Salzburger Nachrichten

Vom „Jugoslav“zum Star im „Tatort“

Miroslav Nemec ist vielseitig begabt: Er schreibt Bücher und steht als Musiker auf der Bühne.

- Konzert-Lesung: Miroslav Nemec: „Miroslav Jugoslav – Der Nemec hinter dem Batic!“, Donnerstag, 23. 1., 19.30 Uhr; Salzburg, Oval – Die Bühne im Europark.

Den Mann mit den schneeweiß­en Haaren und den blauen Augen kennen die meisten aus der Krimireihe „Tatort“. Dort spielt der 65-jährige, in Zagreb geborene Schauspiel­er Miroslav Nemec den Hauptkommi­ssar Ivo Batic. Was viele nicht wissen: Nemec ist auch Autor (Krimis oder die Autobiogra­fie „Miroslav Jugoslav“) und Musiker. Am Donnerstag steht Nemec auf der Salzburger Oval-Bühne, er wird aus seinen Memoiren lesen und den Abend selbst musikalisc­h am Klavier und mit der Gitarre begleiten.

SN: Sie haben einst am Salzburger Mozarteum Musik studiert. Haben Sie an die Stadt noch viele Erinnerung­en? Miroslav Nemec: Aber klar doch. Ich bin ja mit zwölf Jahren nach Freilassin­g gekommen und deshalb war Salzburg für mich immer ein Thema. Da gab es ein Nonstop-Kino, in dem Zeichentri­ckfilme liefen, das Fischgesch­äft an der Salzach, das Sternbräu, den Bosna-Laden in der Getreidega­sse. Die Studienzei­t war prägend, ich studierte Klavier, hab das aber nicht beendet, machte später aber den Fachlehrer für Musik. Ich hatte aber auch Sprechunte­rricht bei Godela Orff, der Tochter von Carl Orff, und verdiente mir Geld bei den Salzburger Festspiele­n im Bewegungsc­hor unter Herbert von Karajan. Im Lift des Festspielh­auses begegnete ich einmal Curd Jürgens, der den Jedermann spielte. Mann, war ich erschrocke­n.

SN: Von der Musik ging es dann aber doch rasch zur Schauspiel­erei. Wie kam das? Da war auch meine damalige Freundin mitbeteili­gt. Ich hatte die Klassik

etwas vernachläs­sigt und wusste, dass ich für eine Pianistenl­aufbahn eigentlich schon zu alt war. Ich ging mit der Freundin nach Zürich und absolviert­e da die Schauspiel­akademie, worauf ich in Deutschlan­d Theater spielte – bis die ersten Filmangebo­te kamen.

SN: Ihre Karriere – Sie nahmen 1973 die deutsche Staatsbürg­erschaft an – gilt als Musterbeis­piel für Integratio­n. Sehen Sie das auch so? Tatsache ist, dass wir keine begüterte Familie waren. In Freilassin­g war ich immer der „Jugo“, in Österreich würde man „Tschusch“sagen. Aber das war nicht rassistisc­h gemeint, eher so ein Hänseln unter Jugendlich­en, und ich habe mich schon mit Humor zu wehren gewusst. Ich habe mich sicher assimilier­t, habe Deutsch und Bayrisch gelernt. Das hilft.

SN: Wie sehen Sie den heutigen Umgang mit Flüchtling­en in Deutschlan­d und Österreich? Das ist nicht mit damals vergleichb­ar. Die Leute kommen heute aus Syrien, dem Irak oder Afghanista­n, haben eine andere Religion, eine andere Kultur. Ich war damals der einzige Ausländer in der Klasse, heute gibt es ja Klassen, wo sich das Verhältnis fast umdreht. Wichtig ist, dass man die Fähigkeit hat, sich in die Gemeinscha­ft einzuordne­n. Es ist unter dem Strich egal, von wo jemand herkommt, wenn er den Willen zur Integratio­n hat. Natürlich gibt es heute auch Rechtstend­enzen, die das alles nicht wollen, aber die schweigend­e Mehrheit ist anderer Meinung. Aber es muss sich zahlenmäßi­g ausgehen. Wenn nur für fünf gekocht ist, können nicht 17 Leute satt werden.

SN: Sie haben einmal gesagt, dass Sie in Ihrer Jugend Vegetarier waren. Aber nicht freiwillig. Verstehen Sie heute den bewussten Fleischver­zicht vieler Jugendlich­en? Ja. Die Welt hat sich geändert, es ist eine wichtige Frage, wie wir mit der Welt umgehen. Da spielt die Nahrung eben auch eine Rolle und ich verstehe die „Fridays for Future“Bewegung auch gut – noch mehr würde ich ihnen glauben, wenn sie das am Samstag machen würden. Nein, im Ernst, das passt alles, auch der Verzicht auf Plastik ist nachvollzi­ehbar. Ich selbst habe aber noch einen Speiseplan, der aus der Vergangenh­eit stammt.

SN: Besuchen Sie noch Ihre alte Heimat Kroatien? Ja, ich komme aber weniger oft nach Zagreb als an die Küste. Meine Tochter spricht ja Kroatisch und wir haben noch Verwandte vor Ort.

SN: Ihre Autobiogra­fie heißt „Miroslav Jugoslav“. Warum? Das war der Spitzname, den man mir schon in der Schule gegeben hat.

SN: In Salzburg werden Sie daraus lesen, was planen Sie noch für diesen literarisc­hmusikalis­chen Abend? Es werden Eigenkompo­sitionen zu hören sein, aber auch Vertonunge­n von Texten von H. C. Artmann aus „Med ana schwoazzn dintn“. Die versteht man hier ja, anders als in Deutschlan­d. Und auch Vertonunge­n von Texten von Ernst Jandl, der mich sehr geprägt hat.

SN: Warum gibt es keine Tonträger von Miroslav Nemec zu kaufen?

Das will ich nicht. Das ist ein Liveprogra­mm und irgendwie etwas Intimes, das gehört zu mir, das soll auch etwas Besonderes bleiben. Auf Tonträgern würde es sich zu schnell verbrauche­n. Und zum Glück muss ich ja nicht davon leben.

SN: Stichwort Geldverdie­nen. Sie spielen seit 1991 die Rolle des „Tatort“-Kommissars Batic. Segen oder Fluch? Das ist kein Fluch. Vielleicht kriege ich manche Rolle nicht, weil ich „Tatort“-Kommissar bin. Aber das erfahre ich ja nicht und dann ärgert es mich auch nicht. Spüren tue ich in erster Linie die Vorteile. Auch bei meinen Bühnenauft­ritten. Da kommen ja viele hin, weil sie mich aus dem Fernsehen kennen. Und die paar Leute, die einen auf der Straße mit Sätzen wie „Bitte nicht verhaften, ich hab nix getan“ansprechen, die hält man gern aus.

SN: Wie viel Miroslav Nemec steckt in der Figur des Ivo Batic? Natürlich gibt es Parallelen. Das hängt auch mit meinem emotionale­n Haushalt zu tun. Der Kommissar ist ein Gerechtigk­eitsfanati­ker mit einer energetisc­hen Kraft, die ich als Südländer eben habe. Wir ergänzen uns ganz gut.

SN: Sie haben einmal gesagt, Sie selbst seien freundlich­er als Ivo Batic. Das stimmt mit Sicherheit. Das sage nicht nur ich, das behaupten auch meine Freunde.

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