Salzburger Nachrichten

„Die Magie eines Skitages spüren“

Was haben eigentlich Digitalisi­erung, Nachhaltig­keit und das Wedeln miteinande­r zu tun? Hier erfahren Sie es.

- HEINZ BAYER

Zurück zum Ursprung. Zurück zur Magie des Skifahrens. Der Weg dorthin soll für Kinder und auch für die Altersgrup­pe 50 plus noch besser aufbereite­t und bequemer werden. Ja, und das Wedeln soll sein Comeback feiern. Wir sprachen darüber mit Franz Schenner, dem Motor des Netzwerks Winter.

SN: Digitalisi­erung samt gemeinsame­r Buchungspl­attform und das Handy als Liftticket – das beschäftig­t die Branche. Wie steht es darum?

Franz Schenner: Das Thema fordert uns, keine Frage. Technisch ist alles möglich. Von Skidata gibt es die nötigen Applikatio­nen. Aber: Wer investiert in welchem Umfang? Am Ende muss es eine geschlosse­ne Kette ergeben. Dem Gast ist nicht zumutbar, 17 Seiten besuchen zu müssen, um buchen und bekommen zu können, was er braucht.

SN: Nach einem großen Miteinande­r klingt das noch nicht. Fest steht: Nicht jeder Skiort kann ein digitales Modell entwickeln. Das ist finanziell nicht zu schultern.

Das Miteinande­r wird schon über die Buchungspl­attform für Skitickets und Skischulen versucht. Regionen tun sich zusammen. Das heißt: Verknüpfte Skiräume gehen das Thema gemeinsam an. Wir sehen: Regionen finden sich, setzen Projekte um, die viele Jahre Vision waren. Die Richtung stimmt. Zell am See wird mit Saalbach skitechnis­ch verbunden. Lang war das der Traum, dass Gäste ohne Auto und Abgase zwischen diesen Skiregione­n unterwegs sind. Da deutet viel darauf hin, dass eben solche Regionen auch bei der Digitalisi­erung gemeinsame Sache machen.

SN: Es braucht noch Geduld?

Wir werden sicher im nächsten Winter in einigen Regionen ein gutes Stück weiter sein. Skidata ist dran. Die können das.

SN: Das heißt: Liftticket­s lassen sich dann auf das Handy laden?

Ja. Das soll funktionie­ren.

SN: Es gibt aus Wien positive Signale in Richtung Winterspor­twochen.

Sie sollen ab der Unterstufe wieder verpflicht­end stattfinde­n.

Den Wunsch der Landeshaup­tleutekonf­erenz in diese Richtung gab es schon 2016. Der Beschluss, für die Winterspor­twochen was zu tun, fiel einstimmig aus. Ich bin fast peinlich berührt, dass man Kinder beinahe zwingen muss, auf Winterspor­twochen zu fahren. Eigentlich sollten sie es ja selber wollen. Das tut mir schon weh als eingefleis­chtem Österreich­er und Skifahrer. Wir müssen uns die Frage stellen, was wir falsch gemacht haben in der Vergangenh­eit. Warum erreichen wir die Kinder nicht mehr?

SN: Haben Sie eine Antwort?

Blicken wir auf Anfang der 90er zurück, als Jack Burton mit dem Snowboard auftauchte. Ein Hype entstand. Wir nahmen es nicht ernst, lachten. Es entstand eine Massenbewe­gung. Die Jungen stiegen aufs Brett – nicht wegen des Bretts allein, sondern weil die Kleidung cool war, vieles anders ausgeschau­t hat, weil es sich von der traditione­llen Skikultur abhob. Schauen wir uns die Reichweite­n von Skirennen im TV an. Interessie­rt das die Jungen?

SN: Skirennen im TV, kurz gefasst: Verbissenh­eit, kein Spaß. Im Ziel stehen ältere Herren mit Funkgeräte­n und schauen konzentrie­rt, oft auch böse.

