Trump vs. Thunberg
Der US-Präsident und die Klimaaktivistin gingen sich in Davos aus dem Weg. Auf jeweils ihre Art prägten sie den Auftakt des Weltwirtschaftsforums.
Dienstagmorgen, 8.30 Uhr: Die 50. Auflage des Weltwirtschaftsforums in Davos hat gerade begonnen, da ist Greta Thunberg schon auf der Bühne. Der Chefredakteur des US-Magazins „Time“spricht die Klimaaktivistin und Erfinderin der Fridays-for-Future-Bewegung als Erste an. Ja, sagt Thunberg, im vergangenen Jahr habe sie viel Aufmerksamkeit bekommen. Fortschritte habe es aber dennoch nicht gegeben. „Die Kohlendioxidemissionen steigen weiter.“
Thunberg macht nicht viele Worte, spricht leise und zurückhaltend. Dann lässt sie den anderen jungen Umweltaktivisten auf dem Podium den Vortritt. Am Vortag hat sie eine Pressekonferenz in Davos wegen Fiebers abgesagt. Sie sieht ein bisschen blass und abgekämpft aus in ihrer grauer Jogginghose und dem rosa Hoodie, vielleicht wäre sie besser im Bett geblieben.
Im fensterlosen Saal des Kongresszentrums findet am ersten Tag traditionell die Veranstaltung statt, die den Ton des gesamten Forums setzt. Diesmal wurden nicht irgendwelche Konzernvorstände hier platziert, sondern die 17-jährige Schülerin aus Schweden. Klaus Schwab, Gründer und Chef des Weltwirtschaftsforums (WEF), scheint zu wissen, was die Stunde geschlagen hat. Kameras schwenken an Kranen über die Köpfe des Auditoriums. Die gut 300 Plätze sind alle besetzt. Einige Stunden nach Thunberg wird US-Präsident Donald Trump in Davos auftreten. Als Regierungschef des mächtigsten Staates der Erde wird er den größten Saal bekommen, der 1500 Leute fasst. Diese beiden Auftritte bilden den Kern des diesjährigen Weltwirtschaftsforums. Thunberg und Trump stehen für zwei diametral verschiedene Richtungen, in die sich die Politik in den kommenden Jahren entwickeln kann. Bei der Podiumsdiskussion will der Moderator von Thunberg wissen, wie sie mit Trollen im Internet umgehe, die sie beschimpften.
Sie schaut irritiert, holt einen Zettel aus der Hosentasche, sagt, sie möchte jetzt zum Punkt kommen, und liest vor: „Im Bericht des Panels der Vereinten Nationen zum Klimawandel von 2018, Kapitel zwei, Seite 108, steht: „Wenn man eine 67-prozentige Chance haben will, den Temperaturanstieg unter 1,5 Prozent zu halten, dürfen weltweit nur noch 420 Gigatonnen Kohlendioxid ausgestoßen werden.“Dieses Budget sei im Jahr 2026 aufgebraucht. Thunberg hat keine Zeit zu verlieren. Smalltalk macht sie ungeduldig. Ihr geht es darum, die Botschaft rüberzubringen. „Wir verlangen“, schrieb sie kürzlich, dass alle Teilnehmer des WEF „unverzüglich und vollständig“ihre Investitionen in fossile Brennstoffe beenden. Diese eindeutige Forderung richtet sich hier in Davos in erster Linie an die Unternehmen.
Nach ihrer Veranstaltung kommt Thunberg zunächst nicht vom Fleck. Alle wollen etwas von ihr. Mikrofone, Gedrängel. Aber sie hat noch ein paar andere Termine, zum Beispiel muss sie gleich Oliver Bäte, den Chef des Versicherers Allianz zum Gespräch treffen. Zwischendurch ist aber erst einmal der USPräsident dran. Die Schlangen der Anstehenden verlagern sich vor die Türen der großen Halle.
Dienstagmittag, 11.50 Uhr: In blauem Anzug und mit roter Krawatte betritt Donald Trump die Bühne. Nach einer kurzen Einleitung durch Schwab beginnt er seine halbstündige Rede von den beiden Telepromptern rechts und links des Pults abzulesen. Es ist eine Lobeshymne auf die eigene Politik, den guten Zustand der US-Ökonomie und eine glorreiche Zukunft. Seine Regierung habe sieben Millionen neue Jobs geschaffen und die Arbeitslosigkeit
auf 3,5 Prozent gesenkt – die sei „so niedrig wie in keiner anderen Präsidentschaft“. „Wir haben zehn Millionen Leute aus der Sozialhilfe herausgeholt“, während seiner Amtszeit seien 12.000 neue Fabriken entstanden, sagt der Präsident. Der Wirtschaftsaufschwung sei „inklusiv“, er komme den Arbeitern, ihren Familien, der Mittelklasse,
den Frauen, den afroamerikanischen und hispanischen Bürgern der USA zugute.
Die Wörter „Erderwärmung“, „Kohlendioxid“und „Klima“kommen in seiner Rede nicht vor. Stattdessen erklärt Trump, dank Fracking seien die USA nun der größte Produzent von Erdöl und Erdgas weltweit. Darin liege die Zukunft, wie auch in „sauberer Kohle“. Die Angst der 1990er-Jahre, das Erdöl könne zu Ende gehen, habe sich zum Glück als falsch erwiesen.
Beim Klima jedenfalls ist das Forum eindeutig weiter als Trump – und näher bei Thunberg. In einem Brief forderte Schwab alle teilnehmenden Firmenchefs auf, für ihre Unternehmen die Verringerung der
Kohlendioxidemissionen auf null bis spätestens 2050 anzupeilen. Der Klimawandel sei „Schlüsselthema“des heurige Forums, sagt Schwab. In einer Studie bemängelt das WEF, dass bisher nur ein paar Hundert globale Unternehmen planmäßig ihren CO2-Ausstoß reduziert hätten.
Dienstag, 13.00 Uhr: Thunberg hält nun eine Rede beim nächsten Panel, „Die Klimaapokalypse vermeiden“. Einer der vier Diskutanten auf dem Podium ist Allianz-Chef Bäte. Thunberg wiederholt ihre Forderung an die Unternehmen, sofort alle Investitionen in fossile Energien zu stoppen. „Sind wir naiv?“, fragt sie und beantwortet die Frage selbst: „Nein, es ist einfach nötig.“
Bäte hat gerade zusammen mit den Vereinten Nationen und ein paar anderen Großinvestoren die „Netto-Null-Allianz“gegründet. Bis 2050 wollen die Unternehmen ihre Kapitalanlagen in Höhe von rund vier Billionen Euro so umstrukturieren, dass sie keinen Kohlendioxidausstoß mehr verursachen.
Damit liegt Bäte ganz weit vorn. Er sucht Mitstreiter. Trotzdem ist 2050 nicht sofort. Warum es nicht schneller gehe, fragt die Moderatorin. Er müsse auch die Interessen seines Unternehmens berücksichtigen, sagt der Allianz-Vorstandschef. Das kann man so verstehen: Wenn er alles sofort auf den Markt schmeißt, ist der Gewinn weg.
„Wir müssen die ewigen Propheten des Untergangs in die Schranken weisen.“
Donald Trump, US-Präsident „Keine Investitionen in fossile Energie. Sind wir naiv? Nein, es ist nötig.“
Greta Thunberg, Fridays for Future