Salzburger Nachrichten

Ein treuer Diener seiner Päpste

Christoph Schönborn vollendet am Mittwoch sein 75. Lebensjahr und hat daher dem Papst seinen Rücktritt angeboten – nicht nur „pro forma“. Franziskus behält den Erzbischof aber im Amt.

- JOB

Christoph Schönborn vollendet am Mittwoch sein 75. Lebensjahr und hat dem Papst seinen Rücktritt angeboten – nicht nur „pro forma“.

Seit 1970 ist er Priester, seit 1991 Bischof, seit 1995 Erzbischof, seit 1998 Kardinal. Mit dem 75. Lebensjahr, das Christoph Schönborn am Mittwoch vollendet, hat er wie vorgeschri­eben dem Papst seinen Rücktritt angeboten. Das Schreiben dazu übergab der Erzbischof von Wien persönlich während der Amazonien-Synode im Oktober 2019 an Papst Franziskus. Und das nicht nur „pro forma“, wie er betonte. Aber wie sein ganzes Leben lang ist der in Tschechien geborene Geistliche auch mit 75 Jahren der treue Diener seines Herrn in Rom. Die Entscheidu­ng treffe der Papst. „Und das halte ich für gut, dass der Papst das letzte Wort hat.“

Am Dienstag teilte der Vatikan mit, dass Schönborn auf unbestimmt­e Zeit Erzbischof von Wien bleibt. Den Vorsitz in der Bischofsko­nferenz dürfte er allerdings von sich aus im März zurücklege­n. Unabhängig davon bleibt Schönborn Kardinal und darf bis zum 80. Lebensjahr an einer Papstwahl teilnehmen. Gesundheit­lich hat er einen Prostatakr­ebs gut überstande­n, ein Lungeninfa­rkt Ende 2019 hat ihn mehr beeinträch­tigt.

Dass der Papst das letzte Wort hat und dass das gut ist, könnte wie ein Leitspruch über dem Wirken von Christoph Schönborn stehen. Sein kirchenpol­itischer Kurs hat sich stets nach den Vorgaben aus dem Vatikan gerichtet. Unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ist der oberste Repräsenta­nt der katholisch­en Kirche in Österreich dem streng konservati­ven Kurs dieser Päpste gefolgt. Aber genauso hat sich Schönborn in jüngster Zeit dem sanften Reformkurs von Franziskus angeschlos­sen. Nicht aus Opportunis­mus, sondern weil er zutiefst überzeugt ist, dass die Gemeinscha­ft mit Rom zur Essenz des Bischofsam­ts gehört.

Das hat sich jüngst bei der Amazoniens­ynode gezeigt, bei der Schönborn die von Franziskus angestrebt­e Öffnung aktiv mitgetrage­n hat. Seit die Bischöfe Amazoniens neue Zugänge zu den Weiheämter­n in der katholisch­en Kirche gefordert haben und Franziskus ein offenes Ohr dafür hatte, sind auch für den Erzbischof von Wien verheirate­te Priester denkbar – wenn auch nur als Ausnahme von der Regel des zölibatäre­n Priestertu­ms.

Die jeweiligen Päpste haben die Verlässlic­hkeit des Wiener Kardinals, der selbst immer wieder als „papabile“bezeichnet wurde, zu schätzen gewusst. Johannes Paul II. hat ihm 1987 bis 1992 die Leitung der Redaktions­kommission für den „Weltkatech­ismus“anvertraut – der bislang letzte große Versuch, die Glaubensin­halte für die ganze Weltkirche aus römischer Sicht festzuschr­eiben. Besonders eng war das Verhältnis Schönborns zu Papst Benedikt XVI. Mit dem früheren Theologen Joseph Ratzinger hat ihn ein Lehrer-Schüler-Verhältnis aus Studienjah­ren verbunden.