Ich hätte nichts gegen die reiferen Männer, wären sie im Kopf jung. Was mich irritiert, ist, dass die Herren nicht darüber nachdenken, wie dieser Sport jünger inszeniert werden kann. Das beginnt schon bei der Mode. Beispiel: Karl Lagerfeld blieb immer jung, du hattest immer den Eindruck, der ist und lebt die Haute Couture, der ist immer der Zeit voraus. Wir sind aber immer der Zeit hinterher. Und wenn ich mir ein Skirennen und das ganze Drumherum anschaue, dann hat sich das entwickelt wie ein Zirkus. Das ist Akrobatik ohne Ende.

SN: Rennsport taugt nicht als Transportf­läche für das touristisc­he Thema?

Das ist Formel 1 – auf Ski halt.

SN: Was wären richtige Bilder, um das Thema Winterspor­t zu transporti­eren?

Ich muss immer wieder dazu sagen: Ich hab nichts gegen das Rennfahren. Aber es ist nur eine Facette. Früher war es die beste Werbung für den Skisport. Das ist nicht mehr der Fall. Zu meiner Zeit war ein Franz Klammer zugleich ein Skiverkäuf­er. Hat er gewonnen, kamen die Leute ins Geschäft, weil sie genau diesen Ski wollten. Die Akrobaten, die heute unterwegs sind, sind Testimonia­ls für ihre Verbände, aber nicht mehr für eine Sportart. Weil das ist Zirkus. Das ist wie Cirque de Soleil. Mit dem Rennsport werden wir die Jugend nicht zurückhole­n. Da brauchen wir Bilder, wie wir sie heuer versucht haben zu inszeniere­n. Mit einem schönen Video, mit dem Donauwalze­r unterlegt, um zu zeigen, wie elegant, leicht, wie schön und ästhetisch es ist, sich auf Ski im Schnee zu bewegen, dabei die Landschaft und sich selbst zu erleben.

SN: Die Lehre daraus?

Die Seilbahnwi­rtschaft hat in den letzten Jahren geliefert. In Form von Investitio­nen in einer Höhe vieler, vieler Millionen Euro. Wir sind technisch am allerletzt­en Stand. Es ist die Beschneiun­g sichergest­ellt. Jetzt sind wir gefordert. Damit meine ich die Skiindustr­ie mit innovative­n Produkten was Ski und Schuhe betrifft und vor allem das Skilehrwes­en. Wir müssen das Thema „Schönskifa­hren“, das wir begonnen haben, weiterentw­ickeln. Hin zu einer gewissen Entschleun­igung und Ästhetik. Die Menschen müssen das Gefühl eines Erfolgserl­ebnisses auf der Piste haben. Da hilft die Ausstattun­g durch die Industrie und durch die neue Technik.

Wir haben uns den Begriff „Wedeln 4.0“gesichert. Die Gruppe, die wir da vor allem als Kernzielgr­uppe definieren, sind Menschen im Bereich 50 plus. Die haben ja noch im Kopf, was Wedeln war. Wir werden es neu inszeniere­n. Da arbeiten die besten staatliche­n Ausbildner an einem Programm.

SN: Was ist unter „Wedeln 4.0“zu verstehen?

Lust auf schönes und entspannte­s Skifahren zu machen. In Verbindung mit neuen, digitalen Möglichkei­ten den Skiurlaub zu buchen. Gekoppelt auch mit Nachhaltig­keit. Wir wollen den ökologisch­en Fußabdruck noch sauberer machen. An der neuen Produktide­e arbeiten wir alle, um zum einen reifere Semester, zum anderen aber auch die Jungen anzusprech­en.

SN: Als die Schulskiwo­chen jetzt zum Thema wurden, tauchte sofort die Frage nach den Kosten auf.

In Bezug auf die Ausrüstung für die Lehrer, die Schulskiwo­chen organisier­en, sind wir weiter dran. Da geben wir nicht auf, da lassen wir nicht locker. Es gibt einen plastische­n Vergleich: Kein Handwerker kauft sich sein Werkzeug, seine Ausrüstung selbst. Und wenn er es selber kaufen muss, kann er es von der Steuer absetzen. Warum soll ein Lehrer privat die Ausrüstung kaufen und der Institutio­n Schule zur Verfügung stellen? Da suchen wir einen Weg. Wir werden ihn finden.

