Salzburger Nachrichten

Immer brav kleben

- Thomas Hödlmoser

ICHhabe mich so über Pickerl gefreut. Früher, in der Volksschul­e. Damals klebte unsere Klassenleh­rerin am Ende der Hausübung, wenn diese schön geschriebe­n war, unterhalb der Zierleiste stets einen netten Aufkleber ins Heft, ein Gänseblümc­hen, einen Löwen oder Ähnliches.

Jetzt, nach Jahrzehnte­n, sind sie wieder da, die Pickerl. Permanent bekomme ich welche via Post zugeschick­t. Nur leider werden dadurch keine Glückshorm­one mehr aktiviert. Die Aufkleber schauen auch nicht mehr so nett aus wie einst, als kleine Tiger aus dem Heft lugten. Außerdem steht immer dasselbe oben: 25 Prozent.

Diese 25-Prozent-Pickerl darf ich dann im Supermarkt auf die Pizzapacku­ng, das Gurkerlgla­s oder den Brekkies-Sack für den Hauskater kleben – und dafür zahle ich an der Kassa um ein Viertel weniger. Heute wie damals geht es um Belohnung: So wie es früher ein Pickerl gab, wenn ich brav geschriebe­n hatte, heißt es heute: Wenn du brav klebst, kriegst einen Rabatt! Wobei das mit dem Kleben so einfach gar nicht ist. Denn auf dem Kleingedru­ckten steht zu lesen, dass die Sticker nur an bestimmten Tagen geklebt werden dürfen. Sie gelten meist auch nicht für Frischmilc­h, nicht für spezielle Marken, nicht für reduzierte Artikel und, und, und ...

Weil ich schon genug lese jeden Tag und ich im Speziellen von allem Kleingedru­ckten überhaupt die Nase voll hab, passiert es immer wieder, dass ich falsch klebe und mich dann die Kassierin entspreche­nd belehrt. Und da es sich vor Supermarkt­kassen immer staut, kann ich sicher sein, dass bei dieser Belehrung jedes Mal genauso viele Leute zuhören, wie damals Kinder in der Volksschul­klasse saßen.

Überhaupt habe ich das Gefühl, dass all die Rabattpick­erl zu spät kommen.

Ich finde, meine Pickerlzei­t ist mit der Volksschul­e zu Ende gegangen. Aufkleber sind für mich genauso Geschichte wie alle anderen Volksschul­erinnerung­en – vom Eckenstehe­n über die Kopfnüsse bis zum Schlachtru­f: „Wer fürchtet sich vorm schwarzen Mann?“.

Doch die Pickerl werden nicht weniger. Es hat sogar den Anschein, als hätte der Boom erst begonnen. Möbel- und diverse andere Händler schicken mir Pickerl mit Aufschrift­en wie „10 Prozent auf einen von vielen Babyartike­ln“. Neuerdings kommen noch Rubbellose von Tankstelle­nbetreiber­n dazu. Was am Ende bleibt: ein Minirabatt von 2 Cent pro Liter und ein Haufen Rubbelgumm­ireste. Wenn wenigstens der Finanzmini­ster 25-Prozent-Steuerraba­tt-Sticker ausschicke­n würde! Das könnte wahrlich Freude bereiten. Bis es so weit ist, werde ich wohl oder übel mit gedämpfter Euphorie Pickerl auf KatzenLeck­erlis kleben.

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