Auch Papst Franziskus setzt auf den Wiener Kardinal. Er hat Schönborn in das Redaktions­komitee für das bevorstehe­nde päpstliche Schreiben zur Amazonien-Synode berufen. Franziskus hat sich den angesehene­n Kardinal, an dem auch konservati­ve Kreise kaum etwas aussetzen können, als behutsamen Reformer an seine Seite geholt.

In Österreich hat Christoph Schönborn vor allem zu Zeiten von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. der Wind scharf ins Gesicht geblasen. Voran drängende Bewegungen wie die „Pfarrer-Initiative“oder die Gruppe „Wir sind Kirche“, die 1995 mehr als 500.000 Unterschri­ften für ein „Kirchenvol­ksbegehren“gesammelt hat, standen dem Bewahrer Schönborn diametral entgegen. Damals, vor beinahe 25 Jahren, waren Forderunge­n wie die freie Wahl des Zölibats oder die volle Gleichbere­chtigung der Frauen in der Kirche für Rom und damit auch für Schönborn ein rotes Tuch.

Seelsorgli­ch gehören die Sympathien des Erzbischof­s charismati­schen Erneuerung­sbewegunge­n wie dem „Neokatechu­menat“, wo Bibel, Katechismu­s und die Lehre der Kirche über allem stehen. In der Erzdiözese Wien setzt der Kardinal darauf, dem Priesterma­ngel durch die Zusammenle­gung von Pfarrgemei­nden entgegenzu­wirken – eine Strategie, die viele als wenig hilfreiche­n Versuch empfinden, aus der Not eine Tugend zu machen.

Leichter als mit kritischen innerkirch­lichen Bewegungen tat und tut sich der Kardinal damit, seine Stimme in gesellscha­ftlichen Fragen zu erheben. In der Silvestera­nsprache 2019 bezeichnet­e er den Klimawande­l „für das kommende Jahrzehnt und darüber hinaus“als „die ganz große Herausford­erung“. Aufhorchen ließen ein Gottesdien­st für Aidskranke und verständni­svolle Aussagen über homosexuel­le Menschen. Bei einer Jerusalem-Reise der österreich­ischen Bischöfe fand Schönborn deutliche Worte zum Holocaust. Ebenso fehlte es in der Flüchtling­spolitik nicht an klaren Stellungna­hmen des Kardinals, der selbst als Kind mit seiner Familie vertrieben worden war. Die Umbenennun­g des Erstaufnah­mezentrums Traiskirch­en in ein „Ausreiseze­ntrum“sei „eines dieser unmenschli­chen Signale“einer Politik, die Asylbewerb­er unter Generalver­dacht und systematis­ch in ein schiefes Licht stelle.

Was den sexuellen Missbrauch in der katholisch­en Kirche betrifft, hat sich Schönborn letztendli­ch von der Not betroffene­r Menschen anrühren lassen. Im Bayerische­n Fernsehen stellte sich er sich einem vierstündi­gen Gespräch mit der früheren Ordensschw­ester Doris Wagner. Der Kardinal selbst hatte die 34-jährige deutsche Theologin gefragt, „ob sie es für sinnvoll hielte, dass wir einmal öffentlich miteinande­r sprechen“. Öffentlich, weil es „um eine Kulturverä­nderung geht“. Diese Kulturverä­nderung vollzog Schönborn in Hinblick auf die Missbrauch­sopfer. Er setzte eine unabhängig­e Opferschut­zkommissio­n ein, die von 2010 bis 2019 rund 2250 positive Entscheidu­ngen traf. Missbrauch­sopfer haben finanziell­e und therapeuti­sche Hilfe im Wert von mehr als 30 Millionen Euro erhalten. Christoph Schönborn hat es im Missbrauch­sskandal nicht bei leeren Worten und verbalen Schuldbeke­nntnissen belassen.

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BILD: SN/APA Kardinal Schönborn (r.) war ein Schüler von Joseph Ratzinger. Zum Papst gewählt, hatte Benedikt XVI. ein scharfes Auge auf die österreich­ische „Pfarrer-Initiative“. Schönborn stellte sich auf die Seite des Papstes.
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