Rote Karte für Legionäre?
Nach dem Brexit könnte es für europäische Fußballer schwieriger werden, bei englischen Clubs unterzukommen. In der Premier League fürchtet man um die Attraktivität des Milliardenprodukts.
SALZBURG. Fast 21 Jahre ist es her, dass in der Premier League zuletzt eine rein englische Startelf auf dem Rasen stand. Nach dem 1:4 der legionärsfreien Mannschaft von Aston Villa gegen Coventry am 27. Februar 1999 gab es nie wieder ein Team, das ganz auf Ausländer verzichtete.
Der bevorstehende Brexit hat große Unruhe in der finanzstärksten Fußball-Liga der Welt ausgelöst. Der Erfolg dieses Milliardengeschäfts basiert ganz wesentlich auf den schillernden internationalen Stars, erst recht seit das BosmanUrteil 1995 Ausländerbeschränkungen aushebelte. Von Thierry Henry (Arsenal) über Cristiano Ronaldo (Manchester United) bis zu Virgil van Dijk (FC Liverpool) kamen die Besten meist aus dem europäischen Ausland. 20 von 26 Trägern der Auszeichnung „Player of the Season“waren keine Engländer.
Je internationaler die Premier League wurde, desto lauter kam aber auch stets die Kritik: Die englischen Spieler seien die Verlierer des Booms, die anhaltende Titellosigkeit des Weltmeisters von 1966 erkläre sich aus der Dominanz der Legionäre auf der Insel. „Die vier am wenigsten eingesetzten Ausländer in den Mannschaften sollten durch vielversprechende englische Talente ersetzt werden“, forderte beispielsweise der Geschäftsführer des englischen Fußballverbands FA in der „Times“. Bis zum Brexit hatte die FA wenig in der Hand, um ihr Ziel – mehr Engländer in der englischen Topliga – durchzusetzen. Die Clubbesitzer sind großteils russische Oligarchen, arabische Scheichs und USInvestoren und haben für solche nationalen Sperenzchen innerhalb ihres weltweit populären Premiumprodukts wenig Verständnis. Schließlich spielt die Liga auch um die Vorherrschaft auf den Zukunftsmärkten in Asien und Amerika, wo den Fans herzlich egal ist, wie viele Engländer beim
FC Liverpool oder bei Manchester United spielen. Auch Premier-League-Geschäftsführer Richard Masters meint: „Wir sind nicht davon überzeugt, dass eine Begrenzung von ausländischen Spielern und eine Erhöhung der Quote für einheimische Spieler dem Nationalteam helfen würde.“Die Devise heißt ansonsten: abwarten und Tee trinken. „Eine Reihe von Gesprächen mit der Regierung und Interessenvertretern“über die Auswirkungen des Brexit auf den britischen Fußball seien geführt worden, sagte ein Liga-Sprecher.
Sicher ist nur, dass die bereits in England spielenden Akteure nicht betroffen sein werden. So wie die anderen rund drei Millionen in Großbritannien lebenden EU-Bürger können der österreichische Southampton-Trainer Ralph Hasenhüttl oder der belgische Manchester-City-Star Kevin De Bruyne ihr Aufenthaltsrecht beantragen.
Aber um die zukünftige Ausrichtung steht eine Kraftprobe zwischen Liga und Verband bevor. Ohne das EU-Recht auf freie Arbeitsplatzwahl stehen Kicker vom Kontinent künftig auf einer Stufe mit nichteuropäischen Ausländern. Hier hat die FA noch etwas mitzureden und achtet darauf, dass nur
Spitzenkräfte ins Land kommen. Je nach Herkunft müssen die kickenden Fremdarbeiter aus Asien oder Afrika eine gewisse Anzahl an Länderspielen absolviert haben, um eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Rund 60 Prozent der aktuellen EU-Ausländer in der Liga würden diesen Check nicht bestehen.
Wahrscheinlicher Effekt einer strengeren Legionärspolitik: Die Schere zwischen Reich und Arm geht noch weiter auf. Die Hautevolee wie Manchester City muss sich nicht sorgen, weil ihre Stars die Qualitätsstandards locker erfüllen. Ein Mittelklasse-Club wie Southampton jedoch wird kaum mehr einen jungen Österreicher wie Kevin Danso holen können, der gerade ein paar A-Länderspiele zu Buche stehen hat. Ein ÖFB-Talent wie U19-Nationalspieler Thierno Ballo dürfte es unter verschärften Bedingungen schwer haben, so wie jetzt im Nachwuchs des Chelsea FC unterzukommen. „Zwei Drittel der Liga müssten ihre Transferstrategie anpassen“, sagte Olaf Rebbe, der frühere Sportdirektor von Premier-League-Club Huddersfield Town, im „Spiegel“.
Zweifel an einem Effekt fürs englische Nationalteam sind angebracht. Schließlich hat Teamchef Gareth Southgate – er war übrigens einer der elf Engländer im eingangs erwähnten Team von Aston Villa 1999 – die „Three Lions“trotz Legionärsschwemme auf Platz vier der WM 2018 geführt. Für die EURO 2020 gilt das Team um Raheem Sterling und Harry Kane sogar als realistischer Titelfavorit. Und eine groß angelegte Brexit-Simulation im Videospiel „Football Manager“ergab: Die vormals durch Ausländer belegten Kaderplätze würden nur durch Engländer aufgefüllt werden, die schon jetzt bei anderen Clubs Stammspieler seien. Die Attraktivität des Gesamtprodukts Premier League aber würde langfristig sinken.