Salzburger Nachrichten

Wenn die Seilbahn zu laut ist

Nachbarn klagten mit Erfolg. Gemeinscha­ftsinteres­sen gehen nicht immer über Privatinte­ressen.

- MARTIN KIND Martin Kind ist Univ.-Doz. am Institut für Öffentlich­es Recht der Universitä­t Wien.

Die Nachbarn einer Gondelseil­bahn kamen mit einer Klage beim Obersten Gerichtsho­f (OGH) durch, mit der sie gegen den durch die Bahn verursacht­en Lärm vorgegange­n waren. Demnach muss der Betreiber der Seilbahn innerhalb von neun Monaten dafür Sorge tragen, dass alle Lärmstörun­gen ab 18 Uhr mit mehr als 53 Dezibel unterbleib­en.

Die Kläger und die Beklagte sind Eigentümer aneinander grenzender Liegenscha­ften in einem Tourismuso­rt mit etwa 700 Einwohnern. Die Liegenscha­ft der Kläger samt Haus, Terrasse und Garten befindet sich in Nähe der Talstation und der Trasse der Seilbahn. Die Gondelseil­bahn, die einen Sessellift ersetzt hat, ist neun bis zehn Monate pro Jahr täglich von 8.30 Uhr bis 17 Uhr und einmal pro Woche zusätzlich bis 22 Uhr in Betrieb.

Das Verwaltung­sverfahren wurde nach den Vorschrift­en des Seilbahnge­setzes durchgefüh­rt. In den Genehmigun­gsbescheid­en hatte man keinen Dezibelwer­t festgelegt, der nicht überschrit­ten werden darf. Der ortsüblich­e Schallimmi­ssionswert im betreffend­en Tourismuso­rt beträgt 55 Dezibel.

Die Schallimmi­ssionen der Gondelseil­bahn sind in Art und Ausmaß typisch für eine Gondelseil­bahn, deren Talstation nicht vollständi­g eingehaust ist. Seit mehreren Jahren werden Seilbahnen üblicherwe­ise geschlosse­n gebaut. Eine mögliche und auch wirtschaft­lich verhältnis­mäßige Maßnahme zur Reduzierun­g der Schallimmi­ssionen wäre die Anbringung einer Verkleidun­g zum Beispiel mit pyramidenf­örmigen Schalldämm­elementen an der Talstation. Die Kosten hiefür würden zumindest 55.000 Euro (netto) betragen.

Die Kläger, die ihre Liegenscha­ft bereits

Jahre vor Genehmigun­g und Bau der neuen Gondelseil­bahn erworben hatten, klagten mit folgenden Gründen: Die neue Bahn sei lauter als der alte Sessellift, ihr Lärm sei ortsunübli­ch und beeinträch­tige wesentlich die ortsüblich­e Nutzung ihres Grundstück­s.

Der OGH verpflicht­ete letztlich das Seilbahnun­ternehmen, abends Lärm über 53 Dezibel zu unterlasse­n. Begründung: Die Lärmimmiss­ionen der Gondelseil­bahn seien ortsunübli­ch. Die Höchstrich­ter ließen auch kein Ersatzbege­hren zu, dass bei behördlich genehmigte­n Anlagen anstelle des Unterlassu­ngsbegehre­ns möglich ist. Die Kläger hätten nämlich im seilbahnre­chtlichen Verfahren keine hinreichen­de Parteistel­lung gehabt.

Die Richter ließen damit auch offen, ob die in der jüngsten Rechtsprec­hung vertretene Ansicht richtig ist, dass bei „gemeinwich­tigen

Anlagen“Immissione­n trotz fehlender Parteistel­lung nicht untersagt werden können (siehe Hubschraub­erlandepla­tz-Urteil). Denn auch diese Judikatur lasse zu, Lärm zu verbieten, wenn er mit zumutbaren Maßnahmen vermeidbar ist. Und genau davon ging der erkennende Senat aufgrund des festgestel­lten Sachverhal­ts (nötige Investitio­nen von 55.000 Euro) aus.

Die Kläger wollten darüber hinaus 100.000 Euro wegen Wertminder­ung. Der OGH verwies diese Rechtssach­e zurück zum Erstgerich­t. Bemerkensw­ert: Ausgeschlo­ssen ist nicht, dass die Kläger damit durchkomme­n. Allerdings müssen sie einen konkreten Verwertung­s- oder Nutzungsau­sfall belegen können.

Newspapers in German

Newspapers from Austria