Kriegsanklage als packender Opernthriller
So „einfach“geht packendes Musiktheater, mit so schlichten Mitteln gelingt eine herausragende Aufführung. Benjamin Brittens zweiaktige, 1971 für die BBC produzierte und 1973 an Covent Garden in London uraufgeführte Oper „Owen Wingrave“hat einen wirkungsvollen Plot: Der junge Owen weigert sich, seine Ausbildung zum Militär zu machen, weil er jeglichen Krieg verabscheut. Das aber stößt bei seiner Familie, die seit Generationen Soldaten hervorgebracht hat, auf erbittertes Unverständnis. Der Weg in die Katastrophe, im Leben wie in der Liebe, ist unaufhaltsam – auch wenn für das letale Ende noch eine etwas metaphysische Spukgeschichten-Ebene eingezogen wird. Der glühende Pazifist Britten aber legt in die Geschichte die insistierende Kraft bewegender Bekenntnismusik.
Das Kammerorchester der Universität Mozarteum, das die Studioproduktion der Opernabteilung famos stützt und trägt, spielt unter der Leitung von Gernot Sahler wie auf der Stuhlkante: brillant in jederzeit transparenter Klangfülle und phänomenalen, vor allem bläserischen Details, hellwach in der Reaktion und Korrespondenz zwischen Graben und Bühne, leidenschaftlich und präsent.
Effektvoll und effektiv zugleich ist auch die passgenaue, hochpräzise gearbeitete Inszenierung von Alexander von Pfeil: ohne deutenden Überdruck, immer klar an der Erzählung der Geschichte orientiert, in einem einfachen, von schwarzen Wänden ausweglos eingefassten Raum (Yvonne Schäfer). So bleibt man als Zuhörer und Zuschauer 100 pausenlose Minuten gebannt, quasi selbst gefangen in diesem Gefängnis der unausgelebten, unterdrückten Gefühle, in die Brittens Musik gnadenlos, aber in jedem Moment mit liebender Schärfe leuchtet.
Gewiss könnte man sich etwa bei Taesung Kim in der Titelrolle der Premierenbesetzung von Montag noch größere stimmliche Flexibilität wünschen (und von allen im neunköpfigen Ensemble bessere sprachliche Artikulation), aber das Material, das der Sänger vorführt, ist imposant. Wie überhaupt jede Rolle spezifisch besetzt und gearbeitet ist: mit Xiaofei Liu und Veronika Loy als dem um Verständnis werbenden Ausbildner-Ehepaar, mit den unerbittlichen Wingraves (Yu Hsuan Cheng und Julia Heiler), mit Mutter Julian (Chelsea Kolic) und Tochter Kate (Vera Bitter), die sich durch die Beziehung zu Owen gesellschaftlichen Aufstieg erhoffen, mit dem Kommilitonen Lechmere (Johannes Hubmer) und dem Spuk-Erzähler (Richard Glöckner). Das gemeinsame Wollen macht einzelne Unterschiede bestens wett.