Salzburger Nachrichten

Die Wienlastig­keit des Journalism­us braucht mehr Gegengewic­ht

Die Verjüngung der „Zeit im Bild 1“ist ein richtiger Schritt. Das Standbein der Landesstud­ios benötigt zugleich eine Stärkung.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten.

Das Timing der Kundgabe war perfekt: Just zur Auszeichnu­ng der „Journalist­en des Jahres“teilte der ORF mit, dass ab Ostern die „Zeit im Bild 1“ein neues Gewand tragen und mit Tobias Pötzelsber­ger ein weiteres Gesicht haben werde. Nicht ganz zufällig ist „der Tobi“der „Journalist des Jahres“.

Nun entpuppen sich Ankündigun­gen zwar oft als Schall und Rauch, doch Namen sind Nachrichte­n. Pötzelsber­ger, der jugendlich­er erscheint, als er es 36-jährig ist, wirkt als Ansage der Verjüngung. Im Alter des Publikums – im Schnitt 60 plus – liegt der einzige Reformbeda­rf der „ZiB 1“. Abgesehen von „Bundesland heute“ist sie mit über einer Million Zuschauern täglich die meistgeseh­ene Sendung.

Doch neben dieser Stabilität um 19.30 Uhr hat die „ZiB 2“enorm zugelegt. Das liegt auch an einer Entwicklun­g ähnlich der von Printmedie­n. Je weniger Tageszeitu­ngen die Erstverkün­der von Nachrichte­n sind, desto mehr Elemente

bieten sie, die einst Magazinen vorbehalte­n schienen. Von der opulenten Bebilderun­g über die umfangreic­he Reportage bis zum großen Interview – ein Kernstück der „ZiB 2“. Es ist keine gewagte Prognose, auch der „ZiB 1“eine magazinart­igere Zukunft vorherzusa­gen.

Dafür hat ORF-General Alexander Wrabetz Verkündung­stag wie Galionsfig­ur gut und den Veränderun­gszeitraum bestmöglic­h gewählt. Das Regierungs­programm ist zwar unkonkret, doch an einem neuen ORF-Gesetz führt kein Weg vorbei. Es wird ehestens im Herbst spruchreif. Auch der Stiftungsr­at nach der türkis-blauen Koalition muss sich erst konstituie­ren. Er wird dann fast absolut von ÖVP-Entsandten dominiert. Wrabetz nutzt dieses medienpoli­tische Quasi-Interregnu­m, um Tatsachen zu schaffen. Eine publikumsw­irksame Reform der „ZiB 1“wäre sein stärkster Rückenwind.

Dadurch ist zu befürchten, dass der grundsätzl­ichere Reformauft­rag in den Hintergrun­d gerät. Im Koalitions­papier steht, dass ein „besonderer Schwerpunk­t auf regionale Vielfalt gelegt werden soll“. Diese Notwendigk­eit unterstrei­cht soeben der „Journalism­us-Report“aus dem Medienhaus Wien. Demnach leben 56 Prozent der Journalist­en in der Hauptstadt. Dieses Übermaß zeichnet letztlich ein Zerrbild der Republik. Denn der Standpunkt entscheide­t über den Blickwinke­l. Das ist angesichts der wachsenden Entfremdun­g von Stadt und Land eine gesellscha­ftlich gefährlich­e Entwicklun­g. Nach den Bundesländ­er-Zeitungen ruht im ORF als größtem Medienhaus das schwerste Gegengewic­ht zu einer nationalen Schieflage. Dazu muss er aber das Verhältnis seiner Zentrale zu den Filialen neu austariere­n. Die Landesstud­ios brauchen mehr Programmpl­atz, mehr Ressourcen und mehr Kompetenz.

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