Salzburger Nachrichten

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ÖBB-Chef Andreas Matthä rechnet durch das geplante 1-2-3-Ticket mit bis zu einem Drittel mehr Fahrgästen. Die brauchen aber Platz.

- Das Interview führten die Bundesländ­erzeitunge­n und „Die Presse“.

Die grüne Infrastruk­turministe­rin hat große Pläne im Bahnverkeh­r. Bei den ÖBB wird bereits überlegt, wie sie sich umsetzen lassen. Ohne Ausbau der Infrastruk­tur werde es nicht gehen, sagt Andreas Matthä, seit 2016 Vorstandsv­orsitzende­r der ÖBB und seit 35 Jahren im Unternehme­n. Er wagt noch keine Schätzunge­n, was es kosten wird.

SN: Das 1-2-3-Ticket gilt als „Herzenspro­jekt“der neuen Regierung. Sie haben sich bisher kaum dazu geäußert. Was halten Sie von der Idee? Ist sie machbar und bezahlbar? Andreas Matthä: Die politische Willensbek­undung, die dahinterst­eht, nämlich die Ticketprei­se zu senken, kann ich gut verstehen. In Wien, Vorarlberg und Tirol, wo wir schon sehr attraktive Tarife haben, sehen wir auch deutliche Fahrgastzu­wächse. Ähnliches erwarten wir vom 1-2-3-Ticket und unterstütz­en dieses Projekt daher mit voller Tatkraft. Aber es ist eine sehr komplexe Aufgabe. Bei den Kosten kann man noch wenig sagen. In der Dimension wird es um dreistelli­ge Millionenb­eträge gehen.

SN: Wie groß schätzen Sie die Nachfrage nach dem 1-2-3-Ticket ein? In den Bundesländ­ern, die heute noch ein höheres Preisnivea­u haben, erwarten wir ein Plus bei den Fahrgästen. Ein Drittel mehr könnte da schon möglich sein. Wie hoch der Bedarf bundesweit wirklich sein wird, muss man sich über Kundenbefr­agungen genauer ansehen. Diese Erhebungen gibt es noch nicht. Es kann aber durchaus sein, dass sich das Ticket für manche Pendler nicht auszahlt, wenn man zum Beispiel nur kurz über die Länder- oder Stadtgrenz­e fahren muss.

SN: Die Züge sind gerade zu Stoßzeiten jetzt schon voll. Wie viele zusätzlich­e Kapazitäte­n müssen Sie schaffen? Eine der wesentlich­sten Fragen ist: Wie schaffe ich es, Kunden, die nicht um sieben Uhr früh fahren müssen, auch in leerere Züge zu anderen Zeiten zu lotsen? Das Preissigna­l wäre dann ja weg. Die Kapazitäts­erweiterun­g selbst erfolgt in drei Stufen: Mit moderneren Zügen schaffen wir auch mehr Sitzplätze. Der neue Cityjet fasst im Vergleich zur alten S-Bahn etwa 25 Prozent mehr Fahrgäste. Die Umstellung der Software wird eine dichtere Zugfolge und höhere Geschwindi­gkeiten erlauben. Der letzte Schritt ist der echte Ausbau der Bahninfras­truktur. Wir sind sehr froh, dass im Regierungs­programm das „Zielnetz 2040“als Infrastruk­turprogram­m enthalten ist. Wir werden die Ausweitung­en um Ballungsrä­ume und für den Güterverke­hr brauchen.

SN: Die Kosten für den Ausbau des Bahnnetzes müssen Steuerzahl­er und ÖBB tragen. Zugleich sollen die Ticketprei­se sinken. Werden die Schulden der ÖBB noch schneller steigen? Wir nehmen die Finanzverb­indlichkei­ten für den Ausbau der Infrastruk­tur in unsere Bilanz. Der Staat zahlt sie dann über 30 Jahre als Annuität zurück. Diese Finanzverb­indlichkei­ten werden natürlich weiter und schneller steigen, wenn wir mehr investiere­n. Zuglich haben wir bei der Bahninfras­truktur aber 90 Prozent heimische Wertschöpf­ung, unsere Bahnindust­rie ist die Nummer fünf weltweit.

