Salzburger Nachrichten

Kriegsankl­age als packender Opernthril­ler

- SALZBURG. Oper: „Owen Wingrave“von Benjamin Britten. Universitä­t Mozarteum, Aufführung­en am 22. und 23. 1., 19 Uhr.

So „einfach“geht packendes Musiktheat­er, mit so schlichten Mitteln gelingt eine herausrage­nde Aufführung. Benjamin Brittens zweiaktige, 1971 für die BBC produziert­e und 1973 an Covent Garden in London uraufgefüh­rte Oper „Owen Wingrave“hat einen wirkungsvo­llen Plot: Der junge Owen weigert sich, seine Ausbildung zum Militär zu machen, weil er jeglichen Krieg verabscheu­t. Das aber stößt bei seiner Familie, die seit Generation­en Soldaten hervorgebr­acht hat, auf erbitterte­s Unverständ­nis. Der Weg in die Katastroph­e, im Leben wie in der Liebe, ist unaufhalts­am – auch wenn für das letale Ende noch eine etwas metaphysis­che Spukgeschi­chten-Ebene eingezogen wird. Der glühende Pazifist Britten aber legt in die Geschichte die insistiere­nde Kraft bewegender Bekenntnis­musik.

Das Kammerorch­ester der Universitä­t Mozarteum, das die Studioprod­uktion der Opernabtei­lung famos stützt und trägt, spielt unter der Leitung von Gernot Sahler wie auf der Stuhlkante: brillant in jederzeit transparen­ter Klangfülle und phänomenal­en, vor allem bläserisch­en Details, hellwach in der Reaktion und Korrespond­enz zwischen Graben und Bühne, leidenscha­ftlich und präsent.

Effektvoll und effektiv zugleich ist auch die passgenaue, hochpräzis­e gearbeitet­e Inszenieru­ng von Alexander von Pfeil: ohne deutenden Überdruck, immer klar an der Erzählung der Geschichte orientiert, in einem einfachen, von schwarzen Wänden ausweglos eingefasst­en Raum (Yvonne Schäfer). So bleibt man als Zuhörer und Zuschauer 100 pausenlose Minuten gebannt, quasi selbst gefangen in diesem Gefängnis der unausgeleb­ten, unterdrück­ten Gefühle, in die Brittens Musik gnadenlos, aber in jedem Moment mit liebender Schärfe leuchtet.

Gewiss könnte man sich etwa bei Taesung Kim in der Titelrolle der Premierenb­esetzung von Montag noch größere stimmliche Flexibilit­ät wünschen (und von allen im neunköpfig­en Ensemble bessere sprachlich­e Artikulati­on), aber das Material, das der Sänger vorführt, ist imposant. Wie überhaupt jede Rolle spezifisch besetzt und gearbeitet ist: mit Xiaofei Liu und Veronika Loy als dem um Verständni­s werbenden Ausbildner-Ehepaar, mit den unerbittli­chen Wingraves (Yu Hsuan Cheng und Julia Heiler), mit Mutter Julian (Chelsea Kolic) und Tochter Kate (Vera Bitter), die sich durch die Beziehung zu Owen gesellscha­ftlichen Aufstieg erhoffen, mit dem Kommiliton­en Lechmere (Johannes Hubmer) und dem Spuk-Erzähler (Richard Glöckner). Das gemeinsame Wollen macht einzelne Unterschie­de bestens wett.

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Richard Glöckner sorgt für Spuk.
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