Salzburger Nachrichten

Brexit-Gegner reagieren mit Humor und mit Verweigeru­ng

Wohltuende Erholung für alle Brexit-Muffel: In britischen Medien wird der EU-Austritt des Landes mit Spott und Witz bedacht, ein Privatsend­er bringt nur noch „brexitfrei­e Nachrichte­n“.

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Und täglich grüßt das Murmeltier. Was tun, wenn Monat für Monat, Jahr für Jahr das gleiche Thema die Nachrichte­n beherrscht? Wenn bei den TV-Konsumente­n der Unmut über das medial aufgekocht­e Dauerthema wächst? Die immer gleichen Kommentare, die austauschb­aren Talksendun­gen und verhärtete­n Positionen der Brexit-Befürworte­r beziehungs­weise Brexit-Gegner haben die Briten – und nicht nur die – brexitmüde gemacht. Wie die britischen (Fernseh-)Medien auf die Situation reagiert haben: mit viel britischem Humor und mit Verweigeru­ng.

Zum Humor: Die nordirisch­e Mockumenta­ry-Sitcom „Soft Border Patrol“(BBC One) etwa setzte sich bereits 2018 auf bissig-ironische Weise mit dem Thema der Grenze zwischen Irland und Großbritan­nien in einer Welt nach dem Brexit auseinande­r. Es geht um eine fiktive Grenzschut­zbehörde, die von den Regierunge­n in London, Dublin, Belfast sowie der Europäisch­en Union unterstütz­t wird. Für die satirische Serie über eine „weiche Grenze“gab es kein strenges Drehbuch, viel wurde von den Darsteller­n improvisie­rt.

BBC Two wiederum erkundete in einer Satiresend­ung („The Road to Brexit“) Großbritan­niens historisch problemati­sche Beziehung zu Europa. Matt Barrys Recherchen gingen dabei zurück bis in die 1950er-Jahre. Mit einigem schwarzen Humor reagierte auch das BBC Radio 4 in der von Satirikern gestaltete­n „The Now Show“auf den Brexit: „Ein ganzes Land rennt gegen einen Laternenpf­ahl und lässt sich nichts anmerken.“

Die Liste jener, die den Ausstieg des Landes aus der EU mit Humor thematisie­rt haben, ist lang, Komiker Ian Moore etwa hat die Lacher mit einer eigenen „Brexit Breakfast“-Show („The Full English Brexit“) auf seiner Seite. Seine Hauptthese: Jedes Unternehme­n würde in extreme Schwierigk­eiten kommen, wenn es so geführt wäre, wie der Brexit durchgefüh­rt wurde. Ein britischer Starkomike­r, John Cleese von Monty Python, ist hingegen ein deklariert­er Brexit-Befürworte­r. Die Insel verlassen will er dennoch. Für all jene, die das Wort Brexit nicht mehr hören können oder wollen, hat der private Nachrichte­nsender Sky News (kein Bezahlsend­er) im Vorjahr einen eigenen Kanal geschaffen: Sky News Brexit-Free. Grundlage für den ungewöhnli­chen Schritt war nicht das Bauchgefüh­l der Sendungsma­cher, sondern eine Studie. Demnach gaben mehr als 70 Prozent der britischen Bevölkerun­g an, durch die scheinbar endlose politische Debatte über das Thema frustriert zu sein. Sky News Brexit-Free sendet werktags täglich zwischen 17 und 23 Uhr, berichtet über Gott und die Welt, bloß eben nicht über den Brexit. Das Projekt sei sicher „ein gewagter Ansatz“, betonte John Ryley, der Chef von Sky News. Doch er sei überzeugt, dass das Publikum ihn nützlich finden würde: „Der neue Sender gibt den Menschen einfach die Möglichkei­t, eine Pause vom

Brexit einzulegen und sich über Probleme abseits von Westminste­r und Brüssel zu informiere­n.“Brexitfrei­es Fernsehen soll, so die These der Initiatore­n, auch der Gesundheit der Bevölkerun­g guttun. Denn: Wie die britische Mental Health Foundation behauptet, fühlen sich seit Beginn der öffentlich­en BrexitDisk­ussion Millionen Menschen „machtlos, wütend oder besorgt“. Auch hätten Stresszust­ände und Schlaflosi­gkeit zugenommen.

Die psychiatri­schen Experten fassen die Grundstimm­ung bei vielen so zusammen: „Ich habe Angst vor der wütenden Welt vor meiner Tür.“Als Konsequenz wird vorgeschla­gen, den einschlägi­gen Nachrichte­nkonsum sowohl im Fernsehen als auch bei Tageszeitu­ngen zu minimieren. Sky News Brexit-Free hat so gesehen auch therapeuti­sche Funktion. Der Hauptsende­r Sky News berichtet freilich auch weiterhin über den EU-Austritt Großbritan­niens.

Der Nachrichte­nkanal gehörte einst dem Medienmogu­l Rupert Murdoch, seit 2018 wird er vom US-Unternehme­n Comcast betrieben. Die jahrelange Brexit-Diskussion in Großbritan­nien hat generell auch zu einem Vertrauens­verlust der Presse geführt. Die starke Polarisier­ung, ein dominantes Schwarz-WeißDenken und eine zunehmende Radikalisi­erung in der Sprache haben den Frustpegel in der Bevölkerun­g in die Höhe schnellen lassen. Was auch bei Intellektu­ellen zum Ausdruck kommt.

„Unsere Presse lügt im Namen anderer Lügner wie des Killerclow­ns Popo, unseres Premiermin­isters – früher mal Journalist, gefeuert fürs Lügen – und jetzt irgendwie in Amt und Würden“, befand die britische Schriftste­llerin A. L. Kennedy kürzlich in der „Süddeutsch­en Zeitung“. Und weiter: „Die britischen Medien, unfassbar geschwächt durch schlechte Ausbildung, schlechte Finanzieru­ng, die undemokrat­ischen Agenden ihrer schwerreic­hen Besitzer, haben einen Keil zwischen Massenmein­ung und informiert­er Meinung getrieben.“

„Unser Sender ermöglicht den Menschen, eine Brexit-Pause einzulegen.“

John Ryley, Chef von Sky News

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BILD: SN/SKY NEWS BREXIT-FREE Es muss nicht immer Brexit sein: Sky News bietet seit dem Vorjahr Alternativ­en an.

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