sind noch nach 50 oder 100 Jahren ein Erlebnis. Etwas, das Verständnis und Geduld braucht.
In Österreich wird Port, meistens handelt es sich um Tawny oder Colheita, also Jahrgangs-Tawny, der bereits im Fass gereift ist, oft zu warm kredenzt. Warum? Weil die Flasche Port, wenn überhaupt, dann in der Küche steht zum Verfeinern von Saucen. Eigentlich schade drum, denn das Winterland Österreich wäre das ideale Zielgebiet für diese mit Brandy versetzten, fruchtig-frischen Weine aus dem Douro-Tal. Den Mäander dieses Flusses säumen wenige, nicht sehr markante Städtchen, kleine Bahnstationen und alte Weingärten. Eine nicht allzu hohe Gebirgslandschaft dient als Wetterscheide. Am Atlantik ist es im Sommer kühler und im Winter mild, aber auch nebelig. Während im Hinterland kontinentales Klima herrscht, das heißt, drei Monate lang eiskalt und wolkenverhangen, dann neun Monate große Hitze. Port konnte zwar direkt am Weingut produziert werden, für die Lagerung war es hingegen im Tal des Douro zu heiß. Deshalb kamen die Portweine in die großen Lager nach Porto, wo der Wein in Ruhe im Kühlen reifen konnte. Dank moderner Kellertechniken, Isolation und Klimatisierung reifen die Portweine mittlerweile auf den Gütern, wo die Moste auch gepresst wurden. Für fast jeden der Douro-Winzer stellt der Port den prestigehaltigen Abschluss eines Menüs dar, wobei diese Menüs meistens auf lokaler Hausmannskost basieren, sprich: Schwein, Geflügel, kaum Fisch, dafür viel Gemüse und vor allem Reis. Port wird gern zum Käse getrunken. Nicht zuletzt finden sich in Portugal viele spannende kleine Käsemanufakturen. Auf Quinta de Vale Maria erzählt Francisco Van Zeller, wie man im Douro Portwein kategorisiert: „Crafted by Hand ist der Tawny, Crafted by Time ist der Colheite, Crafted by Nature ist der Vintage Port.“Wer zur Lesezeit dort auftaucht, darf im Keller den gerade im Fertigwerden begriffenen Wein kosten, einen Tag, nachdem er mit Brandy fusioniert wurde. Ein unvergessliches Erlebnis aus Frucht, Süße, Kühle und Frische. Nicht jedes Jahr ist ein Vintage-Jahr. Und selbst in guten Jahren gilt: Nur zehn Prozent einer Ernte dieses Jahres werden zum Vintage Port. Worauf es heute ankommt, ist weniger Süße, mehr Frische. Dirk van der Niepoort war unter den ersten Winzern des Douro, die ein Plädoyer gegen überreife Trauben und ein Zuviel an Zucker hielten. Der neue Stil ist mittlerweile bei den guten Portweinwinzern angekommen, der jüngste Trend sind Vintage Ports aus einzelnen Lagen. Im Winter, wenn auf den mondänen Weingütern des Douro-Tals Ruhe herrscht, ist Porto selbst der beste Ort, um Portwein zu kosten. Hier boomt der Tourismus. Im quirligen Zentrum der Stadt, welches das stets belebte und mit pittoresker Restaurantarchitektur veredelte Flussufer einschließt, lässt sich gut von Weinbar zu Weinbar spazieren. Neben den Weinen aus der Umgebung, dem Douro oder auch Bairrada, ist in der kühlen Jahreszeit vor allem Portwein im Glas. Auf die Frage, ob Portwein im Jahr 2019 noch angesagt ist, erntet man dort fragende Blicke und eine Gegenfrage: „Welcher Port darf es denn sein?“