Salzburger Nachrichten

Der Geschichte des Holocaust ins Gesicht sehen

Nahaufnahm­en von Holocaust-Überlebend­en bezeugen eine Zeit der Entmenschl­ichung. Sie drängen uns zum Hinsehen.

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Falten zieren ihre Haut. Die Lippen sind rot angemalt, ihr Blick ist hellwach. Frontal, nah ist das Gesicht der Frau in den Fokus gerückt, während der Hintergrun­d verschwimm­t. Hannah Goslar Pick ist gezeichnet vom Leben. Einem Leben, das auch aus unbeschrei­blichem Schrecken bestand. Was Worte kaum fassen können, bildet der Fotograf Martin Schoeller auf eindringli­che Weise ab: Er hat 75 Holocaust-Überlebend­e porträtier­t.

Anlässlich des 75. Gedenktags an die Befreiung des Konzentrat­ionsund Vernichtun­gslagers AuschwitzB­irkenau sind die Bilder dieser Gesichter

in der Zeche Zollverein in Essen zu sehen. Die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat die Ausstellun­g am Dienstag mit folgenden Worten eröffnet: „So ist jedes Porträt hier eine Mahnung an uns, für Menschlich­keit einzutrete­n, eine Mahnung, im Alltag eben nicht zu schweigen und wegzuschau­en, wenn jemand angegriffe­n, gedemütigt und in seiner Würde verletzt wird.“Das Projekt ist eine Kooperatio­n der Holocaust-Gedenkstät­te Yad Vashem in Jerusalem mit deren deutschem Freundeskr­eis sowie der Bonner Stiftung für Kunst und Kultur.

„Es ist unsere Pflicht, im Namen der Männer, Frauen und Kinder, die ermordet wurden, unsere Geschichte­n immer wieder zu erzählen“, sagt der Überlebend­e Naftali Fürst. Auch er ließ sich von Martin Schoeller porträtier­en. Dieser ist in Deutschlan­d geboren, lebt aber in New York. Er fragt: „Wie konnten Menschen aus meinem Land solche unfassbare­n Verbrechen begehen?“Umso wichtiger sei es, die Schicksale der Zeitzeugen in den Blick zu nehmen. Viele von ihnen sind nicht mehr unter uns. 192.000 Personen, die als Überlebend­e des Holocaust gelten, leben derzeit in Israel. Der Großteil ist über 85 Jahre alt. Deshalb sei es wichtig, dass junge Besucher kämen, sagt Walter Smerling, Vorsitzend­er der Stiftung für Kunst und Kultur. „Die Überlebend­en lehren uns, achtsam zu bleiben.“Die Nahaufnahm­en der Gesichert bezeugen eine Zeit der Entmenschl­ichung, doch in ihnen wird tiefes menschlich­es Erfahren sichtbar. Ausstellun­g: „Survivors – Faces of Life after the Holocaust“, Zeche Zollverein, Essen, bis 26. April.

Mehr Wissen mit SN Plus Weitere Porträts von Überlebend­en sowie nähere Informatio­nen zum Holocaustg­edenkjahr finden Sie online unter www.SN.at/kultur

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Überlebend­e Hannah Goslar Pick.

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