Wenn die Seilbahn zu laut ist
Nachbarn klagten mit Erfolg. Gemeinschaftsinteressen gehen nicht immer über Privatinteressen.
Die Nachbarn einer Gondelseilbahn kamen mit einer Klage beim Obersten Gerichtshof (OGH) durch, mit der sie gegen den durch die Bahn verursachten Lärm vorgegangen waren. Demnach muss der Betreiber der Seilbahn innerhalb von neun Monaten dafür Sorge tragen, dass alle Lärmstörungen ab 18 Uhr mit mehr als 53 Dezibel unterbleiben.
Die Kläger und die Beklagte sind Eigentümer aneinander grenzender Liegenschaften in einem Tourismusort mit etwa 700 Einwohnern. Die Liegenschaft der Kläger samt Haus, Terrasse und Garten befindet sich in Nähe der Talstation und der Trasse der Seilbahn. Die Gondelseilbahn, die einen Sessellift ersetzt hat, ist neun bis zehn Monate pro Jahr täglich von 8.30 Uhr bis 17 Uhr und einmal pro Woche zusätzlich bis 22 Uhr in Betrieb.
Das Verwaltungsverfahren wurde nach den Vorschriften des Seilbahngesetzes durchgeführt. In den Genehmigungsbescheiden hatte man keinen Dezibelwert festgelegt, der nicht überschritten werden darf. Der ortsübliche Schallimmissionswert im betreffenden Tourismusort beträgt 55 Dezibel.
Die Schallimmissionen der Gondelseilbahn sind in Art und Ausmaß typisch für eine Gondelseilbahn, deren Talstation nicht vollständig eingehaust ist. Seit mehreren Jahren werden Seilbahnen üblicherweise geschlossen gebaut. Eine mögliche und auch wirtschaftlich verhältnismäßige Maßnahme zur Reduzierung der Schallimmissionen wäre die Anbringung einer Verkleidung zum Beispiel mit pyramidenförmigen Schalldämmelementen an der Talstation. Die Kosten hiefür würden zumindest 55.000 Euro (netto) betragen.
Die Kläger, die ihre Liegenschaft bereits
Jahre vor Genehmigung und Bau der neuen Gondelseilbahn erworben hatten, klagten mit folgenden Gründen: Die neue Bahn sei lauter als der alte Sessellift, ihr Lärm sei ortsunüblich und beeinträchtige wesentlich die ortsübliche Nutzung ihres Grundstücks.
Der OGH verpflichtete letztlich das Seilbahnunternehmen, abends Lärm über 53 Dezibel zu unterlassen. Begründung: Die Lärmimmissionen der Gondelseilbahn seien ortsunüblich. Die Höchstrichter ließen auch kein Ersatzbegehren zu, dass bei behördlich genehmigten Anlagen anstelle des Unterlassungsbegehrens möglich ist. Die Kläger hätten nämlich im seilbahnrechtlichen Verfahren keine hinreichende Parteistellung gehabt.
Die Richter ließen damit auch offen, ob die in der jüngsten Rechtsprechung vertretene Ansicht richtig ist, dass bei „gemeinwichtigen
Anlagen“Immissionen trotz fehlender Parteistellung nicht untersagt werden können (siehe Hubschrauberlandeplatz-Urteil). Denn auch diese Judikatur lasse zu, Lärm zu verbieten, wenn er mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar ist. Und genau davon ging der erkennende Senat aufgrund des festgestellten Sachverhalts (nötige Investitionen von 55.000 Euro) aus.
Die Kläger wollten darüber hinaus 100.000 Euro wegen Wertminderung. Der OGH verwies diese Rechtssache zurück zum Erstgericht. Bemerkenswert: Ausgeschlossen ist nicht, dass die Kläger damit durchkommen. Allerdings müssen sie einen konkreten Verwertungs- oder Nutzungsausfall belegen können.