Immer brav kleben
ICHhabe mich so über Pickerl gefreut. Früher, in der Volksschule. Damals klebte unsere Klassenlehrerin am Ende der Hausübung, wenn diese schön geschrieben war, unterhalb der Zierleiste stets einen netten Aufkleber ins Heft, ein Gänseblümchen, einen Löwen oder Ähnliches.
Jetzt, nach Jahrzehnten, sind sie wieder da, die Pickerl. Permanent bekomme ich welche via Post zugeschickt. Nur leider werden dadurch keine Glückshormone mehr aktiviert. Die Aufkleber schauen auch nicht mehr so nett aus wie einst, als kleine Tiger aus dem Heft lugten. Außerdem steht immer dasselbe oben: 25 Prozent.
Diese 25-Prozent-Pickerl darf ich dann im Supermarkt auf die Pizzapackung, das Gurkerlglas oder den Brekkies-Sack für den Hauskater kleben – und dafür zahle ich an der Kassa um ein Viertel weniger. Heute wie damals geht es um Belohnung: So wie es früher ein Pickerl gab, wenn ich brav geschrieben hatte, heißt es heute: Wenn du brav klebst, kriegst einen Rabatt! Wobei das mit dem Kleben so einfach gar nicht ist. Denn auf dem Kleingedruckten steht zu lesen, dass die Sticker nur an bestimmten Tagen geklebt werden dürfen. Sie gelten meist auch nicht für Frischmilch, nicht für spezielle Marken, nicht für reduzierte Artikel und, und, und ...
Weil ich schon genug lese jeden Tag und ich im Speziellen von allem Kleingedruckten überhaupt die Nase voll hab, passiert es immer wieder, dass ich falsch klebe und mich dann die Kassierin entsprechend belehrt. Und da es sich vor Supermarktkassen immer staut, kann ich sicher sein, dass bei dieser Belehrung jedes Mal genauso viele Leute zuhören, wie damals Kinder in der Volksschulklasse saßen.
Überhaupt habe ich das Gefühl, dass all die Rabattpickerl zu spät kommen.
Ich finde, meine Pickerlzeit ist mit der Volksschule zu Ende gegangen. Aufkleber sind für mich genauso Geschichte wie alle anderen Volksschulerinnerungen – vom Eckenstehen über die Kopfnüsse bis zum Schlachtruf: „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“.
Doch die Pickerl werden nicht weniger. Es hat sogar den Anschein, als hätte der Boom erst begonnen. Möbel- und diverse andere Händler schicken mir Pickerl mit Aufschriften wie „10 Prozent auf einen von vielen Babyartikeln“. Neuerdings kommen noch Rubbellose von Tankstellenbetreibern dazu. Was am Ende bleibt: ein Minirabatt von 2 Cent pro Liter und ein Haufen Rubbelgummireste. Wenn wenigstens der Finanzminister 25-Prozent-Steuerrabatt-Sticker ausschicken würde! Das könnte wahrlich Freude bereiten. Bis es so weit ist, werde ich wohl oder übel mit gedämpfter Euphorie Pickerl auf KatzenLeckerlis kleben.