Sie planen die neue Öko-Stadt
Bauwirtschaft ist ein Schlüssel für nachhaltiges Wirtschaften, was Energie und Ressourcen betrifft. Doch nicht selten vergessen Planer von „Smart Cities“auf das Wichtigste. Ein neuer Stadtteil in Wien soll es besser machen.
Planer von Smart Cities vergessen oft aufs Wichtigste. In Wien soll das nicht passieren.
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, führt kein Weg an einer Ökologisierung der Wirtschaft vorbei. Viel ist in dem Zusammenhang von der Industrie die Rede. Aber auch die Bauwirtschaft spielt eine entscheidende Rolle. Schließlich beanspruchen Immobilien einen beträchtlichen Anteil aller Ressourcen, so fließen rund 40 Prozent der gesamten Energie in den Betrieb von Gebäuden. Diese zeichnen wiederum für einen erheblichen Teil des gesamten Mülls verantwortlich.
Immer mehr Gebäude werden daher nach Ökokriterien zertifiziert, das sei mittlerweile ein Trend geworden, sagt Marc Guido Höhne, Geschäftsführer der ÖsterreichTochter des deutschen Projektmanagementund Beratungsunternehmens Drees & Sommer.
Ziel ist es, die Errichtung und den Betrieb von Häusern so umweltfreundlich und nachhaltig wie möglich zu gestalten. Das Ergebnis ist ein „green building“– ein grünes Gebäude –, das mitunter auch tatsächlich eine grüne Fassade aufweisen kann. Ein solches Gebäude zeichnet sich durch eine erhöhte Effizienz bei der Nutzung von Ressourcen wie Energie, Wasser und Material aus, während gleichzeitig schädliche Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt reduziert sind.
Weil aber das fertige Gebäude „nur die halbe Geschichte“ist, hat die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) den weiterführenden Begriff des „blue building“entwickelt, des blauen Gebäudes. Dieser soll unterstreichen, dass ein Gebäude in seinem gesamten Lebenszyklus außer ökologischer Nachhaltigkeit auch noch weitere
Faktoren wie soziokulturelle Aspekte berücksichtigt. „Dafür braucht es ein viel breiteres Denken, da geht es auch um Mobilität, Infrastruktur und die ganze gesellschaftliche Entwicklung“, sagt Höhne.
Die Idee ist, dass im Mittelpunkt eines solchen Gebäudes in seinem gesamten Lebenszyklus der Mensch und sein Wohlbefinden stehen. Diese Idee und den Begriff hat auch die Österreichische Gesellschaft
für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) übernommen, der Höhne als Präsidiumsmitglied angehört.
Deutschland und Österreich zählen in diesem Bereich zu den internationalen Vorreitern. „Der Anteil der als grün zertifizierten Gebäude ist hier am höchsten“, stellt auch Höhne fest. Allerdings ist das durchaus relativ – denn der Prozentsatz liegt noch immer erst im einstelligen Bereich.
Eine Zertifizierung zum Green Building ist vor allem bei Büros und im Einzelhandel ein Thema, beim Wohnen dagegen bisher vergleichsweise wenig. Das hängt zum einen damit zusammen, dass institutionelle Anleger vermehrt auf das Kriterium
Nachhaltigkeit pochen, nicht zuletzt als Verkaufsargument oder um das eigene Engagement in diese Richtung zu unterstreichen.
Im Unterschied dazu fehle bei privaten Wohnungskäufern oft die Bereitschaft, für das Kriterium Grün mehr Geld auf den Tisch zu legen. Denn die Zertifizierung kostet auch Geld. Für den offiziellen Nachweis der Nachhaltigkeit eines Hauses müssen bis zu 150.000 Euro auf den Tisch gelegt werden.
In Verhandlungen mit Gemeinden und Kommunen setzen sich die Planer und Berater von Drees & Sommer dafür ein, dass ganze Stadtteile nach diesen Prinzipien gestaltet werden. Ein Beispiel ist das Stadtentwicklungsprojekt
„Viertel Zwei“in Wien. Da entsteht bis zum Jahr 2021 ein neuer Stadtteil für mehr als 10.000 Menschen an der Grenze zum Prater, der größten Grünfläche der Stadt, und mit direkter Anbindung ins Zentrum durch die U-Bahn. Dieses von Drees & Sommer begleitete Projekt wurde 2015 von ÖGNI mit dem Erschließungszertifikat in Platin ausgezeichnet.
Während viel von den sogenannten Smart Cities als Städten der Zukunft die Rede ist, weist der Experte Marc Guido Höhne auf einen bemerkenswerten Mangel vieler solcher Konzepte hin. „Der Witz ist, dass sich viele mit relevanten Themen wie E-Mobilität auseinandersetzen, dabei aber die Ganzheitlichkeit der Nachhaltigkeitsstrategien nicht hinbekommen.“Vielen fehle einfach die Zusammenschau der großen Themen, also das große Bild.
Auch die Entwicklung solcher ganzheitlichen Konzepte gehört zu den Aufgaben des Planungs- und Beratungsunternehmens Drees & Sommer, das eng mit dem EPEAInstitut von Professor Michael Braungart zusammenarbeitet, dem Entwickler des Konzepts der „Kreislaufwirtschaft“– mit dem Ziel, dass jeder Teil eines Produkts nach Gebrauch weiter verwendet werden kann und somit kein Müll anfällt.
So ist Drees & Sommer etwa in die Planung der neuen Hauptstadt der Mongolei eingebunden. Weil die aktuelle Metropole Ulan Bator aus allen Nähten platzt und aufgrund seiner Kessellage auch mit Umweltproblemen kämpft, plant das Land eine neue Stadt am Reißbrett. Maidar City soll 30 Kilometer südlich der aktuellen Hauptstadt entstehen – nach hohen ökologischen Standards.
„Vielen fehlt der Blick aufs große Ganze .“
Marc Guido Höhne, Drees & Sommer