Die Rückkehr des Staates
Wer hätte das für möglich gehalten? Die ÖVP entreißt der Salzburg AG Obus und Lokalbahn. Volles Risiko – auch für den Steuerzahler.
Seit gestern ist klar, dass in der Verkehrspolitik des Landes ein neues Zeitalter anbricht. Die Ankündigungen von Landeshauptmann Wilfried Haslauer, den Obus, die Lokalbahn und die Pinzgaubahn gänzlich aus der Salzburg AG herauszulösen, gleicht einem tektonischen Beben. Bedeutet es doch, dass sich Haslauer und die Politik quasi selbst ans Steuer der Öffis setzen wollen – als Eigentümer, Planer, Betreiber und Finanzier. Man könnte auch sagen, die Verkehrsbetriebe werden komplett verstaatlicht. Ein für die ÖVP höchst ungewöhnlicher und ebenso riskantes Unterfangen. War es doch die Volkspartei, die lange den (teilweisen) Rückzug des Staates aus staatlichen Betrieben propagierte und durchsetzte.
Was hat die „Schwarzen“zu diesem drastischen Schwenk bewogen? Da musste viel passieren. Und es ist viel passiert. In der ÖVP setzte sich die Erkenntnis durch, dass man im öffentlichen Verkehr viel versäumt hat. Parallel offenbarte die Obuskrise vor 15 Monaten Versäumnisse der Salzburg AG in der Obusflotte. Seither wächst eine Bruchlinie zwischen Politik und Salzburg AG. Deren jüngster Beschluss, Teile des Güterverkehrs mit der Lokalbahn einzustellen, brachte das Fass in der ÖVP zum Überlaufen. Spätestens da war klar: Was die Politik braucht und die Salzburg AG (betriebswirtschaftlich) mit ihrem oberösterreichischen Teilhaber will, geht nicht zusammen.
Für Salzburg-AG-Chef Leonhard Schitter, der zuletzt energisch versuchte, den Obusbetrieb auf ordentliche Beine zu stellen, ist das zweifellos eine Niederlage. Soll er doch Hunderte Mitarbeiter, wertvolles Anlagevermögen und einen wichtigen Teilbetrieb quasi an seine Salzburger Eigentümer abtreten. Seine Trauer wird sich dennoch in Grenzen halten. Die Verkehrssparte ist chronisch defizitär, und die (gewinnbringenden) touristischen Bahnen – Stichwort: Schafberg – hat Schitter bereits herausgelöst und für die Salzburg AG erhalten. Das wird nicht der einzige Fallstrick sein, der in den brisanten Verhandlungen über die Herauslösung lauert. Dass sich der „rote“Arbeiterkammer-Präsident Peter Eder als Erster quasi schützend vor die Mitarbeiter der Salzburg
AG stellte, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass auf Salzburg turbulente Monate warten.
Der Landeshauptmann musste wissen, was er mit dieser Ankündigung auslöst. Ob es klug war, diese mit wenigen Sätzen in eine einstündige Grundsatzrede vor exklusivem ÖVP-Publikum zu platzieren, darf bezweifelt werden. Denn Haslauer und die ÖVP werden diese Sache nicht im Alleingang durchboxen können. Ein breiter Konsens über Parteigrenzen hinweg ist angesichts des Kraftakts unerlässlich. Immerhin sollen Obusse, Lokalbahn und Pinzgaubahn bald exklusiv uns allen gehören. Auf den ersten Blick ist das kein gutes Geschäft für den Steuerzahler, da der Betrieb der Verkehrsbetriebe schon jetzt jährlich Abgänge in Millionenhöhe beschert und gewaltige Investitionen in die Infrastruktur anstehen.
Auf den zweiten Blick hat das Vorpreschen der ÖVP viel innere
Logik. Die Politik zahlt zwangsläufig für die Öffis, ob sie nun Betreiber, Besteller oder Besitzer ist. Sie finanziert die komplette Infrastruktur, zahlt für neue Verbindungen, bessere Takte und günstige(re) Öffi-Tickets. Der öffentliche Verkehr war also schon bisher eine öffentliche Aufgabe. Und strukturell Weiterwursteln wie bisher war in Wahrheit keine Alternative. Haslauer agiert also ganz schön mutig, wenn auch risikoreich. Ab sofort gibt es keine Ausreden mehr. Die Landesregierung trägt die alleinige Verantwortung und ist dem Steuerzahler volle Rechenschaft schuldig.
Während das abgelaufene Jahrzehnt in Salzburg jenes des
Schuldenabbaus war, werden die neuen 20er-Jahre die Ära des Klimawandels und öffentlichen Verkehrs – so gut wie sicher mit beträchtlichen Kreditaufnahmen von Stadt und Land. Ist die ÖVP doch entschlossen, die Stadtregionalbahn durch die Stadt und bis nach Hallein in diesem Jahrzehnt durchzuboxen. Es geht um 650 Millionen Euro. Vermutlich die Hälfte muss Salzburg zahlen.
Auch wenn es manche noch nicht glauben wollen: Das Zeitalter des (ewigen) Bewahrens und maximal sanften Weiterentwickelns geht in Salzburg zu Ende. Was für eine Herausforderung für dieses ach so strukturkonservative Land und seine Bürger.