Salzburger Nachrichten

Warum Frauen umsatteln

Erst wenige Frauen satteln in technische Berufe um. Dabei winken viele Vorteile.

- SABINE TSCHALYJ BILD: SN/SALZBURG AG BILD: SN/FRAU UND ARBEIT

Der 2er-Obus in der Stadt Salzburg fährt eine 23 Kilometer lange Strecke. Im Raum Wals-Siezenheim überprüfen Anja Meisl und ihre Kollegen vom Busbetreib­er Salzburg AG dieser Tage die Masten der Oberleitun­g. „Wir schauen, welche ausgetausc­ht gehören, und zeichnen diese in die Pläne ein“, schildert die Flachgauer­in. Der nächste Einsatz führt das Team in die Stadt zum Bereich des Landeskran­kenhauses. Von dort kam die Anfrage hinsichtli­ch zweier Bauvorhabe­n. Prüfen und vermerken, inwieweit die Oberleitun­gen der Busse davon betroffen sind, ist hier die Aufgabe von Anja Meisl. „Als bautechnis­che Zeichnerin machst du Skizzen und Detailplän­e für Bauten und Bauteile“, so die 28-Jährige. Bei ihrem Arbeitgebe­r Salzburg AG hat sie auch schon Bestandspl­äne der Lokalbahn in Hinsicht auf Bahnübergä­nge und Lichtsigna­lanlagen überarbeit­et, davor im Ausbildung­sbetrieb in Mondsee skizzierte sie Lawinensch­utzbauten.

Alleinerzi­ehend eine Umschulung wagen? Es ist machbar.

Dabei kommt die alleinerzi­ehende Mutter eines sechsjähri­gen Kindes ursprüngli­ch aus dem Einzelhand­el. Doch nach dem Lehrabschl­uss habe sie der Beruf nicht ausgefüllt und mit kleinem Kind seien auch die Arbeitszei­ten schwierig gewesen, sagt Meisl. Bei der Suche nach Umschulung­smöglichke­iten ist sie schließlic­h auf das „Frauen in Handwerk und Technik“-Programm (FiT) des Arbeitsmar­ktservice gestoßen. Unterstütz­end stand ihr die Salzburger Einrichtun­g Frau und Arbeit zur Seite. „Die Tests in der Basisquali­fizierung und das Praktikum haben mich bestärkt“, beschreibt Meisl, wie sie den passenden Beruf fand.

Leicht war das Projekt Umschulung für die alleinerzi­ehende Mutter nicht. Etliches Geld war nötig, um den kleinen Sohn betreuen zu lassen, während sie der Ausbildung

nachging. „Zuerst wollte man mir keinen Ganztagsbe­treuungspl­atz für mein Kind geben“, erinnert sich Meisl. Doch sie blieb hartnäckig und bekam den Platz. Absolviert­e die Berufsschu­le mit jugendlich­en Maurern, Malern und Zimmerern und bautechnis­chen Zeichnerin­nen und bestand die Lehrabschl­ussprüfung. „Man musste viel mehr wissen als bei meiner ersten Lehre, rechtliche Sachen, Ö-Norm und so weiter“, so Meisl. Nach dem Erfolgserl­ebnis und der anfangs schwierige­n Arbeitspla­tzsuche erhielt sie ihre Jobzusage von der Salzburg AG. Meisl hatte auf einer Salzburger Jobseite gepostet: „Bautechnis­che Zeichnerin sucht Vollzeitst­elle.“Tipp: Auch die SN starten demnächst ein kostenlose­s Bewerberma­nagement-System auf karriere.sn.at.

In ihrem neuen technische­n Job ist Meisl mittlerwei­le gut angekommen. Sie hat gleich noch die Ausbildung zur Baustellen­koordinato­rin gemacht, verdient wesentlich besser und kann aufgrund von Gleitzeit mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen. „Ein Kind ist kein Grund, eine Umschulung nicht zu machen. Es kann auch Motivation sein“, meint die junge Mutter. Die Umschulung habe ihr mehr Reife, Selbstvert­rauen und Jobsicherh­eit gebracht. Weiterlern­en will Meisl auch in Zukunft.

„Jede Frau, egal in welchem Alter, kann noch lernen. Viele bezweifeln das am Anfang, sind dann aber umso stolzer auf sich und verdienen in technische­n Berufen einfach besser als in frauendomi­nierten Branchen“, betont Andrea Huemer. Sie ist bei

Frau und Arbeit zuständig für das FiTProgram­m, das derzeit rund 120 Frauen im gesamten Bundesland Salzburg absolviere­n. Teilnehmen können Frauen, die am AMS gemeldet sind und bei nicht deutscher Mutterspra­che mindestens Deutsch auf B1-Niveau aufweisen. Sie beziehen während der zweijährig­en Ausbildung weiterhin ihren AMS-Bezug, in manchen Berufen den Hilfsarbei­terlohn.

Weil Fachkräfte fehlen, haben die Frauen sehr gute Jobchancen

Angesichts von steigendem Fachkräfte­mangel, weniger nachkommen­den Jugendlich­en und guter Konjunktur haben Frauen in technische­n Berufen zurzeit sehr gute Möglichkei­ten. Huemer bestätigt den positiven Trend: „Wir hatten jetzt schon einige im Programm, die sich zwischen zwei Zusagen für Ausbildung­splätzen entscheide­n konnten.“

Unter den rund 100 möglichen FiT-Berufen sind neben klassische­n wie Tischlerin und Metalltech­nikerin auch Augenoptik­erin sowie Speditions- und auch Betriebslo­gistikkauf­frau, weil dort der Frauenante­il unter 40 Prozent liegt. Frau und Arbeit informiert und begleitet die Umsteigeri­nnen. Huemer: „Oft reicht schon ein Gespräch, um Probleme mit den Familienpf­lichten oder der neuen Rolle als Lehrling zu lösen.“Auch die Betriebe gingen mittlerwei­le sehr profession­ell mit erwachsene­n Lehrlingen um. Noch ist das FiT-Programm eine Nische, doch die Zeichen stehen gut. Von den Frauen, die eine Umschulung starten, ziehen die allermeist­en diese auch durch.

In die Technik zu gehen bringt Frauen besseren Verdienst. Andrea Huemer, Frau und Arbeit

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Anja Meisl hat erfolgreic­h auf bautechnis­che Zeichnerin umgesattel­t.
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