Vom „Jugoslav“zum Star im „Tatort“
Miroslav Nemec ist vielseitig begabt: Er schreibt Bücher und steht als Musiker auf der Bühne.
Den Mann mit den schneeweißen Haaren und den blauen Augen kennen die meisten aus der Krimireihe „Tatort“. Dort spielt der 65-jährige, in Zagreb geborene Schauspieler Miroslav Nemec den Hauptkommissar Ivo Batic. Was viele nicht wissen: Nemec ist auch Autor (Krimis oder die Autobiografie „Miroslav Jugoslav“) und Musiker. Am Donnerstag steht Nemec auf der Salzburger Oval-Bühne, er wird aus seinen Memoiren lesen und den Abend selbst musikalisch am Klavier und mit der Gitarre begleiten.
SN: Sie haben einst am Salzburger Mozarteum Musik studiert. Haben Sie an die Stadt noch viele Erinnerungen? Miroslav Nemec: Aber klar doch. Ich bin ja mit zwölf Jahren nach Freilassing gekommen und deshalb war Salzburg für mich immer ein Thema. Da gab es ein Nonstop-Kino, in dem Zeichentrickfilme liefen, das Fischgeschäft an der Salzach, das Sternbräu, den Bosna-Laden in der Getreidegasse. Die Studienzeit war prägend, ich studierte Klavier, hab das aber nicht beendet, machte später aber den Fachlehrer für Musik. Ich hatte aber auch Sprechunterricht bei Godela Orff, der Tochter von Carl Orff, und verdiente mir Geld bei den Salzburger Festspielen im Bewegungschor unter Herbert von Karajan. Im Lift des Festspielhauses begegnete ich einmal Curd Jürgens, der den Jedermann spielte. Mann, war ich erschrocken.
SN: Von der Musik ging es dann aber doch rasch zur Schauspielerei. Wie kam das? Da war auch meine damalige Freundin mitbeteiligt. Ich hatte die Klassik
etwas vernachlässigt und wusste, dass ich für eine Pianistenlaufbahn eigentlich schon zu alt war. Ich ging mit der Freundin nach Zürich und absolvierte da die Schauspielakademie, worauf ich in Deutschland Theater spielte – bis die ersten Filmangebote kamen.
SN: Ihre Karriere – Sie nahmen 1973 die deutsche Staatsbürgerschaft an – gilt als Musterbeispiel für Integration. Sehen Sie das auch so? Tatsache ist, dass wir keine begüterte Familie waren. In Freilassing war ich immer der „Jugo“, in Österreich würde man „Tschusch“sagen. Aber das war nicht rassistisch gemeint, eher so ein Hänseln unter Jugendlichen, und ich habe mich schon mit Humor zu wehren gewusst. Ich habe mich sicher assimiliert, habe Deutsch und Bayrisch gelernt. Das hilft.
SN: Wie sehen Sie den heutigen Umgang mit Flüchtlingen in Deutschland und Österreich? Das ist nicht mit damals vergleichbar. Die Leute kommen heute aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan, haben eine andere Religion, eine andere Kultur. Ich war damals der einzige Ausländer in der Klasse, heute gibt es ja Klassen, wo sich das Verhältnis fast umdreht. Wichtig ist, dass man die Fähigkeit hat, sich in die Gemeinschaft einzuordnen. Es ist unter dem Strich egal, von wo jemand herkommt, wenn er den Willen zur Integration hat. Natürlich gibt es heute auch Rechtstendenzen, die das alles nicht wollen, aber die schweigende Mehrheit ist anderer Meinung. Aber es muss sich zahlenmäßig ausgehen. Wenn nur für fünf gekocht ist, können nicht 17 Leute satt werden.
SN: Sie haben einmal gesagt, dass Sie in Ihrer Jugend Vegetarier waren. Aber nicht freiwillig. Verstehen Sie heute den bewussten Fleischverzicht vieler Jugendlichen? Ja. Die Welt hat sich geändert, es ist eine wichtige Frage, wie wir mit der Welt umgehen. Da spielt die Nahrung eben auch eine Rolle und ich verstehe die „Fridays for Future“Bewegung auch gut – noch mehr würde ich ihnen glauben, wenn sie das am Samstag machen würden. Nein, im Ernst, das passt alles, auch der Verzicht auf Plastik ist nachvollziehbar. Ich selbst habe aber noch einen Speiseplan, der aus der Vergangenheit stammt.
SN: Besuchen Sie noch Ihre alte Heimat Kroatien? Ja, ich komme aber weniger oft nach Zagreb als an die Küste. Meine Tochter spricht ja Kroatisch und wir haben noch Verwandte vor Ort.
SN: Ihre Autobiografie heißt „Miroslav Jugoslav“. Warum? Das war der Spitzname, den man mir schon in der Schule gegeben hat.
SN: In Salzburg werden Sie daraus lesen, was planen Sie noch für diesen literarischmusikalischen Abend? Es werden Eigenkompositionen zu hören sein, aber auch Vertonungen von Texten von H. C. Artmann aus „Med ana schwoazzn dintn“. Die versteht man hier ja, anders als in Deutschland. Und auch Vertonungen von Texten von Ernst Jandl, der mich sehr geprägt hat.
SN: Warum gibt es keine Tonträger von Miroslav Nemec zu kaufen?
Das will ich nicht. Das ist ein Liveprogramm und irgendwie etwas Intimes, das gehört zu mir, das soll auch etwas Besonderes bleiben. Auf Tonträgern würde es sich zu schnell verbrauchen. Und zum Glück muss ich ja nicht davon leben.
SN: Stichwort Geldverdienen. Sie spielen seit 1991 die Rolle des „Tatort“-Kommissars Batic. Segen oder Fluch? Das ist kein Fluch. Vielleicht kriege ich manche Rolle nicht, weil ich „Tatort“-Kommissar bin. Aber das erfahre ich ja nicht und dann ärgert es mich auch nicht. Spüren tue ich in erster Linie die Vorteile. Auch bei meinen Bühnenauftritten. Da kommen ja viele hin, weil sie mich aus dem Fernsehen kennen. Und die paar Leute, die einen auf der Straße mit Sätzen wie „Bitte nicht verhaften, ich hab nix getan“ansprechen, die hält man gern aus.
SN: Wie viel Miroslav Nemec steckt in der Figur des Ivo Batic? Natürlich gibt es Parallelen. Das hängt auch mit meinem emotionalen Haushalt zu tun. Der Kommissar ist ein Gerechtigkeitsfanatiker mit einer energetischen Kraft, die ich als Südländer eben habe. Wir ergänzen uns ganz gut.
SN: Sie haben einmal gesagt, Sie selbst seien freundlicher als Ivo Batic. Das stimmt mit Sicherheit. Das sage nicht nur ich, das behaupten auch meine Freunde.