Der Hölle Rache kocht in einer jungen Sopranstimme
Die Vendetta ist eine italienische Spezialität. Rund 200 Jahre vor Filmen wie „Der Pate“oder „Good Fellas“hat auch ein Wolfgang Amadé Mozart im Herzen der Königin der Nacht höllische Rache aufkochen lassen oder den sühnewilligen Don Ottavio auf die Reise geschickt. Im zeitlichen Umfeld des „Don Giovanni“entstanden Rezitativ und Arie „Bella mia fiamma, addio“, KV 528, die vom Rachefeldzug der Königin Ceres erzählen.
Giulia Semenzato ist die ideale Interpretin für dieses Werk, die junge Italienerin verfügt über eine natürliche Affinität zu überbordenden Gefühlsregungen – und einen dramatischen Sopran. In Ansätzen erinnern das leicht dunkel gefärbte Timbre und die Bühnenpräsenz an ihr große Landsfrau Cecilia Bartoli. Riccardo Minasi stand Giulia Semenzato in der Mozartwochen-Matinee am Samstag als verständnisvoller Verbündeter zur Seite. Der gebürtige Römer hat in seinen bisher zweieinhalb Jahren als Chefdirigent des Mozarteumorchesters ein ebenso schlankes wie filigranes Offensivspiel im Mozartkernrepertoire perfektioniert. Das kommt nicht zuletzt den frühen Symphonien Mozarts zugute, in diesem Fall den beiden G-Dur-Werken KV 74 und 124. Minasi zeichnete die sommerlichen Farben, die mediterrane Frische der beiden im Zuge der Italienreise des 14-Jährigen entstandenen Werke wunderbar heraus. Doch auch die lyrischen Momente erhielten viel Raum, das Mozarteumorchester erzeugte zart schimmernde Klangfarben. Dieser gefühlvolle Zugang prägte auch die Ouvertüre zum „Mitridate“, eines der ganz frühen Klangwunder Mozarts.
Diese lyrischen Qualitäten besitzt Giulia Semenzato noch nicht. Hochdramatische Koloraturen und riskant gesetzte Spitzentöne wirkten deutlich ausgereifter. Die effektvolle Arie „Barbaro, oh Dio! mi vedi“aus „Il re pastore“des 19-jährigen Mozart gelang überzeugender als das Spätwerk „Chi sà, chi sà, qual sia“, KV 582, das mehr stimmliche Nuancen im Spiegeln menschlicher Gefühlsregungen erfordert.
In der Arie „Lungi da te, mio bene“aus dem „Mitridate“erhielt Semenzato Unterstützung von Radek Baborák. Der Hornvirtuose beendete seine Festival-Residenz danach mit einer einfühlsamen Interpretation des Es-Dur-Hornkonzerts, KV 495. Orchester und Solist agierten auf Augenhöhe und hohem Niveau, das Publikum war begeistert.
Das rund zweieinhalbstündige Akademiekonzert komplettierte Robert Levin, der den Solopart des F-Dur-Klavierkonzerts, KV 459 unprätentiös, aber ohne charakteristische eigene Handschrift gestaltete. Die augenscheinliche Begeisterung des Mozartforschers am Dialog mit dem Orchester machte manches Defizit wett.