„Grenzen im Kunstmarkt sind aufgelöst“
Persönlich ist der Brexit für Galerist Thaddaeus Ropac ein Schock. Und wie sieht es mit den Perspektiven für den Kunstmarkt aus?
In London hat Thaddaeus Ropac vor knapp drei Jahren eine Galerie eröffnet. Eine ehemalige Bischofsresidenz wurde der dritte Ropac-Standort nach Salzburg und Paris. Die Niederlassung in London machte den 60-Jährigen endgültig zu einem der wichtigsten Global Player auf dem Kunstmarkt. Was aber nun, da sich Großbritannien von Europa losgesagt hat? Wird der KunstHotspot London und damit auch Ropacs Galerie darunter leiden?
SN: Herr Ropac, am Samstag wachen die Mitarbeiter Ihrer Galerie in London nicht mehr innerhalb der EU auf. Wie wird der Kunstmarkt den Austritt Großbritanniens aus der EU spüren? Thaddaeus Ropac: Geopolitische Grenzen hat die Kunstwelt längst hinter sich gelassen. Dass sich das aufgelöst hat, gehört in den vergangenen Jahrzehnten zu den tollen Errungenschaften der Kunst- und wohl auch der Musikwelt. Die Literatur hat es da vielleicht schwerer, weil sie ja doch an eine eigene Landessprache gebunden ist. Aber die Kunst hat keine Grenzen mehr.
Auch der lang bestehende Gegensatz zwischen einer US-orientierten und einer europaorientierten Kunst existiert nicht mehr. Alles ist global. Die Kunstwelt blickt längst in jeden Winkel der Welt von Afrika bis China, ist breit aufgestellt in ihrer Wahrnehmung. Das wird durch politische Vorgänge nicht anders werden.
SN: Was wird für die Arbeit in Ihrer Galerie anders? Wirkt sich der Brexit im alltäglichen Betrieb aus? Leider passiert das, aber eher in kleinem Ausmaß. Wir brauchen zusätzlich Mitarbeiter für den Papierkram, wenn es um den Transport geht. Das wird komplizierter.
SN: Können Sie dafür ein Beispiel nennen? Wenn wir Arbeiten, auch wenn die uns gehören, zwischen unseren Galerien in Salzburg oder Paris und London transportieren, wird es wieder Zollformalitäten geben. Wenn wir bisher am Donnerstag etwas aus Paris in London brauchten, wurde es am Mittwoch weggeschickt und konnte am Freitag wieder zurück in Paris sein. Das wird sich ändern. Bei Kunstwerken muss beim Zoll die Mehrwertsteuer hinterlegt werden oder zumindest eine Garantie dafür erfolgen. Das kann bei teuren Werken schon ins Geld gehen. Große Galerien und Museen werden etwa mit der Ein- und Ausfuhr von Leihgaben weniger Probleme haben und werden auch leichter Mitarbeiter einstellen können. Für kleinere Häuser kann das schwierig sein.
SN: Wie sehen Sie die künftige Position von London, das als Kunst- und Kunstmarktmetropole in den vergangenen Jahren enorm bedeutend gewesen ist? In London gibt es bezogen auf die Kunstszene in jeder Hinsicht eine „Critical Mass“. Es gibt hier viele Künstler und Sammler. Beheimatet sind hier einige der wichtigsten und besten Institutionen und Museen – wie etwa die Tate Modern für die zeitgenössische Kunst. Und es gibt hier auch sehr viele wichtige Kunstkritiker.
Das ist alles so viel und so bedeutend, dass der Brexit das nicht ernsthaft gefährden kann. In der Kunstszene und auf dem Kunstmarkt sehe ich also weniger Probleme. Schwierig wird es sicher in anderen Bereichen – etwa ganz stark in der Forschung. Da wird Großbritannien extrem leiden.
SN: Sie betonen immer wieder, Sie seien ein überzeugter Europäer. Gibt es beim Brexit auch etwas Positives? Gute, schwere Frage. In England sehe ich gar nichts Gutes. Dort sind auch alle Diskussionen nur schmerzhaft. Aber Europa ist gestärkt – nicht ökonomisch, aber ideologisch. In Frankreich – aber auch in Österreich, Portugal oder Spanien – merkt man, dass der Zuspruch zu dieser Idee von Europa stärker wird. Das passiert wohl auch aus Unsicherheit oder Angst rund um den Brexit – aber es passiert.
Vielleicht spüren viele, dass „gemeinsam sein“heißt, dass man gemeinsam auch stark sein kann. In Frankreich erlebe ich dieses Gefühl im Moment besonders stark – und Paris ist ja auch in der Kunstwelt ein Profiteur des Brexit.
SN: Wieso? London dominiert den weltweiten Kunstmarkt, etwa auch durch wichtige und große Auktionen. London hatte in diesem Kunstmarkt bisher einen Anteil am globalen Umsatz von etwa 21 Prozent. Im vergangenen Jahr hat sich das verschoben zugunsten von Paris. Dort lag man zuvor bei 4,4 Prozent und ist jetzt bei 6,8 Prozent, während Londons Anteil auf 16,5 Prozent zurückgegangen ist. Paris, das ist deutlich zu spüren, erlebt eine Renaissance – nicht nur im Kunstbereich.
SN: Sie haben in beiden Städten Galerien. Ja, wir sind gut gerüstet. Der Brexit schmerzt mich aber ganz persönlich. Wenn man wie ich an eine Vision von Europa glaubt, ist es sehr, sehr schwer, so eine Entwicklung miterleben zu müssen.
SN: Wären Sie mit dem Wissen um den Brexit nicht nach London gegangen? Wir waren zur Zeit der Abstimmung mitten im Umbau des Hauses, in dem die Galerie jetzt ist. Das Votum war ein Schock. Ich hatte damit definitiv nicht gerechnet. Aber abgesehen davon, dass wir damals ohnehin schon langfristige Verpflichtungen hatten, wäre an der Wahl für London nichts geändert worden. Es ist wichtig für uns, in London präsent zu sein. Wir stärken damit unsere Position in einem europäischen Kontext. Und es hat sich in den knapp drei Jahren, die es die Galerie dort jetzt gibt, für uns auch alles bestens entwickelt. Wir sind mehr als zufrieden.
SN: Fürchten Sie, dass es schwieriger wird für das Geschäft der Galerie, wenn – wie von Banken oder auch Unternehmern vermutet wird – etwa geldkräftige Sammler ihr Kapital aus Großbritannien abziehen? Sollten das ein paar tun, ist das nicht so bedeutend. Wir wollen in unserer Galerie Ausstellungen zeigen, die Aufmerksamkeit erregen, die Beachtung finden.