Purgertorium Von großen und kleinen Vögeln
Winterzeit ist Vogelfütterzeit. Gemütlich sitzt man im warmen Zimmer am Fenster und schaut Amsel, Drossel, Fink und Star beim Schmausen zu. Und ist erstaunt, dass es dabei so friedlich hergeht. Praktisch nie geraten sich die Vogerl hinsichtlich der Aufteilung der Körndln in die Haare bzw. Federn.
Biologen führen das auf das Prinzip der Staffelung zurück. Es besagt, dass Vogelarten, die den gleichen Lebensraum und also auch dieselben Futterhäuschen benutzen, sich in der Größe um mindestens das Eineinhalb- bis Zweifache unterscheiden.
Der Vorteil dieser Staffelung liegt auf der Hand bzw. dem Flügel: Wenn sich die Gleichgroßen aus dem Weg gehen und die Verhältnisse eindeutig sind, gibt es keine Streitereien. Treffen etwa eine Blaumeise und ein Eichelhäher zusammen, ist es überhaupt keine Frage, wer als Erster zu Tisch darf.
Vielleicht ist dieses biologische Prinzip der Staffelung auch ein Schlüssel zum Verständnis des Funktionierens oder Nichtfunktionierens von Koalitionen. Denn im Prinzip ist die Politik ja auch nichts anderes als ein Futterhäuschen: gefüllt mit den begehrenswertesten und nahrhaftesten Dingen wie Macht, Geld und Einfluss, wird es von zahlreichen Vogerln umschwirrt. Wirklich hin zu den Brosamen der Macht dürfen aber immer nur zwei.
Sind diese beiden Vögel gleich groß – wie das einstens bei der Großen Koalition oder auch bei der türkis-blauen Regierung der Fall war –, fliegen früher oder später die Fetzen bzw. Federn. Weil nämlich nicht so ohne Weiteres klar ist, wer sich als Erster aufs Sprießerl zum Fressen setzen darf.
Handelt es sich hingegen um ein großes und ein kleines Vogerl – wie wir das jetzt in der türkis-grünen Koalition erleben –, geht alles friedlich her. Erst pickt das große, bis es satt ist. Dann bekommt das kleine die Körnchen, die übrig sind. Und alle sind zufrieden.
Wobei man die Staffelung auch zu weit treiben kann, wie man soeben im Burgenland gesehen hat. Wenn das eine der beiden Vogerl so groß wird, dass es alles allein fressen will und kann, fliegt das andere hochkant aus dem Futterhaus hinaus. So geschehen mit der burgenländischen FPÖ, die jetzt ziemlich zerzaust am Boden liegt.
Überhaupt kann diese Partei vor lauter Streitereien und Tiefschlägen momentan kaum noch Piep machen. Ein hochrangiger FPÖler hat seinem Ex-Parteichef sogar empfohlen, er möge einen Psychiater konsultieren. Sprich: Er glaubt, Strache hat einen Vogel.
Das ist natürlich unwahr. Wahr ist vielmehr: Strache hat kein Futterhaus. Deswegen muss seine Frau ja derzeit als wildes Vogerl im hintersten Winkel des Hohen Futterhauses sitzen und die Körner heimbringen. Aber der ehemalige FPÖ-Chef sinnt schon auf einen Ausweg, der ebenfalls der Biologie entnommen ist, nämlich das Hassen.
So bezeichnet man die Taktik von zum Beispiel Singvögeln, sich zusammenzuschließen und sich gemeinsam gegen einen Raubvogel zu wehren. Die Kleinen, die jeder für sich dem Großen weit unterlegen und also ausgeliefert wären, behalten die Oberhand bzw. den Oberflügel, indem sie einen Trupp bilden und so den Feind in die Flucht schlagen. Das nennt man Hassen.
Nun, der Trupp von Heinz-Christian Strache heißt DAÖ und der Feind ist seine einstige Partei, die FPÖ. Das Hassen hat längst begonnen, noch ist aber offen, ob Straches Trupp genug Zulauf bzw. -flug bekommt, um den blauen Raubvogel wirklich ins Bockshorn zu jagen. Er selbst scheint diesbezüglich guter Hoffnung zu sein, es kann aber genauso gut sein, dass sein Trupp gar nicht mehr größer wird. Denn wie heißt es im Kinderlied so schön: Alle Vöglein sind schon daö!