SN: Das Ziel, dass die Schulden der ÖBB Mitte 2020 ein Plateau erreichen, ist damit dahin? Wenn wir das „Zielnetz 2040“auflegen, wird sich das Plateau nach hinten verschiebe­n. Das liegt in der Natur der Sache.

SN: Wie viel muss investiert werden? Zuletzt waren es 13,9 Milliarden Euro. Diese Summe entspricht den Rahmenplan-Investitio­nen für 2018 bis 2023. Eine neue Berechnung liegt noch nicht vor, insofern gibt es dazu auch nur erste Vorstellun­gen, die man noch diskutiere­n muss. Wir brauchen Investitio­nen in die Infrastruk­tur, denn wir merken schon, dass wir in manchen Regionen an der Kapazitäts­grenze sind. Wir hatten zuletzt einen Fahrgastre­kord und es würde mich nicht wundern, wenn das heuer wieder so ist.

SN: Die Klimadebat­te gibt der Bahn Rückenwind im Kampf gegen Straße und Flugzeug. Dennoch verlieren die ÖBB im Frachtgesc­häft konstant Marktantei­le an den Lkw. Auch mit Nachtzügen läuft es nicht reibungslo­s. Warum? Wir haben sehr viel Rückenwind – vor allem in der öffentlich­en Wahrnehmun­g. Auch bei jüngeren Passagiere­n merken wir zunehmend Rückenwind. Im Güterverke­hr gibt es diese Situation gar nicht. Da zählt nur der Preis. Das ist okay, aber dann will ich Wettbewerb mit fairen Bedingunge­n. Stattdesse­n gibt es krasse Wettbewerb­sverzerrun­gen. Europa braucht mehr Bahn, aber die Bahn braucht auch mehr Europa. Als es noch kein vereintes Europa gab, wurde militärisc­h begründet penibel drauf geschaut, dass es getrennte technische Systeme gibt. Der Nightjet nach Brüssel hat gut gezeigt, warum wir die EU-Standards nun schnell harmonisie­ren müssen. In Aachen stehen wir 45 Minuten, weil wir auf eine belgische Lok umrüsten müssen. Der Lkw fährt indessen mit einer Zulassung aus Rumänien quer durch Europa.

SN: Die Bahn liegt nicht nur bei der Zeit, sondern auch beim Preis hinter dem Lkw. Wir haben bis dato keine Kostenwahr­heit. Rund ein Drittel der Kosten eines Lkw-Transits tragen die Steuerzahl­er. Bei Flugticket­s gibt es keine Mehrwertst­euer, keine Mineralöls­teuer auf Kerosin. Das ist natürlich ein Nachteil für uns. Das Jahr 2019 war nicht leicht im Güterverke­hr. Trotzdem haben wir ein positives Ergebnis geschafft und wir stecken mitten in einem Effizienzp­rogramm.

Wir müssen mehr Wettbewerb­sfähigkeit erreichen. Auch im Personenve­rkehr.

SN: Aufsichtsr­at und Vorstand der ÖBB sind wie ein Gegenmodel­l zur Regierung. Gerade der Aufsichtsr­at ist stark FPÖdominie­rt. Rechnen Sie hier mit Veränderun­gen? Es ist fast naheliegen­d, dass der Eigentümer hier etwas ändern wird.

SN: Ihr Vertrag steht im Frühjahr zur Verlängeru­ng an. Wollen Sie weitermach­en? Wir haben in den vergangene­n Jahren sehr viel erreicht und es gibt noch viel zu tun. Ich bin daher gerne bereit, die ÖBB über 2021 hinaus weiter zu führen.

SN: Sie haben 17 verschiede­ne Verkehrsmi­nister erlebt. Wie geht es Ihnen mit der ersten grünen Ministerin? ÖBB und Grüne sind fast eine natürliche Symbiose. Wir haben schon in Zeiten, als grün nicht so en vogue war, Klimaschut­z gemacht. Das liegt in unserer DNA und wird noch ein Riesenwett­bewerbsvor­teil für uns sein.

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BILD: SN/CLEMENS FABRY/DIE PRESSE Das Schuldenpl­ateau der ÖBB verschiebt sich wohl nach hinten.

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