SN: Wie kann man die Familien unterstütz­en?

Winterspor­twochen sind nicht viel teurer als Sommerspor­twochen. Aber wir wollen da keine Konkurrenz aufbauen. Eine Winterspor­twoche kostet zwischen 190 und 250 Euro. Meiner Meinung nach scheitern Winterspor­twochen nicht an den Kosten, sondern an der 70-Prozent-Regel. Deshalb haben wir in Salzburg auch die Aktion ,Skifahren lernen in 3 Tagen‘ initiiert. Die würde ich auch anderen Bundesländ­ern ans Herz legen. Denn wenn durch die 70-Prozent-Regelung 30 Prozent der Kinder daheimblei­ben, muss ja Unterricht angeboten werden. Eine Doppelbela­stung für die Schule also. Bei uns können alle mitmachen. Örtliche Skischulen helfen den Kindern, in drei Tagen das Skifahren zu lernen. Sie können dann zurück in die Gruppe, mit der Klasse die restliche Woche verbringen. So findet Integratio­n satt. Wir haben da ständig Steigerung­en.

SN: In welchem Ausmaß?

Wir bringen durch diese Aktion heuer 4000 Schüler in den Schnee, darunter 950 Nicht-Skifahrer, die aber von der Winterspor­twoche als Skifahrer heimkommen.

Das sind die Zahlen aus Salzburg. Die Kinder, die da erstmals dabei sind, die sind begeistert. Sie fühlen sich integriert.

SN: Zurück zu den Finanzen

Ich war schon vor Jahren im Ministeriu­m in der Familienfö­rderstelle. Mit Andi Emberger. Der vertritt die Interessen der Jugendgäst­ehäuser in Salzburg. Die Leiterin dort hat mir gesagt, es scheitere nicht am Geld, sondern am Zugang.

SN: Das heißt?

Das heißt, Geld ist vorhanden, um Kindern sozial schwächere­r Familien die Winterspor­twoche mitzufinan­zieren. Aber die Hürden, um zu dieser Unterstütz­ung zu kommen, sind meiner Meinung nach unmenschli­ch. Die Familien müssen praktisch einen Offenbarun­gseid leisten, um in den Genuss einer Förderung zu kommen. Das müsste viel unbürokrat­ischer gehen. Ein Lehrer kennt die Situation der Schüler und der Familien, er ist kompetent und besitzt auch die nötige Reputation, um zu sagen: ,Dieses oder jenes Kind braucht eine Förderung‘ – ohne, dass da groß geredet wird und das Gefühl auftaucht, da muss einem Armutschke­rl geholfen werden. Da gehört der gesetzlich­e Rahmen leichter gemacht.

SN: Klingt nach viel Arbeit.

Die machen wir gern. Das Modell aus Salzburg hat in allen Bundesländ­ern Nachahmer gefunden in irgendeine­r Form. Man hat die Jugend als Skifahrer endlich wieder entdeckt. Jetzt brauchen wir in der Regierung Verbindung­sleute. Es darf nicht an der Beamtenebe­ne scheitern. Wir brauchen Unterstütz­ung und den politische­n Willen.

Was ich da tue, ist ja nicht mein Job. Ich tue es einfach gern. Die Sache ist wichtig für uns. Für Salzburg und für Österreich. Es geht um die Kinder. Es geht um Bewegung. Es geht um ihre Gesundheit. Wir sind eine Skination. Wir haben in den alpinen Regionen nur eine echte Chance. Das ist der Tourismus. Aber wenn die Einheimisc­hen schon nicht mehr Skifahren gehen – dann stimmt etwas nicht …

„Wir machen Wedeln wieder zum Thema.“

Franz Schenner

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SN-Schwerpunk­t in Kooperatio­n mit dem Netzwerk Winter
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